Normen
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Juli 1995 gerichtet, mit welchem die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsbürgerin, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) ausgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa zwei-einhalbjährige Beschwerdeführerin in Österreich geboren sei und noch niemals über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Ein Aufenthaltsrecht lasse sich allenfalls nur von rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Eltern ableiten, darauf könne sich die Beschwerdeführerin jedoch nicht berufen, weil sich auch ihre Eltern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhielten. Die Duldung eines längeren rechtswidrigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet würde jene Bestimmungen, die zu einer effizienten Handhabung des Fremdenrechtes geschaffen worden seien, nicht nur in hohem Maße wirkungslos erscheinen lassen, sondern letztendlich auch den Regelungszweck von Normen insgesamt in Frage stellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluß vom 28. November 1995, B 3066/95-6, abgelehnte und mit weiterem Beschluß vom 30. Jänner 1996, B 3066/95-8, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin hält ihre Ausweisung aus denselben Gründen für rechtswidrig, aus welchen ihr Vater, ein seit dem Jahre 1985 in Österreich vorwiegend aufgrund von Vollstreckungsaufschüben gemäß § 6 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, während der letzten beiden Jahre jedoch rechtswidrig aufhältiger türkischer Staatsbürger, der in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis steht, und ihre Mutter, eine seit dem Jahre 1990 zunächst rechtmäßig, aber während der letzten beiden Jahre rechtswidrig in Österreich aufhältige türkische Staatsbürgerin, die gegen sie jeweils gerichteten Ausweisungen für rechtswidrig halten, insbesondere weil ihre Ausweisungen im Grunde des § 19 FrG nicht dringend geboten seien. Sie verweist darauf, daß sich ihre Eltern bemüht hätten, ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren und hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil dieser im Hinblick auf den Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 nicht zulässig sei.
Die Beschwerdeführerin bestreitet (mit Ausnahme ihrer Berufung auf Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80) nicht, daß sie sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, diesbezüglich hegt auch der Verwaltungsgerichtshof gegen den angefochtenen Bescheid keine Bedenken (daß sich die Beschwerdeführerin zu Unrecht auf Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 beruft, ergibt sich daraus, daß ihr Vater kein auf Art. 6 des genannten Beschlusses gestützes Recht besitzt, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 96/21/0140), der daher zu Recht auf § 17 Abs. 1 FrG gegründet werden konnte.
Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Juli 1995 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen; dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 96/21/0141, aufgehoben. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ein zwei-einhalbjähriges Kind, das sich seit seiner Geburt in Österreich aufhält und hier von seiner Mutter, gegen die eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht zulässig ist, betreut wird, widerspricht in der Regel § 19 FrG, weil dafür ein zwingendes soziales Bedürfnis im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK regelmäßig nicht gegeben ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1996, Zl. 96/21/0444). Daß diese Maßnahme zur Erreichung eines der in Art. 8 EMRK genannten Ziele aus besonderen Gründen aber dennoch dringend geboten wäre, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall in Verkennung der Rechtslage auch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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