Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §10 Abs3;
VwRallg;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §10 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte über einen Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 22. August 1994 bis 22. November 1994. Sie beantragte durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt am 23. November 1994 (Datum des Einlangens beim Landeshauptmann von Wien) die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als ihren derzeitigen Wohnsitz gab sie eine Adresse in der Türkei an. Unter der Rubrik "gesicherte Unterkunft in Österreich" wurde eine österreichische Adresse angegeben.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. März 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der gegenständliche Antrag sei durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin von Wien aus an den Landeshauptmann von Wien gesandt worden. Mit dieser Vorgangsweise sei das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die antragstellende Partei im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Die Antragstellung durch einen Vertreter, auch auf postalischem Wege, sei zulässig.
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1996 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, für ihre Entscheidung sei wesentlich, daß die Beschwerdeführerin nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden unbestrittenen Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk, gültig vom 22. August 1994 bis 22. November 1994, eingereist sei und ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung habe verlängern wollen. Fest stehe, daß sich die Beschwerdeführerin unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Sie sei seit 3. Oktober 1994 aufrecht polizeilich gemeldet.
Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei verwirklicht, weil der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen solle. Überdies zeige der nach Ablauf des Touristensichtvermerkes unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, daß sie nicht gewillt sei, die Vorschriften des österreichischen Fremdenrechtes einzuhalten und zu respektieren. Durch den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet, weil dieses Verhalten Beispielswirkung auf andere Fremde haben könnte. Aus diesem Grund liege auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor.
Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die durch die Anwesenheit ihrer Kinder im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen der Beschwerdeführerin in Österreich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (18. April 1996) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 5 Abs. 1 und § 6 AufG in dieser Fassung lauten auszugsweise:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AufG ist nicht zu entnehmen, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde. Das Vorliegen der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG ist daher gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie hier - nicht aufgrund ihrer Vermutung, die Regelung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht. Dabei trifft die Partei die Pflicht, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zlen. 96/19/0109, 0110). Doch hat auch in diesen Fällen die Behörde von Amts wegen zu bestimmen, welche Tatsachen zu beweisen sind und die Erbringung der Beweise anzuordnen (sofern der Beteiligte nicht von sich aus Beweisanträge stellt oder Beweise vorlegt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 321)).
Die in § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Fremden, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliege, reicht nicht soweit, auch das Nichtvorliegen der Sichtvermerksversagungsgründe nach § 10 Abs. 1 Z. 4 oder 6 FrG (zum letztgenannten Versagungsgrund vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1719) darzutun. Die Behörde durfte daher die von ihr herangezogenen Versagungsgründe nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen. Auch in einen solchen Ermittlungsverfahren trifft den Antragsteller eine Mitwirkungspflicht.
Dieser Mitwirkungspflicht kam die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall im Verwaltungsverfahren nach, weil sie die Antragsfrage nach ihrem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung mit der Angabe einer Adresse in der Türkei unter dieser Antragsrubrik beantwortete. Aus diesem Grund konnte sich die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch darauf beschränken, der von der erstinstanzlichen Behörde rechtsirrtümlich getroffenen Annahme, der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG sei schon deshalb nicht Genüge getan, weil der gegenständliche Antrag durch einen Vertreter vom Inland aus an den Landeshauptmann von Wien gesandt wurde und keine Anhaltspunkte für einen Auslandsaufenthalt der Beschwerdeführerin vorlägen, mit rechtlichen Argumenten entgegenzutreten. Auch die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin nicht aufgefordert, Nachweise über ihren Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung zu erbringen. Die im angefochtenen Bescheid erstmals getroffene Annahme, die Beschwerdeführerin sei an einer Adresse in Wien gemeldet und die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, sie hätte sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten, wurde ihr nicht vorgehalten.
Ebensowenig hielt die belangte Behörde ihre erstmals getroffene Annahme, die belangte Behörde habe sich nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auch in der Folge bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (unrechtmäßig) im Bundesgebiet aufgehalten, der Beschwerdeführerin vor, obwohl sie dazu auch deshalb verpflichtet gewesen wäre, weil sie gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund änderte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/1134).
Indem sie in ihrer Beschwerde ausführt, sie sei zwar am 3. Oktober 1994 aufgrund ihres Touristensichtvermerkes in Österreich (rechtmäßig) aufhältig gewesen, im übrigen jedoch auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwies, sie sei in ihrem Heimatland wohnhaft (vgl. Seite 3 der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde) und darüber hinaus behauptet, die Feststellung, sie halte sich (unerlaubt) im Bundesgebiet auf, beruhe "allein auf glatter Verkennung der Rechts- und Tatsachenlage", zeigt die Beschwerdeführerin die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in (noch) tauglicher Weise auf. Aus dem Kontext des wiedergegebenen Beschwerdevorbringens ist nämlich (gerade noch) die Behauptung zu entnehmen, die Beschwerdeführerin sei bis zum Ablauf ihres Touristensichtvermerkes wieder aus Österreich ausgereist und habe sich in der Folge nicht mehr im Bundesgebiet aufgehalten.
Bei Zutreffen dieses Vorbringens läge der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht vor, weil die Ausnützung eines Touristensichtvermerkes vor Antragstellung in Ermangelung einer weiteren Einreise nach derselben dem Fremden aus dem Gesichtspunkt des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht zu schaden vermag. Auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt wäre der Beschwerdeführerin diesfalls nicht vorwerfbar.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes bereits enthalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314). Im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gebührt dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. den hg. Beschluß vom 17. März 1986, Zl. 86/08/0002).
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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