VwGH 98/06/0109

VwGH98/06/010919.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der A Gesellschaft mbH & Co KG in L, vertreten durch F, C, M und D, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. Mai 1998, Zl. 1/02-36.756/2-1998, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauPolG Slbg 1997 §2 Abs2;
BauRallg;
LandbauO Slbg 1952 §1;
BauPolG Slbg 1997 §2 Abs2;
BauRallg;
LandbauO Slbg 1952 §1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben .

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer Mitteilung der Marktgemeinde Lofer vom 23. Mai 1996 an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See, wonach die Beschwerdeführerin in Lofer eine Steckerlfischbraterei betreibe, für die weder eine baurechtliche, straßenrechtliche noch gewerberechtliche Genehmigung vorhanden sei, ordnete die Bezirkshauptmannschaft für den 7. August 1996 eine mündliche Verhandlung zwecks gewerbebehördlicher und baubehördlicher Überprüfung an. Anläßlich der Verhandlung wurde ein Aktenvermerk angefertigt, wonach eine überdachte Unterbringungsmöglichkeit "zu Beginn des Parkplatzes" errichtet sei; der bautechnische Sachverständige gab an, daß im gegenständlichen Bereich folgende Baulichkeiten vorhanden seien:

  1. "1. Verkaufsstand mit angebauter Sitzplatzüberdachung. Der Verkaufsstand selbst weist ein Grundrißausmaß von ca. 4,0 mal 2,60 Meter auf. Diese ist in Holzbauweise errichtet und mittels eines Pultdaches abgedeckt. An diesen Verkaufsstand ist eine Sitzplatzüberdachung angebaut. Diese weist ein Grundrißausmaß von 4,05 mal 3,20 Meter auf. Die Dachkonstruktion ist durch Holzsäulen abgestützt und stellt die Dachkonstruktion, welche ebenfalls in Holz errichtet ist, eine Abschleppung des Pultdaches des Verkaufsstandes dar. Die Fundierung dieser beiden Bauwerke (Verkaufsstand und Sitzplatzüberdachung) konnte am heutigen Tage nicht eindeutig überprüft werden.
  2. 2. Lager: Das Lager, welches ebenfalls in Holzbauweise zur Errichtung gelangte, weist ein Grundrißausmaß von ca. 5,20 mal 3,30 Meter auf. Die Traufenhöhe beträgt in etwa 3,0 Meter. Die Eindeckung des Objektes erfolgte mittels Satteldaches, welches ebenfalls in Holz errichtet ist. Die Grundparzellen, auf welche ggstl. Bauwerke sich befinden, konnten am heutigen Tage nicht eindeutig festgestellt werden, da ein Auszug aus der Katastermappe derzeit nicht zur Verfügung steht.
  3. 3. In ca. 50 Meter Entfernung des Verkaufsstandes befindet sich nochmals eine Sitzplatzüberdachung. Diese ist ebenfalls in Holz errichtet und weist ein Grundrißausmaß von ca. 2,0 mal 2,50 Meter auf. Dies ist mittels eines Satteldaches eingedeckt. Dieses ist ebenfalls in Holz errichtet und weist eine Traufenhöhe von ca. 2,0 Meter auf.
  4. 4. Gegenüber dem Verkaufsstand als auch auf der anderen Seite der Bundesstraße befindet sich eine Abortanlage. Es handelt sich dabei um ein Objekt, welches ein Grundrißausmaß von ca. 1,0 mal 1,0 Meter aufweist, mittels eines Pultdaches abgedeckt ist. Die Fäkalien gelangen nach Aussage des Anwesenden in ein Loch, welches aus dem Waldboden ausgehoben wird. Nach Vollfüllung dieses Loches mit Fäkalien wird es mit Steinen und Erdreich abgedeckt und die Aborthütte über ein neues Loch gestellt.

Bezüglich der Objekte 1. und 2. kann auf die im Akt beiliegende Bestandsplanung, bezeichnet als Bestandsplan für die Betriebsräume der Alois Hötzendorfer Ges.m.b.H. Standort Lofer verwiesen werden."

Diese Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen sowie eine Stellungnahme des gewerbetechnischen Amtssachverständigen wurde von der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin (U.L.) persönlich am 20. September 1996 übernommen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 20. November 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 3 und § 22 Abs. 1 lit. a des Baupolizeigesetz aufgetragen, bis zum 28. Februar 1998 1. den Verkaufsstand mit angebauter Sitzplatzüberdachung, 2. das Lager, 3. die zweite Sitzplatzüberdachung sowie 4. die Abortanlage zu beseitigen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach Einsicht in den Gemeindeakt der Marktgemeinde Lofer habe festgestellt werden können, daß für die Steckerlfischbraterei samt Lagerstätte sowie der gegenüber der Bundesstraßenseite gelegenen Notdurftanlage und der überdachten Unterbringungsmöglichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliege.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, bereits seit mehr als dreißig Jahren, nämlich ca. seit dem Jahre 1964 bestehe im Bereich der Katastralgemeinde H. eine Verabreichungsstelle für Steckerlfische, die damals von A.H. betrieben worden sei. Dieser sei am 13. März 1991 verstorben, im Zuge des Verlassenschaftsverfahren sei das seinerzeitige Einzelunternehmen über die Firma der Beschwerdeführerin weiter betrieben worden. U.L. sei handels- und gewerberechtliche Geschäftsführerin dieser Firma. Der Fischbratstand bestehe seit Jahrzehnten unverändert. Die gegenständlichen Objekte seien längst vor Inkrafttreten des Salzburger Baupolizeigesetzes errichtet worden und es sei im Hinblick auf die Frage, ob für derartige "Bauten" die Bewilligungspflicht vorlag oder nicht auf die zum Zeitpunkt der Errichtung geltende Rechtslage abzustellen, nämlich die Salzburger Landbauordnung aus dem Jahr 1952 bzw. 1968. Nachdem die zum Zeitpunkt der Errichtung des Verkaufskioskes zuständige Behörde, die Baubehörde erster Instanz, nämlich der Bürgermeister der Gemeinde Lofer seit 1964 die damalige "Bauführung" ausdrücklich durch konkludente Handlung, indem dagegen nichts unternommen worden sei, genehmigt habe, sei von einem wohlerworbenen Recht und dem rechtmäßigen Bestand der Baulichkeit auszugehen, weshalb die zuständige Baubehörde den Bau als nicht genehmigungspflichtig zur Kenntnis genommen habe.

Die Beschwerdeführerin verfüge, da es sich um die Rechtsnachfolgerin handle, nur in unzureichendem Maße über die seinerzeitigen behördlichen Akte, deren Beschaffung bzw. Anforderung auch eine gewisse Dauer mit sich ziehe. Von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See sei am 13. November 1996 im Rahmen des Antrages der Beschwerdeführerin in der Berufung gegen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See als Wasserrechtsbehörde ein Konvolut von Unterlagen übermittelt worden. Ob die seinerzeit übermittelten Unterlagen aber mit jenen Unterlagen zur Gänze übereinstimmten, die dem gegenständlichen Bescheid zugrunde lägen, könne ohne entsprechende Akteneinsicht nicht festgestellt werden. Es werde daher beantragt, den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Behördenakt an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land im Rechtshilfeweg zwecks Akteneinsicht zu übermitteln. Ausdrücklich werde ein ergänzendes Berufungsvorbringen nach Einlangen des Aktes vorbehalten.

In der Folge hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. Mai 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 20. November 1997 keine Folge gegeben, die Frist für die Beseitigung der baulichen Anlagen wurde mit 31. Juli 1998 neu festgelegt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die zur Zeit der Errichtung der Steckerlfischbraterei (ca. 1964) geltende Salzburger Landbauordnung habe in § 1 für die Führung von Neubauten die Einholung einer Baubewilligung zwingend vorgesehen, sodaß die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte "konkludente" Akzeptanz der seinerzeitigen Baubehörde (Bürgermeister der Gemeinde Lofer) für den vorliegenden Fall ins Leere gehe. Die Baubewilligung könne durch eine Art konkludentes Verhalten (Stillschweigen) der Bauaufsichtsorgane nicht begründet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes LGBl. Nr. 40/1997 hat die Baubehörde dann, wenn eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt ist oder ihre Bewilligung nachträglich aufgehoben wurde, dem Eigentümer und allenfalls auch dem Veranlasser aufzutragen, die bauliche Anlage binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen. Wird ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung gestellt, darf eine Vollstreckung des Beseitigungsauftrages nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden. Bei Versagung der nachträglichen Bewilligung beginnt die Frist zur Beseitigung ab Rechtskraft des Versagungsbescheides neu zu laufen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, setzt ein Beseitigungsauftrag voraus, daß die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0244).

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 27. Mai 1998 stand bereits das Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 40 in der Fassung LGBl. Nr. 68/1997 in Geltung. Dieses sieht in § 2 Abs. 2 eine Reihe von Bauten vor, die keiner Baubewilligung bedürfen. Hinsichtlich der gegenständlichen Baulichkeiten kann nicht ausgeschlossen werden kann, ob sie allenfalls baubewilligungsfrei gemäß § 2 Abs. 2 des Baupolizeigesetzes sind. Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen in dieser Hinsicht getroffen, sodaß der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend zu beurteilen vermag, ob alle Baulichkeiten, auf die sich der Beseitigungsauftrag bezogen hat, auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 27. Mai 1998 von der Baubewilligungspflicht umfaßt waren. Es wurden nicht einmal die Grundparzellen festgestellt, auf welchen die Baulichkeiten errichtet wurden, sodaß, da die Baulichkeiten auf einem oder im Nahebereich eines Parkplatzes errichtet sind, auch nicht ausgeschlossen werden kann, ob es sich dabei um eine Verkehrsfläche im Eigentum einer Gebietskörperschaft handelt.

Aber auch zur Bewilligungspflicht zu dem behaupteten Errichtungszeitpunkt (1964), insbesondere in Bezug auf die zweite Sitzplatzüberdachung mit einen Grundrißausmaß von 2 m mal 2,5 m, fehlen die erforderlichen Feststellungen, weshalb diese Baulichkeit von der Bewilligungspflicht der Salzburger Landbauordnung LGBl. Nr. 55/1952 in der Fassung LGBl. Nr. 108/1959 erfaßt gewesen sein soll. Dieses Gesetz sah in § 1 für die Führung von Neu-, Zu- und Umbauten die Einholung einer Baubewilligung vor. Wenn auch die Baulichkeiten zu den Punkten 1, 2 und 4 Gebäude darstellen, die zweifellos der Bewilligungspflicht des § 1 leg. cit. unterlagen, so ist doch der zweite überdachte Sitzplatz, der nach der Beschreibung keine Seitenwände aufweist, nicht als Gebäude zu qualifizieren. Eine derartige Anlage wäre nur dann von der Baubewilligungspflicht erfaßt gewesen, wenn zu ihrer werkgerechten Errichtung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich gewesen wäre, sie mit dem Boden verbunden und geeignet war, die öffentlichen Interessen zu berühren (vgl. dazu Krzizek, System des Österreichischen Baurechts, Band II, S. 16). Ob diese Kenntnisse erforderlich waren, ist durch einen Bausachverständigen zu beurteilen. Die Baubehörde hat darzulegen, weshalb die Anlage wegen ihrer Beschaffenheit geeignet war, die öffentlichen Interessen zu berühren.

Da für eine abschließende Beurteilung der Bewilligungspflicht sowohl zum Zeitpunkt der Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides wesentliche Sachverhaltsfeststellungen fehlen, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die Unterlassung der beantragten Aktenübermittlung einen weiteren Verfahrensmangel darstellt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Wien, am 19. November 1998

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