VwGH 95/18/0826

VwGH95/18/08269.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Februar 1995, Zl. 112.108/3-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 24. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG abgewiesen.

Die belangte Behörde nahm folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers als erwiesen an:

"Strafbezirksgericht Wien 1 U 2515/78 vom 27.09.1978 RK 19.10.1987 (richtig: 1978) § 125 StGB 20 Tags zu je ÖS 30.-- (600.--) im NEF 10 T Freistr. Vollzugsdatum 22.11.1978.

Strafbezirksgericht Wien 1 Z 1793/78 vom 15.11.1978 RK 20.11.1978 § 36/1 B Waffg 20 Tags zu je ÖS 50.-- (1.000.--) im NEF 10 T Freistr. Vollzugsdatum 12.05.1980.

Strafbezirksgericht Wien 1 U 3925/80 vom 08.01.1981 RK 13.02.1981 § 83/1 125 StGB 60 Tags zu je ÖS 90.-- (5.400.--) im NEF 30 T Freistr. Vollzugsdatum 13.02.1981.

Strafbezirksgericht Wien 14 U 86/85 vom 14.08.1985 RK 24.09.1985 § 88/1 StGB 50 Tags zu je ÖS 50.-- (2.500.--) im NEF 25 T Freistr. Vollzugsdatum 14.10.1986.

Strafbezirksgericht Wien 1 U 781/89 vom 31.07.1989 RK 13.09.1989 § 83/1 StGB 60 Tags zu je ÖS 80.-- (4.800.--) im NEF 30 T Freistr. Vollzugsdatum 19.09.1990.

LG f. Strafs. Wien 7 B E VR 7404/93 HV 4116/93 vom 29.04.1994 RK 29.04.1984 § 83/1 84/1 StGB 7 M Freistr bedingt, Probezeit 3 J."

Aus dem wiederholten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers ergebe sich eindeutig, daß dieser nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Da es sich bei ihm um einen Wiederholungstäter handle, stelle er eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.

"Unbeschadet" des Vorbringens des Beschwerdeführers, es sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtzeitig zu stellen, sei für die Beurteilung dieses Antrages "wesentlich", daß im Fall des Beschwerdeführers der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorliege.

Nach der auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers beruhenden Aktenlage könne sein Antrag gemäß § 13 Abs. 1 AufG nicht "weitergeleitet" werden, sodaß eine Antragstellung nur gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. in Frage komme. Außerdem liege ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor, weshalb dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. "Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist der Gerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, daß der Beschwerdeführer mit seinen den - unbestritten gebliebenen - rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht hat, lassen doch die wiederholten Angriffe auf die körperliche Integrität anderer eine deutliche Neigung zur Mißachtung von dem Schutz vor strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben dienenden Rechtsnormen erkennen und damit den Schluß zu, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung, vor allem aber die öffentliche Sicherheit gefährden würde.

3. Unbeschadet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (siehe dazu das Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 93/18/0322, mwN). Diesem Gebot hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Obwohl ihr nach Ausweis der Akten (vgl. die Angaben im Antrag vom 24. August 1994 und in der Berufung vom 28. November 1994) die in der Beschwerde geltend gemachten diesbezüglichen Umstände - Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit dem Jahr 1969, Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner Gattin und den mj. Kindern im gemeinsamen Haushalt - bekannt waren, hat sie sich mit dem (in keiner Weise nachvollziehbaren) Hinweis: "Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen." begnügt und damit in Wahrheit keine Interessenabwägung vorgenommen.

4. Da somit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 270,-- (Eingabengebühr S 240,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

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