VwGH 97/06/0198

VwGH97/06/01982.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des H und der K sowie des D und der B, alle in L, alle vertreten durch D, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. November 1996, Zl. 03-12.10 L 42-96/3, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. M und I in J, 2. Gemeinde Laßnitzhöhe, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 17. März 1993 war den erstmitbeteiligten Parteien eine Widmungsänderungsbewilligung für das Grundstück Nr. 1348, KG L., für die Errichtung eines Wohngebäudes erteilt worden. Unter anderem war die Gebäudehöhe mit einer Traufenhöhe von maximal 3,80 m festgesetzt worden.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 17. Juni 1993 abgewiesen, die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörd mit Bescheid vom 15. Juli 1993 abgewiesen.

In der Folge haben die Erstmitbeteiligten mit Eingabe vom 31. August 1995 um eine weitere Widmungsänderung angesucht; die Widmungsänderung sollte nur die Anhebung der hangseitigen Traufenhöhe von 3,80 m auf 5,50 m betreffen, da der talseitige Bereich des Grundstückes um 5 m tiefer liege als der straßenseitige Bereich.

In der über dieses Ansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 26. April 1996, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden, brachten diese zusammengefaßt vor, die beantragte Widmungsänderung widerspreche nicht nur dem derzeitigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde, sondern auch dem Landschafts- und Ortsbild, der Hang sei wegen seiner Rutschgefährdung zur Verbauung nicht geeignet. Der bautechnische Sachverständige bezog sich in der Verhandlung auf die Stellungnahme des Ortsplaners D.I. M.H. vom 1. April 1996, wonach im derzeit rechtskräftigen Widmungsbewilligungsbescheid unter Punkt 16 das Höchstmaß der Gebäudehöhe mit 3,80 m begrenzt worden sei, wobei auf die vorhandene Hanglage nicht eingegangen worden sei. Das gegenständliche Grundstück befinde sich im südöstlichen Teil der Gemeinde, angrenzend an die Landesstraße. Nach dem Flächenwidmungsplan sei die gegenständliche Parzelle der Baulandkategorie "Allgemeines Wohngebiet" zugeordnet. Die Bebauungsdichte für diesen Baulandbereich sei mit 0,2 bis 0,6 festgelegt. Das Grundstück sei allseitig, teilweise lediglich durch Straßen getrennt, von Bauland umgeben. Ferner weise das Areal ein Gefälle von West nach Ost auf, wobei der Höhenunterschied ca. 5 m betrage. Aufgrund der in diesem Bereich bestehenden Bebauung sei bei Festlegung der Gebäudehöhe bergseitig Richtung Westen zur Landesstraße mit 3,80 m und talseitig Richtung Osten mit 5,5 m keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes zu erwarten. Auch aufgrund der festgelegten Bebauungsdichte sei eine Erhöhung der Gebäudehöhe vertretbar. Die bauordnungsgemäßen Abstände seien jedoch einzuhalten.

In der Verhandlung führte der technische Sachverständige dazu aus, daß infolge des Gefälles des Areals von West nach Ost die Traufenhöhe an der Ostseite mit maximal 5,50 m begrenzt werden müsse.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juli 1996 wurde den Erstmitbeteiligten die beantragte Widmungsänderungsbewilligung erteilt, wobei die Auflagen des Widmungsbewilligungsbescheides vom 17. März 1993 mit Ausnahme des Punktes 16 vollinhaltlich aufrecht blieben, Punkt 16 habe zu lauten, daß das Mindestmaß der Gebäudehöhe 3,80 m, das Höchstmaß der Gebäudehöhe mit 5,50 m begrenzt werde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 30. September 1996 abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. November 1996 keine Folge gegeben.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Beschwerdeführer hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 118/97-13, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Unter anderem führte der Verfassungsgerichtshof aus, insoweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen tatsächlich berühre, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, wonach § 1 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 vor der taxativen Aufzählung der subjektiven-öffentlichen Nachbarrechte im § 61 Abs. 2 Stmk. BauO durch die Novelle LGBl. 14/1989 ausschließlich den öffentlichen Interessen zum Schutz des zu widmenden Grundstückes diene, nicht aber auch dem Interesse der Nachbarn, die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als sowenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Im einzelnen wird ausgeführt, daß die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß den Nachbarn hinsichtlich der Rutschgefahr kein subjektiv-öffentliches Recht zustehe, auf die geltend gemachte Befangenheit des Bürgermeisters nicht eingegangen worden sei und die Behörde das Planungsermessen nicht richtig ausgeübt habe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hat zu erfolgen, wenn der Bescheid subjektive Rechte des Beschwerdeführers verletzt.

Gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bedarf die Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen oder eine Widmungsänderung der Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sind im Widmungsverfahren die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61) sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese sind in der genannten Bestimmung taxativ aufgezählt.

Eine Rechtsverletzung vor dem Verwaltungsgerichtshof kann der Nachbar im Sinne der Steiermärkischen Bauordnung gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG daher nur hinsichtlich jener Vorschriften mit Erfolg geltend machen, die ihm ein subjektiv-öffentliches Recht einräumen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1986, Zlen. 85/06/0224 und 86/06/0029, und vom 11. September 1986, Zl. 85/06/0013).

Auch die den Parteien eingeräumten Verfahrensrechte reichen nicht weiter als die ihnen eingeräumten materiellen subjektiven Rechte (vgl. den hg. Beschluß vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0199 und das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0115).

Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, die belangte Behörde habe bei der Beantwortung der Frage, ob das zu bebauende Grundstück rutschungssicher sei, Verfahrensfehler begangen, vertreten sie damit den Standpunkt, § 1 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 betreffend die Lage und Beschaffenheit von Bauplätzen räume dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht darauf ein, daß nur Grundflächen, die nicht die Gefahr von Rutschungen in sich bergen, als Bauplatz gewidmet werden dürfen.

Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß dem Nachbarn aus § 1 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 keinerlei subjektiv-öffentliche Rechte erwachsen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1978, Zlen. 241/78 und 1080/78). Auf die Einhaltung des § 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 steht dem Nachbarn demnach kein Rechtsanspruch zu. Einwendungen der Nachbarn betreffend Rutschungsgefahr und geologische Verhältnisse auf zu widmenden Gründen sind daher zurückzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1984, Zl. 81/06/0186, vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0108 sowie vom 22. Februar 1996, 93/06/0024). Daher können die Beschwerdeführer durch allfällige Verfahrensmängel bei der Feststellung des Sachverhaltes hinsichtlich dieser Fragen nicht in einem Recht verletzt sein.

Das zur Unterstützung ihrer gegenteiligen Ansicht herangezogene hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0022, bezog sich, wie die Beschwerdeführer zutreffend erkannt haben, auf die Tiroler Bauordnung. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann aus diesem Erkenntnis aber kein Argument für das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechtes in bezug auf die Rutschgefahr nach der Steiermärkischen Bauordnung abgeleitet werden, da § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn taxativ aufzählt, was im § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung nicht der Fall ist, weil die dortige Aufzählung subjektiv-öffentlicher Rechte eine beispielhafte ist, wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt.

Wenn die Beschwerdeführer vermeinen, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte in bezug auf die Rutschgefahr ergäben sich unmittelbar aus § 61 Abs. 2 lit. h Stmk. BO, so verkennen sie damit, daß sich diese Bestimmung lediglich auf eine Brandgefahr, sonstige Gefährdungen oder unzumutbare Belästigungen im Zusammenhang mit dem § 39 Abs. 1 leg. cit. bezieht und § 39 aber Immissionen, die von Rauchfängen (Abgasfängen) ausgehen können, regelt.

Da der Beschwerdefall keine Veranlassung bietet, von der hinsichtlich der Rutschgefahr im Zusammenhang mit der Steiermärkischen Bauordnung gängigen Rechtsprechung abzugehen, und es dem Landesgesetzgeber insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes freisteht, subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn zu normieren (vgl. die im Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1997, B 118/97-13, zitierte Judikatur), ist auch keine Veranlassung gegeben, in einem verstärkten Senat von der bisherigen Judikaturlinie abzugehen.

Es steht den Beschwerdeführern jedoch frei, hinsichtlich allfälliger Schäden, die durch die Bauführung verursacht werden, Schadenersatzforderungen auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Zu der geltend gemachten Befangenheit des Bürgermeisters, der den Bescheid erster Instanz erlassen hat, hat die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, daß ein allfälliger Befangenheitsgrund der Behörde erster Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 101 zu Pkt. 10 zitierte hg. Judikatur). Die Beschwerdeführer vermeinen, ihr Fall sei anders zu beurteilen, weil ihnen insoweit ein nach dem Gesetz zuständiges Organ, nämlich das nach der Steiermärkischen Gemeindeordnung im Falle der Befangenheit des Bürgermeisters vorgesehene Ersatzorgan, entzogen wurde. Dazu ist ihnen zu entgegnen, daß die Befangenheit eines Organwalters das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht zu berühren vermag (vgl. die bei Hauer/Leukauf, a.a.O., Seite 103, zu Pkt. 25 zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in seinem Erkenntnis vom 8. Mai 1979, Zl. 1079/76, ausgesprochen, daß die im § 7 AVG verankerte Regelung über die Befangenheit von Verwaltungsorganen die Frage der Behördenzuständigkeit unberührt läßt. Die Befangenheit greift daher nicht in die Frage der Zuständigkeit ein, vielmehr stellt die Amtshandlung durch ein befangenes Verwaltungsorgan einen Verfahrensmangel dar, der, wie bereits ausgeführt, durch die Berufungsbehörde saniert werden kann. Daß der Gemeinderat unrichtig zusammengesetzt gewesen wäre oder im Gemeinderat ein befangenes Mitglied an der Abstimmung teilgenommen hätte, haben auch die Beschwerdeführer nicht behauptet.

In der Beschwerde wird weiters geltend gemacht, die Baubehörde hätte ihr Planungsermessen unrichtig ausgeübt. Worin die unrichtige Ermessensausübung gelegen sein sollte, wird in der Beschwerde nicht näher ausgeführt. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, warum, ausgehend von dem Umstand, daß der Hang eine starke Neigung aufweist, was die Beschwerdeführer nicht in Zweifel ziehen, die Festsetzung der talseitigen Gebäudehöhe mit 5,50 m eine unzulässige Ausübung des Planungsermessens darstellen sollte, hat doch der Ortsbildgutachter in seiner Stellungnahme vom 1. April 1996 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß seinerzeit die Hanglage nicht berücksichtigt worden sei und infolge Anhebung der talseitigen Gebäudehöhe auf 5,5 m das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werde.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abgesehen werden, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Beschwerdeführer überdies nur Rechtsfragen aufgeworfen haben, die in der Vorjudikatur bereits behandelt wurden, und die Beschwerdeführer die Möglichkeit haben, den Schaden, der ihnen aus einer Bauführung entsteht, bei einem ordentlichen Gericht geltend zu machen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte