VwGH 96/19/0552

VwGH96/19/055211.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1971 geborenen L M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. August 1995, Zl. 112.904/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein von der Beschwerdeführerin erstmals am 14. Juni 1993 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) gestellter Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wurde nach der Aktenlage zurückgezogen.

Am 26. November 1993 langte beim Landeshauptmann von Wien ein weiterer Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Dieser Antrag wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Juni 1994 gemäß § 4 Abs. 1 AufG abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellte am 5. Oktober 1994 (Einlangen beim Landeshauptmann von Wien) im Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg einen weiteren "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ein. Dieser Antrag trägt den offensichtlich amtlichen Vermerk "eingereicht durch Bekannten, hält sich in Jugoslawien auf". In diesem Antrag, in dem als Ort der Unterfertigung "Bratislava" aufscheint, gab die Beschwerdeführerin als "derzeitigen Wohnsitz" eine Anschrift in Jugoslawien an und nannte weiters eine gesicherte Unterkunft in 1140 Wien. Als Aufenthaltszweck wird Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit dem in Österreich lebenden jugoslawischen Ehegatten angegeben. Dem Antrag war eine Fotokopie der Heiratsurkunde beigelegt, derzufolge die Ehe am 8. Februar 1993 in Wien geschlossen worden war. Anlässlich einer Niederschrift vor der erstinstanzlichen Behörde am 7. November 1994 gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, dass sich diese "zur Zeit" in Jugoslawien aufhalte. Den Antrag für die Gattin habe der Cousin in Preßburg eingereicht. Die Beschwerdeführerin habe sich bis 1. Oktober in Österreich aufgehalten. Ihr Touristensichtvermerk habe vom 22. August 1994 bis 15. September 1994 gegolten.

Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. November 1994 gemäß § 6 Abs. 1 AufG ab und führte begründend aus, der Antrag sei nicht durch die Beschwerdeführerin persönlich, sondern durch deren Bekannten in der österreichischen Botschaft Preßburg eingereicht und von dieser weitergeleitet worden. Mit dieser Vorgangsweise sei das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt worden.

Die Beschwerdeführerin erhob (anwaltlich vertreten) Berufung. In dieser wurde eine Anschrift in 1140 Wien angegeben. Sachverhaltsbezogen wurde in der Berufung ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin zur Antragstellung eines Bekannten ihres Mannes bedient habe. Sie selbst sei in Ungarn gewesen und habe dort gewartet, dass sie ohne Visum nach Bratislava nicht habe einreisen können. Wörtlich heißt es weiters: "Ich bin nun bereits die längste Zeit im Ausland und kann meine Ehe nicht konsumieren ..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. August 1995 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag sei durch einen Dritten bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht worden. Die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Die "nunmehrige" Verantwortung in der Berufung sei in keiner Weise belegt worden und widerspreche im Übrigen den im Antrag gemachten Angaben. Zudem gebe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 22. November 1994 eine Wiener Wohnadresse an. Da ihr Touristensichtvermerk am 15. September 1994 abgelaufen sei, halte sich die Beschwerdeführerin daher seit 16. September 1994 gemäß § 15 FrG illegal im Bundesgebiet auf.

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, dass aufgrund der Aktenlage keine Beziehungen zur Republik Österreich bestünden, weshalb eine Abwägung im Sinne des Art. 8 MRK entbehrlich sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 13. Dezember 1995, B 3570/95, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (10. Oktober 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.

§ 6 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, dass diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. ..."

Die Beschwerdeführerin verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb es sich im gegenständlichen Fall um einen Erstantrag nach dem Aufenthaltsgesetz handelte; § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 findet daher auf den Beschwerdefall keine Anwendung.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht.

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, dass der Antrag vor Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, dass die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Antragsteller zwischenzeitig eine Aufenthaltsberechtigung erlangt, die ihm die Einreise nach Österreich ermöglicht, ohne die Sichtvermerksversagungsgründe gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 oder Z. 6 FrG zu verwirklichen. Die belangte Behörde hatte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung daher u.a. dann abzuweisen, wenn sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Inland aufgehalten hat. Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, dass sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010) gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Im Rahmen eines solchen Ermittlungsverfahrens hatte die Behörde der Beschwerdeführerin auch entsprechend Parteiengehör einzuräumen. Dies allerdings nicht zu eigenem Vorbringen der Beschwerdeführerin, hier somit zu der in der Berufung als derzeitigen Wohnsitz angegebenen Wiener Adresse.

Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, eine "Wiener Wohnadresse " müsse im Antrag und in der Berufung angegeben werden, um eine allfällige Zurückweisung des Antrages wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit zu vermeiden, sie gibt jedoch - unabhängig von der Frage der Richtigkeit dieses Vorbringens - nicht an, wo sie sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufgehalten hat. Da auch aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden können, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, kann im Hinblick auf die Bescheidfeststellung, die Beschwerdeführerin halte sich seit 16. September 1994 (und damit auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) im Bundesgebiet auf, die Abweisung des Antrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juni 1999

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