VwGH 97/12/0301

VwGH97/12/030115.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der T in G, vertreten durch Dr. Bernhard Grillitsch, Rechtsanwalt in Graz, Schiffgasse 6/1, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 3. Juli 1997, Zl. Präs. K-111/1996-4, betreffend Übergenuss, zu Recht erkannt:

Normen

DGO Graz 1957 §77a Abs1 idF 1968/126;
GehG 1956 §13a Abs1 impl;
VwRallg;
DGO Graz 1957 §77a Abs1 idF 1968/126;
GehG 1956 §13a Abs1 impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht seit 1988 als Beamtin, und zwar als Pflegehelferin, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Graz und wird im Geriatrischen Krankenhaus der Stadt Graz (nach ihren Angaben seit Mai 1996 wieder ausschließlich im Pflegedienst) eingesetzt.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens teilte die do. Direktorin mit Schreiben vom 1. April 1996 mit, dass die als Pflegehelferin im Geriatrischen Krankenhaus "besoldete" Beschwerdeführerin "seit geraumer Zeit als Schreibkraft in der Pflegedienstleitung" verwendet werde und ersuchte um Einstellung der Zulage für Pflegehelfer.

Nach einer in Kopie bei den Verwaltungsakten befindlichen Niederschrift mit der Beschwerdeführerin vom 9. Mai 1996 räumte diese ein, dass sie seit 27. Dezember 1993 - trotz anderweitiger Verwendung - Nebengebühren sowie eine Dienstzulage als Pflegehelferin weiterbezogen habe und daraus ein Übergenuss entstanden sei. Auf diesem mit Schreibmaschine erstellten Schriftstück ist der ursprünglich angegebene Betrag des angeblichen Übergenusses handschriftlich abgeändert worden. Weiters findet sich eine handschriftliche Ergänzung, nach der sich die Beschwerdeführerin mit einer Ratenzahlung von S 2.500,-- monatlich einverstanden erklärt habe. Mangels eines diesbezüglichen Korrektur- oder Ergänzungsvermerkes mit Handzeichen und Datum bleibt unklar, wann und von wem diese handschriftlichen Abänderungen vorgenommen wurden. Dass dies seitens der Beschwerdeführerin erfolgt wäre, ist auf Grund des Schriftbildes auszuschließen.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 13. Juni 1996 wurde wie folgt entschieden:

"Gemäß § 77 a Abs. 1 bis 3 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der geltenden Fassung, wird festgestellt, dass die ...

Beschwerdeführerin ..., Pflegehelferin, Mag.Abt. 5

- Sozialamt-Pensionistenheime, Krankenhaus und Seniorenzentrum der Stadt Graz, Pers.Nr. 10858, verpflichtet ist, der Stadt Graz die für den Zeitraum 27.12.1993 bis einschließlich 30.4.1996 zu Unrecht empfangene Dienstzulage und Nebengebühren für Pflegehelferinnen im Gesamtausmaß von S 149.704,07 zu ersetzen."

Zur Begründung wurde im Wesentlichen nach Bezug auf § 9 der Nebengebührenordnung 1991 und § 74 Abs. 2 der Dienst- und Gehaltsordnung ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit 27. Dezember 1993 nicht mehr als Pflegehelferin, sondern als Schreibkraft in der Pflegedienstleitung verwendet worden sei. Somit sei "im Zeitraum 27.12.1993 bis 30.4.1996 ein Übergenuss im Ausmaß von S 149.704,07 erwachsen". Nach Bezugnahme auf § 77 a der Dienst- und Gehaltsordnung und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltlich entsprechenden § 13 a GG schließt der erstinstanzliche Bescheid - ohne Angabe einer Grundlage dafür - mit der Aussage, die Beschwerdeführerin habe weder die mangelnde Gutgläubigkeit noch die ziffernmäßige Richtigkeit des im Spruch angeführten Betrages in Abrede gestellt.

In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen umfangreichen Berufung bekämpft sie den erstinstanzlichen Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtigen bzw. unzureichenden Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (wird näher ausgeführt).

Auf Grund dieser Berufung wurden die Vorgesetzten der Beschwerdeführerin und diese selbst niederschriftlich einvernommen. Nach Einräumung des Parteiengehörs erging der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch:

"Der Berufung ... der Beschwerdeführerin ... gegen den Bescheid des Stadtsenates vom 13.6.1996, GZ A 1-P10858/1996-15, mit dem festgestellt wurde, dass die Genannte der Stadt Graz für den Zeitraum vom 27.12.1993 bis einschließlich 30.4.1996 die zu Unrecht empfangenen Dienstzulagen und Nebengebühren für Pflegehelferinnen im Gesamtausmaß von S 149.704,07 gemäß § 77a Abs. 1 bis 3 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, idF LGBl. Nr. 46/1996 (DO), zu ersetzen habe, wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 1 DVG 1984 teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der zu ersetzende Betrag S 127.160,07 beträgt."

Zur Begründung führt die belangte Behörde nach Darstellung des erstinstanzlichen Bescheides im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Berufung geltend gemacht, es sei im erstinstanzlichen Bescheid in keiner Weise auf den tatsächlichen Sachverhalt eingegangen worden. Insbesondere sei verabsäumt worden festzustellen, dass die Beschwerdeführerin auch nach dem 27. Dezember 1993 noch aushilfsweise als Pflegehelferin eingesetzt worden sei. Weiters sei ihr zugesichert worden, dass sie lediglich vorübergehend und aushilfsweise als Schreibkraft in der Pflegedienstleitung eingesetzt werden solle. Es habe diesbezüglich auch ein Gespräch zwischen der Direktorin, dem ärztlichen Leiter sowie der Pflegedienstleiterin gegeben; die Beteiligten dieses Gespräches seien dahingehend übereingekommen, dass die Beschwerdeführerin in Hinkunft in der Pflegedienstleitung aushilfsweise eingesetzt werden solle. Als die Beschwerdeführerin von der Pflegedienstleiterin dahingehend informiert worden sei, habe diese gegenüber der Beschwerdeführerin nochmals ausdrücklich bekundet, dass die Tätigkeit in der Pflegedienstleitung nur vorübergehend und aushilfsweise auszuüben sein werde, sich im Übrigen aber hinsichtlich ihres Dienstverhältnisses nichts ändern, sondern "alles beim Alten" bleiben werde. Da gemäß § 77 a Abs. 1 DO zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse) nur dann zu ersetzen seien, wenn diese nicht in gutem Glauben empfangen worden seien, würde eine Pflicht zum Ersatz des geforderten Betrages nicht bestehen. Dies deshalb, weil die konkreten Umstände, unter denen die Beschwerdeführerin die ausbezahlten Zulagen und Nebengebühren tatsächlich empfangen habe, bei ihr keinerlei Zweifel hervorrufen hätten müssen, dass die ihr ausbezahlten Beträge nicht zu Recht gebührten; schließlich sei ihr mehrfach versichert worden, dass sich auf Grund ihrer Zuteilung bei der Pflegedienstleitung hinsichtlich ihres Dienstverhältnisses keine Veränderungen ergeben würden.

Im zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahren hätten die einvernommenen Zeugen, nämlich die Direktorin und die Pflegedienstleiterin, im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass die Beschwerdeführerin in der Pflegedienstleitung eingesetzt worden sei und nur phasenweise im Pflegedienst tätig gewesen wäre; der ärztliche Leiter habe über Details keine Auskunft geben können.

Nach Wiedergabe des § 77 a Abs. 1 DO und einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "guten Glauben" führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, es stelle sich hiemit die Frage, ob die Beschwerdeführerin objektiv in der Lage gewesen wäre, "die - möglicherweise - irrtümliche Auszahlung der Dienstzulage und Nebengebühren für Pflegehelferinnen im Gesamtausmaß von S 149.704,07 zu erkennen".

Die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, dass ihr zugesichert worden sei, dass sie die Tätigkeit als Schreibkraft nur vorübergehend auszuüben habe und nach Beendigung dieser Tätigkeit wieder in den Pflegedienst überstellt werde. Berücksichtige man diese Umstände, so müsse von einem Bediensteten erwartet werden, an der Rechtmäßigkeit der Auszahlung der bereits mehrfach zitierten Zulagen und Nebengebühren zu zweifeln. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführerin habe bewusst sein müssen, dass die an sie ausbezahlten Zulagen im Pflegedienst ausschließlich für entsprechende Dienstleistungen in diesem Bereich gebührten. Daran könne auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin öfters im Pflegedienst "ausgeholfen" habe, nichts ändern. Letztendlich sei sie im fraglichen Zeitraum mit ihrem Einverständnis überwiegend als Bürokraft und nicht im Pflegedienst verwendet worden. Es wäre daher für die Beschwerdeführerin objektiv erkennbar gewesen, dass die "berufungsgegenständlichen Zulagen der entsprechenden Grundlagen entbehren" und demnach unrichtig an sie ausbezahlt worden seien. Aus all diesen Gründen sei ersichtlich, dass die von der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 27. Dezember 1993 bis einschließlich 30. April 1996 empfangenen "Dienstzulagen und Nebengebühren" für Pflegehelferinnen im Gesamtausmaß von S 149.704,04 nicht in gutem Glauben empfangen worden seien, sodass die Bestimmung des § 77 a Abs. 1 DO anzuwenden sei.

Die Beschwerdeführerin habe aber für ihre Tätigkeit als Pflegehelferin mehrere Zulagen bzw. Nebengebühren erhalten:

"1. Die Dienstzulage für Pflegehelferinnen gem. § 11 Abs. 1 lit. a der Dienstzulagenverordnung.

2. Die Pauschalvergütung für verlängerte Wochenarbeitszeit gem. § 31b DO iVm. der Verordnung des Stadtsenates vom 7. Feber 1992 betreffend die Nebengebühren der Beamten der Landeshaupstadt Graz (Nebengebührenordnung).

3. Eine Gefahrenzulage gem. § 31i DO iVm. der Nebengebührenordnung."

Da die Dienstzulage für Pflegehelferinnen nur Bediensteten zustehe, die tatsächlich (zumindest überwiegend) im Pflegedienst stünden, und die Beschwerdeführerin nach übereinstimmenden Aussagen überwiegend in der Pflegeleitung beschäftigt gewesen sei, handle es sich dabei um einen zu Unrecht empfangenen Übergenuss. Eine verlängerte Wochenarbeitszeit falle nur dann an, wenn ein Bediensteter zur Gänze im Pflegedienst tätig sei, weshalb es sich bei der Pauschalvergütung für verlängerte Wochenarbeitszeit ebenfalls um einen zu Unrecht empfangenen Übergenuss handle.

Nach übereinstimmenden Aussagen habe die Beschwerdeführerin jedoch regelmäßig auch im Pflegedienst ausgeholfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof u. a. in seinem Erkenntnis vom 23. Juni 1986, Zl. 85/12/0183, festgestellt habe, sei Voraussetzung für die Zuerkennung einer Gefahrenzulage nicht, dass besondere Gefahren mit dem überwiegenden Teil der gesamten Tätigkeit des Beamten verbunden sein müssten; sie dürften aber andererseits nicht nur mit einem nur als geringfügig zu bezeichnenden Teil der gesamten Tätigkeit verbunden sein. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 90/12/0265, zum Ausdruck gebracht, dass, wenn die besondere Gefahr während jeder Amtswoche durchschnittlich lediglich an ein oder zwei Tagen, nicht aber öfter eingetreten sei, bereits die in einem solchen Fall beachtliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten sei. Da die Beschwerdeführerin regelmäßig im Pflegedienst ausgeholfen habe, sei davon auszugehen, dass sie damit die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe, weshalb sie die Gefahrenzulage zu Recht bezogen habe. Aus diesen Gründen sei auch festzustellen, dass der Übergenuss nur S 127.160,07 betrage.

Da die Beschwerdeführerin nicht überwiegend im Pflegedienst tätig gewesen sei, habe sie zwangsläufig überwiegend als Schreibkraft tätig sein müssen, weshalb ihr dafür eine Schreibzulage in der Gesamthöhe von S 16.449,51 zustehen würde. Der Betrag, der daher tatsächlich von der Beschwerdeführerin zurückgezahlt werden müsste, verringere sich somit auf S 110.710,56.

Aus den angeführten Gründen sei daher, wie im Spruch ersichtlich, der Berufung teilweise stattzugeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verlangt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem nach den einschlägigen Bestimmungen der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 30/1957, in der geltenden Fassung, gewährten subjektiven Recht, allenfalls zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse) nicht ersetzen zu müssen, wenn sie in gutem Glauben empfangen wurden, verletzt.

In Ausführung des Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen sie die Dienstzulagen und Nebengebühren seit 27. Dezember 1993 empfangen habe. Erst nach Klärung dieser Frage hätte beurteilt werden können, ob allenfalls zu Unrecht empfangene Leistungen von ihr gutgläubig empfangen worden seien oder nicht. Der Hinweis auf die ihr gegebene Zusicherung, nur vorübergehend im Schreibdienst verwendet zu werden, reiche zur Begründung der mangelnden Gutgläubigkeit nicht zuletzt deshalb nicht aus, weil die Beschwerdeführerin auch regelmäßig im Pflegedienst ausgeholfen habe. Die Beschwerdeführerin verweist weiters auf die ihr von ihren Vorgesetzten vor ihrer vorübergehenden Verwendungsänderung angeblich erteilten Zusagen (wird näher ausgeführt) und ihren regelmäßigen Einsatz als Aushilfskraft im Pflegedienst. Davon ausgehend habe sie zu Recht vertrauen können, dass ihr die strittigen Zulagen und Nebengebühren zustünden. Erst nach entsprechenden Erhebungen und Feststellungen hätte die belangte Behörde überhaupt beurteilen können, ob der Übergenuss für die Beschwerdeführerin objektiv erkennbar gewesen wäre.

Diesem Vorbringen kann die Berechtigung nicht von vornherein abgesprochen werden.

Der Beschwerdeführerin ist zwar vorerst entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 25. März 1998, Zl. 96/12/0352, u. v. a.) die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen - sofern nicht Gestaltungsrechte gesetzlich ausdrücklich eingeräumt sind - weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar sind, sondern für einen Anspruch ausschließlich die im Gesetz enthaltenen Tatbestandserfordernisse maßgebend sind. Den der Beschwerdeführerin von ihrem Vorgesetzten angeblich gegebenen Zusagen kann daher entgegen den materiell-rechtlichen Voraussetzungen keine anspruchsbegründende Bedeutung hinsichtlich der an die Beschwerdeführerin weiterbezahlten Nebengebühren und Zulagen zukommen.

Nach § 77 a Abs. 1 DO Graz in der Fassung LGBl. Nr. 126/1968 sind zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse), soweit sie nicht in gutem Glauben empfangen worden sind, zu ersetzen. Diese Regelung entspricht inhaltlich dem § 13 a Abs. 1 GG, sodass die zu dieser Bestimmung ergangene Judikatur heranziehbar ist.

Zur Frage der Gutgläubigkeit ist im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Theorie der objektiven Erkennbarkeit (beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Juni 1965, Slg. N. F. Nr. 6736/A, vgl. weiters insbesondere Erkenntnis vom 20. April 1989, Slg. N. F. Nr. 12.904/A, mit Rechtsprechung und Literaturhinweisen) nicht entscheidend, ob die Beschwerdeführerin in Besoldungsfragen gebildet ist oder nicht, sondern ob auf Grund der gegebenen Rechtslage in Verbindung mit dem gegebenen Sachverhalt es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre, den Umstand des Vorliegens eines Übergenusses zu erkennen (vgl. beispielsweise auch das Erkenntnis vom 21. Oktober 1991, Zl. 90/12/0324, u. v. a.).

Demnach ist Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen schon dann nicht anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Leistungen auch nur Zweifel hätte haben müssen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1995, Zl. 94/12/0220, mit weiterer Rechtsprechung).

Die objektive Erkennbarkeit setzt die offensichtlich falsche Anwendung einer klaren, einer besonderen einen erheblichen Aufwand erfordernden Auslegung nicht bedürfenden Norm voraus. Andernfalls, also bei einer unrichtigen, aber nicht offensichtlich falschen Auslegung der Norm, ist die objektive Erkennbarkeit, sofern diese nicht durch andere Umstände indiziert wird, zu verneinen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1998, Zlen. 93/12/0295, 95/12/0339). Die Frage des "guten Glaubens" ist an Hand der in Frage kommenden Rechtsgrundlage(n) für die angeblich zu Unrecht erbrachten Leistungen zu prüfen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1998, Zl. 95/12/0339).

Im Dienstrechtsverfahren hat die Behörde gemäß § 8 DVG die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde verpflichtet, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im Einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht, sondern hindern im Falle seiner Anrufung auch den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der bel Beh angenommenen Sachverhaltes" zulassen (Verwaltungsgerichtshof vom 28. Jänner 1987, Zl. 86/01/0125, und die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, S. 467, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 60 AVG).

In den Akten des Verwaltungsverfahrens findet sich hinsichtlich des "Gesamtbruttobezuges: S 149.704,07" ein Berechnungsblatt, in dem der Bruttoüberbezug der Beschwerdeführerin z. B. für 1994 wie folgt ausgewiesen wird:

"1.1.1994 - 31.12.1994

Dienstzulage für Bed. d. Sanitätshilfsdienste

(Pflegehelferin) S 2.862,-- mtl. S 36.797,16

S 6.132,86 Sonderzlg.

S 28,80 Weihnachtsg.

S 42.958,82

Gefahrenzulage S 792,-- x 12 = S 9.504,--

Pauschalvergütung f.

verl. Wochenarbeitszeit S 905,-- x 12 = S 10.860,--

Bruttoüberbezug: S 63.322,82"

Davon ausgehend ist die Berechnung hinsichtlich der Dienstzulage, was die Höhe der angegebenen Jahressumme und der "Sonderzlg.", aber auch des "Weihnachtsg." betrifft, nicht nachvollziehbar.

Im Beschwerdefall stellt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst fest, dass es der Beschwerdeführerin objektiv hätte erkennbar sein müssen, dass die von ihr im Zeitraum vom 27. Dezember 1993 bis einschließlich 30. April 1996 bezogenen Dienstzulagen und Nebengebühren im Gesamtausmaß von "S 149.704,04 nicht in gutem Glauben empfangen worden sind". Dem entgegen gelangt sie aber in weiterer Folge bei Prüfung der Tatbestandserfordernisse für den Anspruch auf Gefahrenzulage im Hinblick auf die unbestrittene regelmäßige Aushilfe der Beschwerdeführerin im Pflegedienst zur Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die Gefahrenzulage doch zu Recht bezogen habe, wodurch der Übergenuss nur mehr S 127.160,07 betrage. Weiters stünde der Beschwerdeführerin eine Schreibzulage in der Gesamthöhe von S 16.449,51 zu, sodass sich der Rückzahlungsbetrag auf S 110.710,56 verringere.

Gegen die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angedeutete Kompensation, von der aber im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht Gebrauch gemacht worden ist, was allerdings mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Regelung auch nicht zwingend geboten ist, bestünden seitens des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls dann keine Bedenken, wenn die Höhe des Anspruches im Verfahren unbestritten geblieben ist.

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu beheben:

Die Frage der objektiven Erkennbarkeit des Übergenusses hätte gerade bei der Sachlage im Beschwerdefall eine Auseinandersetzung mit den Tatbestandserfordernissen der einzelnen Zulagen und Nebengebühren und weiters eine nachvollziehbare Aufschlüsselung des Gesamtbetrages nach diesen Kriterien vorausgesetzt.

Im Beschwerdefall geht die belangte Behörde aber von der objektiven Erkennbarkeit des Übergenusses von S 127.160,07 in Bezug auf § 77 a DO aus, ohne diesen Betrag unter entsprechender Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rechtsgrundlagen für diese Zahlungen und auch der Höhe nach hinreichend aufzuschlüsseln und sich mit den Anspruchsvoraussetzungen für die verschiedenen rückgeforderten Leistungen - so wie es bei der Gefahrenzulage erfolgt ist - im Einzelnen auseinander zu setzen. Auch die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des festgestellten Übergenusses durch den Verwaltungsgerichtshof hätte dies vorausgesetzt. Erst dann kann beurteilt werden, ob die Beschwerdeführerin bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der an sie ausbezahlten Beträge hätte haben müssen. Diese Voraussetzungen können im vorliegenden Beschwerdefall mangels entsprechender Feststellungen und Begründung des angefochtenen Bescheides noch nicht abschließend beurteilt werden.

Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass die Umstände der Verwendungsänderung und die der Beschwerdeführerin dabei angeblich gegebenen Zusagen hätten festgestellt werden müssen, weil in Verbindung mit dem unbestritten erfolgten aushilfsweisen Einsatz der Beschwerdeführerin im Pflegedienst diesen Umständen auch bei der Beurteilung der objektiven Erkennbarkeit des Übergenusses, aber auch hinsichtlich der Höhe des Übergenusses im Hinblick auf einen allfälligen Anspruch für Vertretungstätigkeiten (vgl. § 9 Abs. 3 NGO 1991) hätte Bedeutung zukommen können.

Mangels Aufschlüsselung der einzelnen Bemessungskomponenten und entsprechender Feststellung des im Sinne der obigen Ausführungen maßgebenden Sachverhaltes (der im erstinstanzlichen Verfahren mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift vom 9. Mai 1996 - auf die sich die Behörde auch gar nicht berufen hat - kann schon im Hinblick auf die nicht der Rechtsform entsprechend vorgenommenen Abänderungen keine entscheidende Bedeutung zukommen) war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Dezember 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte