Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §16 Abs2 litb;
StVO 1960 §2 Abs1 Z29;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §16 Abs2 litb;
StVO 1960 §2 Abs1 Z29;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
I. den Beschluß gefaßt:
Die Behandlung der Beschwerde wird hinsichtlich der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 StVO 1960 abgelehnt.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 16 Abs. 2 lit. b und § 16 Abs. 1 lit. c StVO 1960 einschließlich der darauf entfallenden Kostenaussprüche wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe 1. am 16. März 1995 um 11.30 Uhr auf der B 314 einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw in Fahrtrichtung Heiterwang gelenkt, wobei er bei km 48,17 trotz einer unübersichtlichen Straßenstelle zwei Pkw und einen Klein-Lkw, welcher mit ca. 70 km/h vor ihm gefahren sei, überholt habe; 2. habe er diesen Überholvorgang durchgeführt, ohne sich vor Beginn desselben davon überzeugt zu haben, daß er sich wieder in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, da er aufgrund auftretenden Gegenverkehrs derart stark nach rechts habe einlenken müssen, daß der Lenker des überholten Klein-Lkws sein Fahrzeug stark habe abbremsen müssen, 3. habe er es unterlassen, den bestehenden Überholvorgang nach § 11 Abs. 2 StVO 1960 anzuzeigen; 4. habe er am 16. März 1995 um 11.32 Uhr auf der
B 314 bei km 46,45 den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten, indem er hinter einem mit 60 km/h fahrenden Lkw mit einem Abstand von 10 Metern nachgefahren sei, obwohl er einen Abstand von 13,9 Meter hätte einhalten müssen. Dadurch habe er Verwaltungsübertretungen nach 1. § 16 Abs. 2 lit. b,
2. § 16 Abs. 1 lit. c, 3. § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 und 4. § 18 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Hiefür wurde er mit Geldstrafen von zu 1. und 2. je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen 48 Stunden), zu 3. S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) und zu 4. S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) bestraft.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zu I.: Hinsichtlich der Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 StVO 1960 sind die Voraussetzungen nach § 33a VwGG erfüllt. Die belangte Behörde ist in diesen Punkten insbesondere nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen (vgl. zur Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 StVO 1960 das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1996, Zl. 96/02/0224). Bezüglich des hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 StVO 1960 erhobenen Einwandes der Verfolgungsverjährung wird auf die als rechtzeitige Verfolgungshandlungen anzusehenden, alle wesentlichen Tatbestandselemente enthaltenden Zeugenaussagen der Meldungsleger vom 14. und 18. August 1995 hingewiesen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 925, angeführte hg. Judikatur).
Zu II.: Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsstrafverfahren unter anderem damit verantwortet, daß es sich beim inkriminierten Überholvorgang nicht um eine "einheitliche Tathandlung", sondern um drei "eigenständige Willensentschlüsse" hinsichtlich des Überholens jedes einzelnen Fahrzeuges gehandelt habe. Diesem Vorbringen unterstellte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides die "Strategie", vom Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes auszugehen. Ein solches komme jedoch nur im Bereich der "Vorsatzdelinquenz" in Betracht. Wörtlich heißt es sodann in der Begründung des angefochtenen Bescheides:
"Daher würde es ausscheiden, wenn man, so wie die belangte Behörde, von Fahrlässigkeit ausgeht. Dem hat auch der Berufungswerber nicht widersprochen. Im gegenständlichen Fall liegt eine einheitliche Tathandlung vor und nicht drei Einzeltaten. Die Teilung der Überholvorgänge im Gutachten in zwei Abschnitte hat lediglich rechentechnische Ursachen. Es ist damit aber nicht ausgedrückt worden, daß mehrere Delikte vorliegen. Dies ergibt sich auch schon daraus, daß sich die Überholsichtweiten überschneiden. Wie sich ja aus dem Gutachten ergibt, hat der Amtssachverständige einen Lokalaugenschein beim Tatort vorgenommen und ist von km 48 ausgegangen. Am Charakter einer unübersichtlichen Straßenstelle ändert sich auch dann nichts, wenn sich die Überholsichtweiten nach dem jeweiligen Punkt der Überholstrecke ändern. Aber selbst dann, wenn man der Überlegung des Berufungswerbers folgen würde und vom Vorliegen einzelner Tathandlungen ausgehen würde, so liegt zweifellos ein fortgesetztes Delikt vor. Aus dem gesamten Handlungsablauf ergibt sich, daß der Berufungswerber zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Bei bedingtem Vorsatz bezweckt der Täter den tatbildmäßigen Erfolg nicht, er sieht seinen Eintritt auch nicht als gewiß voraus, er hält ihn aber für möglich und findet sich mit ihm ab. Dies ergibt sich vor allem aus der Verantwortung des Berufungswerbers, wenn er ausführt, er habe ursprünglich beabsichtigt, nur das erste Auto zu überholen. Dann hätte er gewußt, daß sich die Sicht vergrößert. Daher habe er sich entschlossen, die anderen Autos zu überholen. Wenn er dann ausführt, daß er diesen Entschluß erst nach dem ersten Überholvorgang gefaßt habe, so gewinnt er damit nichts. Er hat in jedem Fall zumindestens bedingt vorsätzlich und nicht fahrlässig gehandelt. Daher kann den Ausführungen hinsichtlich dieses Spruchpunktes in der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses nicht gefolgt werden."
Diese Begründung ist nicht schlüssig und beruht auf einer Verkennung der Rechtslage.
Ein fortgesetztes Delikt liegt dann vor, wenn eine Reihe von gesetzwidrigen Handlungen zufolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes zu einer Einheit zusammentreten. Diese Betrachtungsweise stellt neben der Gleichartigkeit der äußeren Umstände vor allem auf das Merkmal des Vorliegens oder Fehlens eines einheitlichen Willensentschlusses ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1992, Slg. Nr. 13713/A).
Im Beschwerdefall könnte nach dem äußeren Handlungsablauf nicht ausgeschlossen werden, daß es sich beim Fahrmanöver des Beschwerdeführers nicht bloß um einen Überholvorgang, sondern um mehrere aufeinanderfolgende Überholvorgänge gehandelt hat. Als Überholen gilt nämlich gemäß § 2 Abs. 1 Z. 29 StVO das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug; ob ein Fahrstreifenwechsel vorgenommen wurde, ist für den Begriff des Überholens nicht wesentlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1987, Zl. 85/03/0042). Die Annahme mehrerer aufeinanderfolgender Überholvorgänge würde das Vorliegen mehrerer auf die betreffenden Überholvorgänge gerichteter Willensentscheidungen voraussetzen. Für die Zulässigkeit jeden Überholens im Lichte der §§ 16 Abs. 1 lit. c und 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960 wären die Verhältnisse am Beginn des jeweiligen Überholvorganges maßgebend (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 12. März 1986, Zl. 85/03/0152, und vom 3. Juli 1996, Zl. 95/03/0297). Sollte sich danach bei den aufeinanderfolgenden Überholmanövern Verstöße gegen die angeführten Bestimmungen ergeben, wären diese als gemäß § 22 Abs. 1 VStG gesondert zu ahndende Übertretungen zu behandeln. Die Annahme eines fortgesetzten Deliktes würde wegen des Fehlens eines einheitlichen Willensentschlusses nicht in Betracht kommen.
Auf dem Boden dieser Rechtslage hätte die belangte Behörde zur Erfüllung der aus § 60 AVG entspringenden Begründungspflicht für die Annahme des Vorliegens einer "einheitlichen Tathandlung" in nachvollziehbarer Weise dartun müssen, aus welchen Gründen davon auszugehen sei, daß dem Fahrmanöver des Beschwerdeführers der Willensentschluß zugrunde gelegen sei, die drei vor ihm fahrenden Fahrzeuge in einem Zug zu überholen, und warum der Verantwortung des Beschwerdeführers, es habe sich um drei zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefaßte, jeweils auf das Überholen eines Fahrzeuges bezogene Willensentscheidungen gehandelt, nicht gefolgt werden könne. Ferner hätte es der Feststellung der im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Überholens maßgeblichen Verhältnisse zu Beginn des Überholmanövers, insbesondere der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sichtweite und der Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke, bedurft. Diesen Erfordernissen wird die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht.
Da diese Mangelhaftigkeit auf einer Verkennung der Rechtslage beruht, war der angefochtene Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Stempelgebührenersatz war nur in dem zur Rechtsverfolgung notwendigen Ausmaß zuzusprechen.
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