VwGH 98/06/0073

VwGH98/06/007324.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1. des H, 2. der K, 3. des Dr. P, 4. der B und 5. des M, alle in L, alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Feber 1998, Zl. 03-12.10 L 42-98/14, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. M-Bau Projektentwicklung GmbH & Co KG und 2. Gemeinde Laßnitzhöhe, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 17. März 1993 war den Eigentümern des Grundstücks Nr. 1348, KG L, eine Widmungsänderungsbewilligung für dieses Grundstück für die Errichtung eines Wohngebäudes erteilt worden. Unter anderem war die Gebäudehöhe mit einer Traufenhöhe von maximal 3,80 m festgesetzt worden. Mit Eingabe vom 31. August 1995 hatten die Liegenschaftseigentümer um eine weitere Widmungsänderung angesucht; die Widmungsänderung sollte nur die Anhebung der hangseitigen Traufenhöhe von 3,80 m auf 5,50 m betreffen, da der talseitige Bereich des Grundstückes um 5 m tiefer liege als der straßenseitige Bereich. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juli 1996 wurde die beantragte Widmungsänderungsbewilligung erteilt, wobei die Auflagen des Widmungsbewilligungsbescheides vom 17. März 1993 mit Ausnahme des Punktes 16, in dem nunmehr das Mindestmaß der Gebäudehöhe 3,80 m, das Höchstmaß der Gebäudehöhe mit 5,50 m neu begrenzt wurde, vollinhaltlich aufrecht blieben. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft (vgl. das hierzu ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0198).

Mit Bauansuchen vom 14. Jänner 1997 (bei der zweitmitbeteiligten Gemeinde eingelangt am 23. Jänner 1997) beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten und zehn PKW-Abstellplätzen im Freien auf diesem Grundstück. Nach Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung für den 13. Februar 1997 erhoben die Beschwerdeführer schriftliche Einwendungen gegen das Bauvorhaben. Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer beanstandeten einen Widerspruch zur vorhandenen Widmungsbewilligung, worin ausschließlich die beabsichtigte Errichtung eines "hundertprozentigen Einfamilienhauses" angeführt worden sei und nicht die nunmehr beabsichtigte Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit acht Wohneinheiten und zehn PKW-Abstellplätzen. Wie auch schon im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren, welches Gegenstand des bereits oben zitierten hg. Erkenntnisses vom 2. Juli 1998 gewesen war, wendeten die Erst- bis Viertbeschwerdeführer auch im nunmehrigen Baubewilligungsverfahren ein, der in Rede stehende Bauplatz sei weder für die Errichtung eines Einfamilien- noch für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses geeignet, weil es sich um ein rutschgefährdetes Gebiet handle, was durch das den schriftlichen Einwendungen beigelegte "Gutachten" des Dipl.-Ing. A. bescheinigt werde. Wie auch bereits im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren machten die Beschwerdeführer darüber hinaus die Befangenheit des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde geltend. Der Fünftbeschwerdeführer machte die Rutschgefahr, den zu geringen Bauabstand sowie die erhebliche Lärmbelästigung während der Bauzeit zum Gegenstand seiner Einwendungen. Mit diesen schriftlichen Einwendungen war u. a. ein von "OBR Dr. A." gezeichnetes Gutachten der belangten Behörde vom 26. April 1993 vorgelegt worden.

In der mündlichen Bauverhandlung wurde das Gutachten erstattet, dass gegen die Erteilung der Baubewilligung bei plan-, beschreibungs- und bedingungsgemäßer Ausführung seitens des Bausachverständigen kein Einwand bestehe, wenn die im Einzelnen unter Punkten 1 bis 17 genannten Auflagen erfüllt und eingehalten würden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 4. August 1997 wurde der Erstmitbeteiligten die Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit acht Wohneinheiten und zehn PKW-Abstellplätzen auf dem näher bezeichneten Grundstück unter Auflagen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend die Rutschgefährdung und die Widmungswidrigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens wurden abgewiesen. Die Einwendungen betreffend die Befangenheit des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz, des zu geringen Bauabstandes und damit der Beeinträchtigung der Lebensqualität sowie der befürchteten Lärmbelästigung während der Bauzeit zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 13. Oktober 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 1998 wurde die gegen den Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 13. Oktober 1997 erhobene Vorstellung mangels Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges unter Einbeziehung des Verfahrens über die Widmungsänderungsbewilligung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, eine Änderung hinsichtlich des Sachverhaltes in Bezug auf die Rutschgefährdung habe sich seit dem Beschluss des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 30. September 1996 (die Berufungsentscheidung im Widmungsänderungsbewilligungsverfahren) nicht ergeben. Demzufolge könne auch durch die Erteilung der nunmehrigen Baubewilligung keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer erfolgt sein. Insoweit sich die Beschwerdeführer zur Bekräftigung ihres Standpunktes, eine Rutschgefährdung könne sehr wohl ein subjektiv öffentliches Recht darstellen, auf die Judikatur zur Tiroler Bauordnung berufe, sei anzumerken, dass diese mit der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bzw. dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 nicht vergleichbar sei. Anders als nach der Tiroler Bauordnung sei die im Steiermärkischen Baugesetz enthaltene Regelung über die Nachbareinwendungen eine taxative. Hätte der Steirische Landesgesetzgeber gewollt, dass auch eine Rutschgefährdung als ein subjektiv-öffentliches Recht anzusehen sei, so hätte er dies in der taxativen Aufzählung des § 26 Baugesetz verankern müssen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, könnten die einer Partei eingeräumten prozessualen Rechte nicht weiter reichen, als die ihr durch Gesetz gewährleistete Sphäre materieller Rechte, sodass die Einwendungen zur Rutschgefährdung nicht näher behandelt werden könnten. Bezüglich des Einwandes der Befangenheit des Bürgermeisters sei festzuhalten, dass seine etwaige Befangenheit nicht zu berücksichtigen gewesen sei, da selbst die Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung erster Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos geworden sei. Demzufolge könne auch hier keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Die von der Baubehörde eingeholten und dem Bescheid zugrunde liegenden Gutachten seien überdies sowohl schlüssig als auch nachvollziehbar, woran auch das Gutachten des OBR Dr. A. nichts zu ändern vermöge. Auch ein Widerspruch zur erteilten Widmungsbewilligung bestehe nicht, da sich diese auf die Schaffung eines Bauplatzes für die "Errichtung eines Wohnhauses" unter Vorschreibung von Auflagen bezogen habe. Eine Einschränkung sei in diesem Bescheid nicht getätigt worden. Zum Einwand der Gefährdung bzw. Belästigung durch die während der Bauzeit erforderliche Beseitigung der Niederschlagswässer werde ausgeführt, dass auf Grund umfangreicher Auflagen, die auch präzise seien, und aus den übrigen Projektunterlagen ersichtlich sei, dass eine Gefährdung bzw. eine unzumutbare Belästigung für die Beschwerdeführer nicht eintreten könne. Eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes sei daher nicht gegeben. Zum Einwand der unpräzisen und unzulässigen Auflagen sei festzuhalten, dass die für die Nachbarn relevanten Auflagen präzise formuliert seien und hinsichtlich der übrigen Auflagen, die ebenfalls nicht unpräzise seien, die Nachbarn keine Möglichkeit hätten, prozessuale Rechte geltend zu machen, weil dies über ihre gewährleistete Sphäre materieller Rechte hinausginge. Zum Einwand der unzulässigen Inanspruchnahme von Nachbargrundstücken sei festzuhalten, dass aus dem Baubewilligungsbescheid und den genehmigten Planunterlagen eindeutig hervorgehe, dass die gegenständliche Bauplatzfläche ausschließlich von der vorhandenen H.-Straße aufgeschlossen werde, insbesondere auch im Bewilligungsbescheid keinerlei Vereinbarungen über die Benützung der privaten Aufschließungsstraße an der Ostseite des Baugrundstückes vorlägen. Gegebenenfalls seien dies privatrechtliche Aspekte, die im gegenständlichen Bauverfahren nicht behandelt werden könnten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren, nach dem AVG in Verbindung mit dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 gewährleisteten Rechten auf Durchführung eines vollständigen und ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, insbesondere in ihren Rechten auf strikte Einhaltung des Grundsatzes der Amtswegigkeit (Offizialmaxime) gemäß § 39 Abs. 1 AVG, der Unmittelbarkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Beachtung von Befangenheitsgründen, auf sorgfältige Beweiswürdigung und auf Einhaltung des Grundsatzes auf Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit aller Beweismittel sowie in ihrem nach § 66 Abs. 4 AVG gewährleisteten Recht auf

"Überprüfung eines angefochtenen Bescheides sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung nach jeder Richtung durch die Berufungs- bzw. Vorstellungsbehörde;

b) gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 iVm § 119 Abs. 3 und 4 Steiermärkisches Baugesetz 1995 zustehenden subjektiv öffentlich-rechtlichen Nachbarrecht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit ein Immissionsschutz verbunden ist;

c) gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 iVm § 5 Abs. 1 Z. 4 und 5 Steiermärkisches Baugesetz zustehenden subjektiv öffentlich-rechtlichen Nachbarrecht auf Vermeidung einer Rutschgefährdung als sonstige Gefährdung oder unzumutbare Belästigung im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen;

d) gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 iVm § 65 Abs. 1

Steiermärkisches Baugesetz gewährleisteten subjektiv öffentlich-rechtlichen Nachbarrecht auf Vermeidung der Gefährdung und unzumutbaren Belästigung durch mangelnde und nicht auf Bestanddauer sichergestellte Beseitigung der Niederschlagswässer im Sinne dieser Gesetzesbestimmung,

e) gemäß § 29 Abs. 5 Steiermärkisches Baugesetz und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Schutz (zur "Entsprechung") der vorstehend angeführten subjektiv öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte gewährleisteten Recht auf Erteilung eines Bewilligung mit konkreten, präzisen, bestimmten, geeigneten, erforderlichen und behördlich erzwingbaren Auflagen und

f) nach §§ 364 ff, 423 ff ABGB gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit und unbeschränkten Schutz gegen unzulässige Inanspruchnahme ihres Eigentums an ihren Grundstücken sowie nach § 26 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 zustehenden Recht auf Verpflichtung der Behörde zunächst eine Einigung über ihre privatrechtlichen Einwendungen zu versuchen sowie bei dessen Scheitern die Beschwerdeführer auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen und diese Verweisung unter Anführung der Einwendungen in Spruch des Bewilligungsbescheides auszusprechen, verletzt."

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften machen die Beschwerdeführer aufs Wesentliche zusammengefasst geltend, bereits in ihren schriftlichen Einwendungen hätten sie das Gutachten des Dipl.-Ing. A. (richtig: OBR. Dr. A.) vorgelegt, dieses sei jedoch nicht entsprechend berücksichtigt worden, obwohl darin die akute Rutschgefährdung bescheinigt worden sei. Auch die in diesem Zusammenhang gestellten weiteren Beweisanträge seien abgewiesen worden, obwohl die Behörde verpflichtet gewesen wäre, alle zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise amtswegig aufzunehmen. Die Behörde habe damit die Grundsätze der Amtswegigkeit, der Unmittelbarkeit, der Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt, wodurch eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung dieser Bauangelegenheit unterblieben sei. In seiner Eigenschaft als Versicherungsvertreter habe der den Baubewilligungsbescheid in erster Instanz erlassende Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde von der Rutschgefährdung des "Sonnenhanges" gewusst, weil er in dieser Eigenschaft bei der Hausversicherung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei zu deren Gunsten interveniert und für an deren Haus durch Hangrutschungen entstandene Risse und Sprünge aus dem Titel des Schadenersatzes einen Geldbetrag habe akquirieren können. Abgesehen davon, dass in dem vorgelegten Gutachten des OBR Dr. A. das gesamte Gelände als rutschgefährdet bezeichnet werde, widerspreche auch die Begründung der Berufungsbehörde, ein allfälliger Versicherungsschaden am Wohnobjekt der Erst- und Zweitbeschwerdeführer stünde in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Widmungsgrundstück, den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens, da

"naturgemäß nicht nur Teile eines Hanges, sondern stets der Hang an sich rutschgefährdet ist, vor allem aber dann - wie im gegenständlichen Fall - wenn oberhalb der beiden ebenfalls in Hanglage befindlichen Häuser der Berufungswerber die Widmungsvoraussetzungen und somit die Voraussetzungen für die zukünftige Bebauung des Widmungsgrundstückes mit einem Mehrfamilienhaus geschaffen werden, da dadurch die Rutschgefährdung nicht nur der unterhalb gelegenen Häuser der Beschwerdeführer, sondern des gesamten Hanges einschließlich des Baugrundstückes erhöht wird".

Aus diesen Umständen ergäbe sich nicht nur eine Befangenheit der Behörde erster Instanz, sondern lasse sowohl den Berufungs- als auch den Vorstellungsbescheid als willkürlich erscheinen, weil die von der Vorstellungsbehörde vertretene Meinung, eine allfällige Befangenheit des erstinstanzlichen Organes sei durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos geworden, nicht mehr aufrechterhalten werden könne, da "den Beschwerdeführern insoweit ein nach dem Gesetz zuständiges Organ, nämlich das nach der steiermärkischen Gemeindeordnung im Falle der Befangenheit des Bürgermeisters vorgesehene Ersatzorgan, entzogen" worden sei. Die Verwaltungsbehörden hätten sich überhaupt nicht sachlich mit den vorliegenden divergierenden Gutachten über die vorhandene Rutschgefährdung auseinander gesetzt, und, obwohl seit Erlassung des ursprünglichen Widmungsbescheides vom 17. März 1993 neue Umstände, nämlich die zwischenzeitige Sanierung der Häuser der Erst- bis Viertbeschwerdeführer und die dabei festgestellte Rutschgefährdung, eingetreten seien, nicht abermals eine neuerliche Befundaufnahme unter Stellung eines neuerlichen bzw. ergänzenden boden- bzw. geomechanischen Gutachtens von Amts wegen veranlasst. Damit habe sie sich mit der strittigen Sachfrage hinsichtlich der Rutschgefährdung nicht ausreichend auseinander gesetzt, zumal der Begründung der Bescheide nicht zu entnehmen sei, aus welchen Gründen das Gutachten des Amtssachverständigen für schlüssig gehalten, hingegen das Gutachten des OBR Dr. A. nicht für schlüssig erachtet worden sei. Auch zu den geltend gemachten Befangenheitsgründen sei inhaltlich nicht Stellung genommen worden.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes verweisen die Beschwerdeführer wiederum auf die Widmungswidrigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens, auf die ihrer Ansicht nach gegebene Rutschgefährdung und ungenügende Erteilung von Auflagen im Zusammenhang mit der Beseitigung der anfallenden Niederschlagswässer, zu deren Ableitung über ihren Grund sie keine Zustimmung erteilt hätten. Auch sei der im Punkt 9 des Baubewilligungsbescheides enthaltene Verweis auf die Punkte 6 und 7 des Gutachtens des Dipl.-Ing. Dr. D. keine derart präzise und konkrete "Auflage", die auch exekutiert werden könne. Auf "Seite 13" in der Begründung des "angefochtenen Bescheides" habe die Behörde festgestellt, dass das Gebäude an der Westseite vorwiegend aufgeschlossen werde, an der Ostseite sei lediglich ein Zugang zum Kellergeschoß vorgesehen, von welchem auch der Kinderwagen- und Fahrradraum aufgeschlossen sei. An der Ostseite des Hauses führe daher der Kellerzugang über den privaten Zufahrtsweg der Beschwerdeführer. Die Baubehörde greife durch den Bewilligungsbescheid daher eindeutig und unmissverständlich in die absoluten Miteigentumsrechte der Beschwerdeführer an ihrer privaten Zufahrt ein. Die Baubehörde erster Instanz hätte vielmehr zunächst eine Einigung zwischen den Parteien versuchen müssen und im Falle der Nichteinigung die Beschwerdeführer auf den ordentlichen Rechtsweg verweisen müssen. Dies habe sie unter Verletzung des § 26 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz unterlassen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde stellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 119 Abs. 3 zweiter Satz des Steiermärkischen Baugesetzes - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, erlöschen Widmungsbewilligungen im Sinne des Abs. 1, die ab dem 1. März 1989 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes (d. i. der 1. September 1995) erteilt worden sind, wenn binnen zehn Jahren nach rechtskräftiger Erteilung nicht um die Baubewilligung angesucht worden ist. Nach Abs. 4 leg. cit. ersetzt, wenn um die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 22 zu einem Zeitpunkt angesucht wird, in welchem eine Widmungsbewilligung im Sinne des Abs. 3 noch aufrecht ist, der dem Ansuchen angeschlossene Widmungsbewilligungsbescheid die im § 22 Abs. 2 Z. 5 geforderten Angaben über die Bauplatzeignung. Dass die zuletzt genannte Rechtsfolge auf Grund der zeitlichen Lagerung der relevanten Bewilligungen im Beschwerdefall eingetreten ist, ist nicht zweifelhaft.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. ist eine Grundstücksfläche als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn u.a.

"4. der Untergrund tragfähig ist sowie die vorgesehene Bebauung keine Gefährdung der Standsicherheit benachbarter baulicher Anlagen zur Folge hat,

5. Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. nicht zu erwarten sind".

Eben diese Eignung der gegenständlichen Liegenschaft wird von den Beschwerdeführern bestritten. Zu prüfen war zunächst, inwieweit sie zur Geltendmachung dieser Einwendungen berechtigt waren.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  3. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

    Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das ausschließlich der Wahrung öffentlicher, von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmender Interessen dient (objektiv-öffentlich-rechtliche Einwendung), so hat die Behörde gemäß § 26 Abs. 2 Stmk. BauG dieses Vorbringen zurückzuweisen.

    Eine Rechtsverletzung im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann der Nachbar vor dem Verwaltungsgerichtshof nur hinsichtlich jener Vorschriften des Stmk. BauG mit Erfolg geltend machen, die ihm ein subjektiv-öffentliches Recht einräumen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1986, Zlen. 85/06/0224 und 86/06/0029, und vom 11. September 1986, Zl. 85/06/0013, sowie vom 25. März 1999, Zl. 97/06/0219).

    Auch die den Parteien eingeräumten Verfahrensrechte reichen nicht weiter als die ihnen eingeräumten materiellen subjektiven Rechte (vgl. den hg. Beschluss vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0199 und das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0115, jeweils ergangen zur Stmk. BauO 1968).

    § 26 Abs. 1 Stmk. BauG sieht eine taxative und somit abschließende Aufzählung jener Bestimmungen vor, die Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren gemäß diesem Gesetz gewähren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1997, Zl. 97/06/0019, und vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0109). Es steht somit dem Nachbarn gemäß dem Stmk. BauG kein Mitspracherecht in Bezug auf die in § 5 Z. 4 und 5 Stmk. BauG verankerten Kriterien zu (vgl. hierzu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 97/06/0219, und die dort angeführte Judikatur und Literatur). Der Gesetzgeber hat mit der ausdrücklichen Festlegung von Bestimmungen, aus denen Nachbarrechte ableitbar sind, dezidiert und abschließend festgelegt, welche Bestimmungen als nicht nur ausschließlich der Wahrung öffentlicher, von der Behörde gemäß § 26 Abs. 2 Stmk. BauG von Amts wegen wahrzunehmender Interessen, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienend anzusehen sind. § 26 Abs. 2 leg. cit. ermöglicht keine die Nachbarrechte des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG erweiternde Auslegung. Der Gesetzgeber hat in dieser Bestimmung nur geregelt, wie Einwendungen, mit denen die Verletzung eines Rechtes behauptet wird, das ausschließlich der Wahrung öffentlicher, von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmender Interessen dient, zu behandeln sind. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch die Fragen einer allfälligen Rutschgefährdung als ausschließlich im öffentlichen Interesse gelegen beurteilt hat. An der diesbezüglichen Rechtslage hat sich daher seit dem Inkrafttreten des Stmk. BauG (1. September 1995) nichts geändert. Insoweit die Beschwerdeführer daher auch in diesem Verfahren wiederum eine Rutschgefährdung des gegenständlichen Hanges und damit zusammenhängende Verfahrensverletzungen geltend machen, genügt es - um Wiederholungen zu vermeiden und abgesehen davon, dass die Widmungsbewilligung rechtskräftig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0109) - auf das in dieser Bausache bereits ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0198 und die dortigen Ausführungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen.

    Insoweit die Beschwerdeführer die mangelnde Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan und mit den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 26 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 119 Abs. 3 und 4 Steiermärkisches Baugesetz 1995), geltend machen, als Verwendungszweck im Widmungsbewilligungsbescheid sei lediglich und ausschließlich die beabsichtigte Errichtung eines "hundertprozentigen Einfamilienhauses" angegeben, was dem derzeitigen Bauvorhaben nicht entspreche, unterliegen sie einem Irrtum. Aus dem rechtskräftigen Widmungsänderungsbewilligungsbescheid vom 3. Juli 1996 und dem zugrunde liegenden Ansuchen geht hervor, dass der festgelegte Verwendungszweck die Errichtung eines Wohnhauses gewesen ist. Diesen rechtskräftigen Bescheid hat aber auch im nunmehrigen Baubewilligungsverfahren der Nachbar gegen sich gelten zu lassen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 3. November 1983, Zl. 81/06/0158, zitiert nach Hauer/Trippel, Steiermärkisches Baurecht, 3. Auflage, S 429, E. 55 zu § 119).

    Insoweit die Beschwerdeführer eine unzumutbare Belästigung durch Beseitigung der Niederschlagswässer auf ihrer Liegenschaft im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 5 in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Steiermärkisches BauG behaupten, ist Folgendes auszuführen:

    Nach § 65 Abs. 1 Stmk. BauG. ist bei baulichen Anlagen eine einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer sicherzustellen. Dafür erforderliche Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und instand zu setzen, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen.

    Auf Einhaltung dieser Bestimmung haben die betroffenen Nachbarn einen subjektiv öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch. Dennoch geht der Einwand ins Leere, wenn die Beschwerdeführer davon ausgehen, dass von einer "einwandfreien Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer" schon mangels ihres Einverständnisses nicht die Rede sein könne. § 65 Stmk. BauG behandelt die Entsorgung und Beseitigung von Ab- und Niederschlagswässern "auf Bestanddauer", d.h. nicht für das Provisorium während der Bauzeit. Im Baubewilligungsbescheid vom 4. August 1997 wird unter Punkt 7.6 der Auflagen (Ableitung der Dach- und Drainagewässer) ausgeführt, dass "eine geordnete Ableitung der Dachwässer in den bestehenden Entwässerungskanal" sowie (Punkt 7.5) eine "Ringdrainage" vorzusehen sei. Dass hiefür infolge Verwendung fremden Grund und Bodens eine Zustimmung erforderlich gewesen wäre, lässt sich aus dem Akt nicht ersehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf Punkt 12 der allgemeinen Auflagen zum Baubewilligungsbescheid zu verweisen. Anders verhält es sich bei den auf Seite 3 des Baubewilligungsbescheides ausgeführten Bauprovisorien (das Ableiten der Niederschlagswässer mittels eines Schlauches auf eine an den Bauplatz angrenzende große Wiese u.a.), die eine zeitweise Inanspruchnahme fremden Grundes erforderlich machen dürften. Solche Beeinträchtigungen während der Bauführung begründen keine subjektiven Nachbarrechte (vgl. die zur oberösterreichsichen BauR ergangenen hg. Erkenntnisse vom 16. März 1993, Zl. 92/05/0308, und vom 27. August 1997, Zl. 96/05/0096). Im Übrigen geht aus dem Akt nicht hervor, dass die im Baubewilligungsbescheid erwähnte Wiese im Eigentum der Beschwerdeführer stünde.

    Insoweit die Beschwerdeführer sich dadurch verletzt erachten, dass die den Bauführern erteilten Auflagen zu wenig konkret, präzise und bestimmt seien, ist ihnen entgegen zu halten, dass mangels einer präzisen Darstellung dieses Beschwerdepunktes nicht erkennbar ist, inwieweit die im Bewilligungsbescheid enthaltenen bzw. einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Anordnungen ihre Nachbarrechte im Sinn des § 26 Abs. 1 Stmk. Baugesetz nachteilig berühren könnten. Des weiteren erweist sich als nicht nachvollziehbar, inwieweit die Beschwerdeführer dadurch in ihren subjektiven öffentlichen Rechten verletzt worden sein könnten, dass die Behörde - angeblich - eine Einigung über zivilrechtliche Ersatzansprüche vor der spruchgemäßen Verweisung auf den Zivilrechtsweg nicht zumindest versucht habe, betonen sie den Mangel eines diesbezüglichen Einverständnisses doch noch in der Beschwerde. Im Übrigen wird auf das Protokoll über die Durchführung der Bauverhandlung am 13. Februar 1997, Seite 11, hingewiesen, wonach der Versuch einer zivilrechtlichen Einigung entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen unternommen wurde.

    Insoweit die Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst allgemeine Verfahrens- und Ermittlungsfehler im Zusammenhang mit der von ihnen behaupteten Rutschgefahr behaupten, ist auf das bereits oben Gesagte zu verweisen, wonach die den Parteien eingeräumten Verfahrensrechte nicht weiter reichen können als die ihnen eingeräumten materiellen subjektiven Rechte. Wurde das Vorliegen eines materiellen subjektiven Rechtes aus den oben dargelegten Gründen verneint, stehen auch die darauf Bezug habenden Verfahrensrechte nicht zu. Im Übrigen war das von ihnen immer wieder zitierte "Gutachten" des OBR Dr. A. vom 26. April 1993 dem Gutachtenserstatter DI Dr. J.D. nach dem Inhalt der von ihm genannten Gutachtensunterlagen bereits bekannt und damit Gegenstand der fachlichen Auseinandersetzung.

    Insoweit die Beschwerdeführer ihr Vorbringen aus dem Verfahren über die Widmungsänderungsbewilligung betreffend die Befangenheit des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde wiederholen, ist auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0198, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG und die dortigen Ausführungen zu dieser Frage zu verweisen.

    Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abgesehen werden, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Beschwerdeführer überdies nur Rechtsfragen aufgeworfen haben, die in der Vorjudikatur bereits behandelt wurden, und die Beschwerdeführer die Möglichkeit haben, den Schaden, der ihnen aus der Bauführung entstehen könnte, bei einem ordentlichen Gericht geltend zu machen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 24. Februar 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte