VwGH 96/19/0195

VwGH96/19/019525.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1995, Zl. 304.094/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art3 Abs3 lita;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art3 Abs3 lita;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Kroatiens. Er beantragte am 7. Juli 1995 bei der österreichischen Botschaft in Zagreb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Anschluß an seine Antragstellung im Ausland neuerlich in das Bundesgebiet eingereist. Die Einreise sei in der Absicht erfolgt, einer Erwerbstätigkeit als Geschäftsführer einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung nachzugehen. Für eine Einreise zu diesem Zweck hätte er einen "Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsbewilligung" benötigt. Die unrechtmäßige Einreise des Beschwerdeführers und sein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zeige, daß er nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere in einem Bereich, der für einen geordneten Ablauf eines geregelten Fremdenwesens vorgesehen sei, zu respektieren. Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Aus diesem Grund sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Die öffentlichen Interessen überwögen im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, er sei im Anschluß an seine im Ausland erfolgte Antragstellung wieder in das Bundesgebiet eingereist, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht entgegen. Er bestreitet jedoch unter Hinweis auf seine kroatische Staatsbürgerschaft und das mit Kroatien geschlossene Sichtvermerksabkommen die Unrechtmäßigkeit seiner Wiedereinreise und seines folgenden Aufenthalts im Bundesgebiet. Dabei betont der Beschwerdeführer insbesondere, daß die von ihm ausgeübte Erwerbstätigkeit eine selbständige sei.

§ 1 und § 5 Abs. 1 AufG lauten auszugsweise:

"§ 1. (1) Fremde (§ 1 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992) brauchen zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine besondere Bewilligung (im folgenden "Bewilligung" genannt). Die aufgrund anderer Rechtsvorschriften für Fremde vorgesehenen besonderen Regelungen bleiben unberührt.

(2) Von Fremden, die sich

  1. 1. ...
  2. 2. zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhalten, wird für Zwecke dieses Bundesgesetzes jedenfalls angenommen, daß sie in Österreich einen Hauptwohnsitz begründen ...

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Gemäß seinem Art. 7 Abs. 2 trat das Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, mit 1. August 1995 in Kraft. Art. 1, 2 und 3 dieses Abkommens lauten auszugsweise:

"Artikel 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

Artikel 2

Artikel 1 findet keine Anwendung auf jene Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder dort die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen. In diesen Fällen ist vor der Einreise die Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich.

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist kroatischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

..."

Das mit Inkrafttreten des genannten Abkommens im Verhältnis der Republik Österreich zur Republik Kroatien außer Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, lautete auszugsweise:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

Artikel 2

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben, bedürfen eines Sichtvermerkes, der auch die Aufenthaltsberechtigung einschließt. Dieser Sichtvermerk wird gebührenfrei erteilt.

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)"

Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellung darüber, ob die Wiedereinreise des Beschwerdeführers vor oder nach Inkrafttreten des Abkommens BGBl. Nr. 487/1995 erfolgte.

Diese Frage kann aber aus nachstehenden Gründen dahinstehen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/19/0931, ausführte, stellt Art. 2 des Abkommens BGBl. Nr. 365/1965 schlechthin auf "Zwecke der Arbeitsaufnahme" ab, ohne die aufzunehmende Arbeit nach ihrer Qualifikation als selbständig oder unselbständig zu differenzieren. Die, nach dem Beschwerdevorbringen arbeitsrechtlich selbständige, Tätigkeit als Geschäftsführer einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung fiel daher unter Art. 2 dieses Abkommens. Eine während der Gültigkeitsdauer dieses Abkommens erfolgte Einreise zu diesem Zweck ohne entsprechendem Sichtvermerk wäre daher nicht von Art. 1 dieses Abkommens gedeckt und folglich, wie auch der anschließende Aufenthalt, unrechtmäßig.

Wie schon der Begriff der "Arbeitsaufnahme" in Art. 2 des Abkommens BGBl. Nr. 365/1965 umfaßt auch der Begriff "Erwerbstätigkeit" in Art. 2 des Abkommens BGBl. Nr. 487/1995 sowohl eine selbständige als auch eine unselbständige Erwerbstätigkeit. Auch eine Wiedereinreise zum Zweck der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach Inkrafttreten dieses Abkommens wäre - wie auch der daran anschließende Aufenthalt zu diesem Zweck - unrechtmäßig.

Im übrigen ist beim Beschwerdeführer aber auch im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG davon auszugehen, daß er aufgrund der unwiderleglichen Vermutung des § 1 Abs. 2 Z. 2 AufG einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet begründete, ohne die in § 1 Abs. 1 AufG hiefür geforderte Bewilligung besessen zu haben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/0712).

Die dem Beschwerdeführer zur Last liegende unrechtmäßige Einreise und sein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, wobei bei Vorliegen des Tatbestandes der unrechtmäßigen Einreise eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK nicht zu erfolgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/0591).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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