VwGH 96/19/0510

VwGH96/19/051021.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Jänner 1996, Zl. 109.056/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Jänner 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Wien wegen der §§ 15 und 269 Abs. 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre Probezeit verurteilt worden. Daher sei im vorliegenden Fall die Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu versagen. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei zu sagen, daß zwar durch seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht absprechbare Bindungen zur Republik Österreich bestünden, diese aber auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung gegenüber den öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien. Außerdem greife laut ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Sichtvermerksversagung nicht mit derselben Wahrscheinlichkeit und Intensität in das Privat- und Familienleben ein, wie ein Aufenthaltsverbot.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist zunächst dahingehend beizupflichten, daß das der rechtskräftigen Verurteilung des Landesgerichtes Wien zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers, die Annahme, er gefährde die öffentliche Sicherheit iSd § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, rechtfertigt.

Der Beschwerdeführer rügt jedoch zutreffend, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, ihn zu dem von ihr erstmals herangezogenen Versagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Parteiengehör zu gewähren. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies dem Berufungswerber vorzuhalten. Durch das - in diesem Fall nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegende - Vorbringen, daß der Beschwerdeführer seit 1987 in Österreich lebe, hier auch immer gearbeitet habe, zwei Brüder in Österreich aufhältig seien, er mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft lebe und die Heirat beabsichtige, zeigte der Beschwerdeführer auf, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde nämlich auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, indem sie zu prüfen hat, ob sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl.95/18/0826). Die behaupteten privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich sind nun derart intensiv, daß nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Aus diesen Gründen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren war abzuweisen, da nach dem VwGG die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung ausreichend ist.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte