Normen
61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB;
61997CJ0001 Birden VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
EURallg;
61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB;
61997CJ0001 Birden VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
EURallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer (ein türkischer Staatsangehöriger) stellte beim Arbeitsmarktservice Linz am 2. Oktober 1996 einen Antrag auf "Feststellung, daß ich das Recht habe, mich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber meiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben". Diesen Antrag begründete er damit, er halte sich seit 1990 legal in Österreich auf; derzeit befinde sich sein Aufenthaltsbewilligungsverfahren im Stadium der Verlängerung. Seit 1990 arbeite er, "von Unterbrechungen abgesehen, die auf die Winterstehzeit zurückzuführen sind, ununterbrochen". Sohin seien die Voraussetzungen des "Art 6 Z 1 Abs 3" des Assoziationsbeschlusses 1/80 erfüllt. Alle Beschäftigungszeiten zusammengerechnet würden eine "fortwährende Beschäftigung im Ausmaß von über drei Jahren" ergeben.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 stellte das Arbeitsmarktservice Linz auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 2. Oktober 1996 fest, daß "bei Ihnen die Voraussetzungen des Artikel 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. 9. 1980 nicht gegeben sind".
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin im wesentlichen vor, die Behörde habe nicht antragsgemäß entschieden. Er habe nämlich die Feststellung begehrt, daß er das Recht habe, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber zu bewerben. Dafür genüge ein Beschäftigungsverhältnis in der Dauer von drei Jahren. Hingegen habe die Erstbehörde auf eine Beschäftigung in der Dauer von vier Jahren abgestellt. Er erfülle - wie der beiliegenden Versicherungsbestätigung zu entnehmen sei - die Voraussetzungen einer dreijährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung. Damit seien die Voraussetzungen des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 erfüllt, daß er sich in derselben Branche bei einem Arbeitgeber bewerbe.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1996 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom 25. Oktober 1996 bestätigt.
Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer gehe derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach, die nach dem AuslBG bewilligt wurde, und er verfüge auch nicht über einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Der Beschwerdeführer gehöre demnach nicht dem regulären Arbeitsmarkt an. Somit sei bereits eine wesentliche Voraussetzung des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nicht erfüllt. Aus Art. 6 Abs. 2 des genannten Beschlusses ergebe sich, daß grundsätzlich eine ununterbrochene ordnungsgemäße Beschäftigung erforderlich sei. Alle anderen als die in Art. 6 Abs. 2 dieses Beschlusses genannten Unterbrechungen der Beschäftigungszeiten würden dazu führen, daß sämtliche vorher zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht mehr herangezogen werden könnten. Für die Zeit von 20. Mai 1996 bis dato liege weder eine von der zuständigen Behörde festgestellte Arbeitslosigkeit noch eine Abwesenheit wegen langer Krankheit vor. Bereits durch diese Unterbrechung werde bewirkt, daß alle davor zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht mehr zur Erfüllung des Art. 6 Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich herangezogen werden könnten. Dies habe auch für die weiteren im angefochtenen Bescheid näher dargelegten Zeiträume zu gelten. Der Beschwerdeführer erfülle somit nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich des "Assoziationsbeschlusses Nr. 1/80".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Feststellung, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben", verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 6 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung
- vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."
Der Beschwerdeführer legt in der Beschwerde - gleichlautend wie im Verwaltungsverfahren - dar, er halte sich seit 1990 in Österreich legal auf. Von "Unterbrechungen abgesehen, die auf die Winterstehzeit zurückzuführen sind", habe er von 1990 bis 25. Oktober 1995 "ununterbrochen" gearbeitet. Die Annahme der belangten Behörde, daß er nicht dem regulären Arbeitsmarkt angehöre, sei unzutreffend. Aus Art. 6 gehe nicht hervor, daß es "auf etwaige Arbeitslosenansprüche ankäme". Ebenso ergebe sich in keiner Weise aus dem Wortlaut des Art. 6, daß eine durchgehende Beschäftigung erforderlich sei.
Nach der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse über seine Sozialversicherungszeiten war der Beschwerdeführer beginnend ab 4. Oktober 1990 mit aus dieser Bestätigung sich ergebenden Unterbrechungen bis 25. Oktober 1995 beschäftigt. Im Jahr 1994 war der Beschwerdeführer von 28. März 1994 bis 30. November 1994 beschäftigt. Danach fehlen Versicherungszeiten (ab 1. Dezember 1994) bis 15. Mai 1995. Im Jahr 1995 war der Beschwerdeführer von 16. Mai 1995 bis 17. August 1995 und von 11. September 1995 bis 25. Oktober 1995 beschäftigt. Daß er nach dem 25. Oktober 1995 (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides am 23. Dezember 1996) nicht beschäftigt gewesen ist, hat der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung seiner Versicherungszeiten in der Beschwerde vorgebracht.
Davon ausgehend zeigt der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner bis 25. Oktober 1995 zurückgelegten Beschäftigungszeiten schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die mit Art. 6 des Beschlusses des Assoziationsrates (ARB) Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition türkischen Arbeitnehmern eingeräumt ist, die erwerbstätig oder vorübergehend arbeitsunfähig sind. Hingegen bezieht sich Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 nicht auf die Lage eines türkischen Staatsangehörigen der den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates endgültig verlassen hat. Die Bestimmung des Artikel 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80 dient nämlich nur dazu, die Konsequenzen bestimmter (darin näher bezeichneter) Arbeitsunterbrechungen für die Anwendung von Artikel 6 Abs. 1 zu regeln. Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Abwesenheit wegen langer Krankheit, die den Beschäftigungszeiten nicht gleichgestellt sind, werden nur berücksichtigt, um die Aufrechterhaltung von Ansprüchen zu gewährleisten, die der Arbeitnehmer aufgrund vorheriger Beschäftigungszeiten erworben hat. Diese Bestimmungen garantieren somit nur den Fortbestand des Anspruchs auf Beschäftigung und setzen zwangsläufig die Fähigkeit zu einem solchen Fortbestand, wenn auch nach einer zeitweiligen Unterbrechung, voraus (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 6. Juni 1995 in der Rechtssache C-434/93 , Ahmet Bozkurt gegen Staatssecretaris van Justitie, Randnr. 38 und 39).
Nach der Beendigung seiner Beschäftigung im Jahre 1994 (mit 30. November dieses Jahres) konnte sich der Beschwerdeführer noch nicht auf einen allenfalls durch die Zurücklegung in Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 umschriebener Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung erworbenen Anspruch auf Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach den - erst mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wirksamen - Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - etwa im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997, in der Rechtssache C-171/95 (Recep Tetik gegen Land Berlin) - berufen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0100, vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/09/0152, und vom 15. April 1998, Zl. 98/09/0044). Daher hat die nach seinen durch den Auszug der Versicherungszeiten belegten Behauptungen im Berufungsverfahren am 30. November 1994 erfolgte Beendigung der Beschäftigung des Beschwerdeführers zum Untergang der davor erworbenen Anwartschaft auf eine mit dem ersten bis dritten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition geführt.
Im Beschwerdefall kann ausgehend von dem vom Beschwerdeführer zu seinen Beschäftigungszeiten seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erstatteten Vorbringen nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates angehört, vermag er doch mit keinem Wort einen Sachverhalt darzutun, der die Beurteilung der belangten Behörde widerlegen könnte, er habe seit 25. Oktober 1995 den Arbeitsmarkt endgültig und nicht bloß vorübergehend verlassen. Die in diesem Zusammenhang dargelegte Rechtsansicht, daß es für die Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt nicht auf "etwaige Arbeitslosenansprüche" ankäme, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Vielmehr sind nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates unter anderem auch die nationalen Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen (vgl. das Urteil des EuGH vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-1/97 , Mehmet Birden gegen Stadtgemeinde Bremen, Randnr. 33). Demnach ist aber - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - in diesem Zusammenhang sehr wohl zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hat. Andere Umstände, aus denen sich eine Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt ergeben könnte, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall die Feststellung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 wegen der fehlenden Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates Österreich als nicht erfüllt angesehen hat. Die im Jahr 1995 vom Beschwerdeführer zurückgelegten Beschäftigungszeiten erreichen nicht das Ausmaß eines Jahres, sodaß er auch in zeitlicher Hinsicht nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen nach dem ersten (und noch viel weniger nach dem zweiten) Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB im Zeitpunkt der Erfüllung des angefochtenen Bescheides zu erfüllen vermag.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. März 1999
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