VwGH 96/12/0307

VwGH96/12/030726.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 22. August 1996, Zl. 1969/58-Pr. 3/96, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820;
BDG 1979 §14 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14 idF 1995/820;
BDG 1979 §51 Abs2;
BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820;
BDG 1979 §14 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14 idF 1995/820;
BDG 1979 §51 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1955 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. September 1996 als Oberrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund; seine letzte Dienststelle war das Bundesministerium für Finanzen, in dessen Abteilung XY der Beschwerdeführer als Jurist eingesetzt war.

Da der Beschwerdeführer 1995 an insgesamt 291 Kalendertagen und 1996 bis zum 31. August an insgesamt 190 Kalendertagen im Sinne des § 51 BDG 1979 dienstunfähig war, wurde er - mehrfach - der medizinischen Begutachtung unterzogen.

In dem bei den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens befindlichen psychiatrischen Gutachten eines Assistenzprofessors und Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, der auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger tätig ist, vom 14. Juni 1996 wird u.a. ausgeführt:

Der Gutachter habe bereits ein Vorgutachten am 4. Juni 1996 erstellt; es seien ihm hiebei weiters vorgelegen:

  1. 1. Ein psychiatrisches Gutachten eines namentlich genannten Primararztes vom 26. April 1995, in dem die seit Jahren im Zusammenhang mit dem Alkoholabsus des Beschwerdeführers bestehenden gesundheitlichen Probleme dargestellt werden und zusammenfassend ausgeführt wird:

"Erhebliche alkoholbedingte organische Störungen, unter anderem Pancreatitis, Leberfunktionsstörungen, Grand-mal-Anfälle, fragliche Opticusatrophie. In Bezug auf seine Alkoholkrankheit dissimulierend und bagatellisierend; reduzierte Kritik- und Urteilsfähigkeit; deutliche vegetative Zeichen.

Hirnorganische Funktionsminderung im Bereich des visuellen Gedächtnisses, der Reaktionsfähigkeit und der kognitiven Umstellfähigkeit; psychophysische Belastbarkeit reduziert bei korrekter Selbsteinschätzung des Leistungsvermögens.

Diagnostisch: Alkoholabhängigkeit vom Delta-Typus mit schweren organischen Schäden.

Der Patient ist derzeit sicher nicht arbeitsfähig. So rasch wie möglich sollte eine stationäre Aufnahme an einer spezialisierten Einrichtung eingeleitet werden."

  1. 2. Entlassungsbrief der P-Klinik von einem namentlich genannten Primararzt vom 5. Juli 1995, in dem auf die beim Beschwerdeführer bestehende Sehstörung hingewiesen und folgende Abschlußdiagnose gegeben wird:

"Metabolische Opticusläsion, alimentäre Hepatopathie, chronisch calzifizierende, rezidivierende Pankreatitis mit Pseudozyste, PNP der OE und UE."

  1. 3. Vertrauensärztlicher Befund eines Facharztes für Innere Medizin vom 8. März 1996, nach dem der Beschwerdeführer derzeit einigermaßen beschwerdefrei sei und sich wieder arbeitsfähig fühle; einzige Auffälligkeiten seien ein feinschlägiger Tremor der Hände, die Korektur des Visus mit Sehhilfe und die vergrößerte Leber. Dennoch sollte eine psychiatrisch-neurologische Beurteilung eingeholt werden, um die weitere berufliche Verwendbarkeit einschätzen zu können.

4. Entlassungsbrief der P-Klinik vom 31. Mai 1996:

"Stationärer Aufenthalt des U. (= Beschwerdeführer) daselbst zwischen 17.5. und 3.6.1996.

Dabei wurde folgendes festgestellt:

o Der toxische Opticusschaden habe sich erfreulich

gebessert.

o Die jetzige Aufnahme stand im Zusammenhang mit einer

progredienten, proximal betonten Paraparese der Beine, die das Gehvermögen des Patienten erheblich einschränkt und das Stiegensteigen unmöglich macht.

o Die Nervenleitgeschwindigkeit ergab eine Polyneuropathie

vom axonalen Typ mit deutlich pathologischen Werten.

Folgende Diagnosen wurden erstellt:

Nach Darstellung der persönlichen Verhältnisse und der Entwicklung des Beschwerdeführers wird bezogen auf den 3. Juni 1996 folgender Psychopathologischer bzw. Neurologischer Status geschildert:

"Psychopathologischer Status:

o Der U. ist bewußtseinsklar, sowie voll und allseits

orientiert.

o Seine verbale Intelligenz ist gut, die formale hat

offensichtlich gelitten, erreicht aber noch immer den oberen Normrand.

o Altgedächtnis und Merkfähigkeit sind unauffällig.

o Gedankenductus unauffällig.

o Die Stimmung ist derzeit gut, jedoch etwas labilisiert;

generell neige er zu leichten Stimmungsschwankungen, die jedoch kein klinisch relevantes Ausmaß erreichen.

o Der Antrieb ist unauffällig, zeigt jedoch ein morgendliches

Pessimum mit etwa mittäglicher Remission.

o Der Affekt ist etwas stumpf und labil.

o Der Nachtschlaf ist insgesamt recht gut; es komme - je nach

vorherigem Alkoholkonsum - jedoch zuweilen zu nächtlichem schweißgebadetem Erwachen.

o Der Appetit ist gut; der U. ißt kaum Kohlehydrate und

vorwiegend Eiweißhältiges.

o Die Verdauung ist unauffällig.

o Zu einem morgendlichen Erbrechen sei es nur einmal

(Jan. 1995) gekommen; er habe damals unter gastritischen Beschwerden gelitten.

o Somatisch-vegetativ: Massives Schwitzen der Hände.

Neurologischer Status:

o Bereits beim Eintreten des U. ins Untersuchungszimmer des Gefertigten fällt eine tabesartige Gangunsicherheit auf, die offensichtlich die Hinterstrangbahnen des Rückenmarks betrifft.

o Beim Begrüßen werden ein feinschlägiger Fingertremor und

massives Schwitzen der Hände sichtbar.

o Caput in allen Exkursionsrichtungen uneingeschränkt

beweglich. Kein Meningismus, keine Druck- oder Kopfdolenz. o Hirnnervenbereich:

* Unauffällige Augenbulbusmotilität, kein Strabismus,

Pupillen seitengleich, rund, normal reagierend. Kein Nystagmus.

* Gesichtssensibilität unauffällig.

* Mimik unauffällig, lebhaft, ohne Seitendifferenz.

* Zungenmotilität o.B. in alle Richtungen, Gaumensegel

und Schluckakt ohne Auffälligkeit.

o OE:

* Motilität, Tonus, Trophik o.B., seitengleich.

* Sehnenreflexe o.B., lebhaft und seitengleich.

* Subjektiv keine Sensibilitätsstörung.

* Keine Pyramidenzeichen.

o UE:

* Motilität aktiv und passiv uneingeschränkt;

* Zeichen einer allgemeinen Muskelatrophie, vor allem

proximal, mit gewisser Muskelschwächung.

* Sehnenreflexe schwach, aber seitengleich auslösbar.

* Sockenförmige Hypästhesie bds., insbes.

Tiefensensibilität betreffend.

* Druckdolenz in den Bereichen N.femoralis und

periphere Äste des N.Ischiadicus.

* Pyramidenzeichen negativ.

o Koordination:

* Endstücksataxie im FNV und im KHV,

* Hypodiadochokinese bds.;

* Romberg schwankend."

Folgender Befund und Gutachten wurden darauf am 4. Juni 1996 erstellt:

  1. "1. Eine neurotische Persönlichkeitsstörung bei abnormer Mutterbindung, mit gestörter Sozialisation, geringem Selbstwertgefühl und verminderter Streßtoleranz.
  2. 2. Eine zykloide Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur Verstimmbarkeit bzw. zu autochthonen Stimmungsschwankungen.
  3. 3. Eine mehr als 20-jährige Geschichte eines chronischen Alkoholismus vom Delta-Typus, mit bereits massiven Organschäden (Gastritis, Hepatopathie, Polyneuropathie aller Regionen).
  4. 4. Status nach mehrfachen Alkohol-Entzugs-Anfällen.
  5. 5. Eine vorwiegend thymopsychisch zeichnende metabolisch-toxische Encephalopathie mit erstaunlich geringen noopsychischen Ausfällen.

Zur Fragestellung:

  1. 1. Der Beamte ist derzeit noch dienstfähig und noch in der Lage, seine diesbezüglichen Aufgaben zu erfüllen, sofern er nicht unter Zeitdruck gerät und nicht mit komplexeren und vor allem neuartigen Aufgaben versehen wird, die seine (eingeschränkte) Anpassungs- und Lernfähigkeit überfordern würden.
  2. 2. Derzeit besteht trotz der obenbeschriebenen psychischen und neurologischen Störungen kein Grund, den Krankenstand aufrechtzuerhalten.
  3. 3. Was die Prognose anlangt, ist folgendes festzuhalten:

* Dem U. ist gefertigtenseits unmißverständlich klar

gemacht worden, daß er an der Grenze zur

Berufsunfähigkeit stehe, sowie, daß er eine extrem

verkürzte Lebenserwartung zu gewärtigen habe, sollte

er nicht VOLLKOMMEN abstinent ("Kein Punschkrapferl,

keine Malakofftorte") bleiben.

* Weiters ist ihm nun neuerlich in aller Deutlichkeit

klargemacht worden, daß er nicht an Abstinenz durch

bloße Willenskraft glauben möge, und sich ehestens zur

Entwöhnungsbehandlung in das A-Institut begeben möge;

darüberhinaus ist eine nachfolgende, längerfristige

ambulante Betreuung bei einem einschlägig erfahrenen

Nervenarzt unerläßlich.

In diesem Sinne hat auch die Einschätzung des Gefertigten wie folgt zu lauten:

* Es ist möglich, daß die Dienstfähigkeit des U. auch

längerfristig aufrechterhaltbar ist, allerdings nur

unter den obengenannten Bedingungen. Als gesichert

kann diese allerdings nicht gelten.

* Ohne die Erfüllung dieser Bedingungen ist allerdings

mit einer sehr baldigen Dienstunfähigkeit und mit der

Notwendigkeit einer krankheitsbedingten Versetzung des

U. in den vorzeitigen Ruhestand zu rechnen."

Im Hinblick auf einen neuerlichen "Krankenstand" des Beschwerdeführers wurde der genannte Gutachter am 13. Juni 1996 beauftragt, den Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse aufzusuchen. Hierüber wurde im wesentlichen folgender Befund erstellt:

"Der U., der vom Kommen des Gefertigten informiert war, kam aus einem der hinteren Räume. Er war nur mit einem verschmutzten Hemd und einer Unterhose, sowie Socken bekleidet, wankte beträchtlich und bot einen besonders breitbasig-ataktischen Gang, ohne jedoch tatsächlich sturzgefährdet zu sein.

Er begrüßte den Gefertigten, den er offenbar nicht erkannte, mit den Worten: "Das ist für einen Kaffee" und fuchtelte mit einer 1000-Schilling-Note. Es bestand unübersehbar ein Zustand der massiven Trunkenheit. Darauf angesprochen, gab der U. an, 2 Stamperl getrunken zu haben.

Die Mutter des U., vom Gefertigten beiseitegezogen, gab auf Befragen an, der U. habe bereits 3/4 Liter Mandarinenschnaps (28 Vol%) getrunken und trinke weiter. Die betreffende Flasche stand noch offen am Tisch.

Weiters gab sie an, ihr Sohn trinke seit etwa 3 Jahren erheblich mehr, als er jeweils zugebe, und werde zornig, wenn sie ihn damit konfrontiere. Es gäbe aber auch Zeiten, wo er den Schnaps meide und nur mittelmäßig viel Bier trinke.

Unter anderem sei es seine Tante - die ebenfalls im selben Haus lebt und recht abgebaut zu sein scheint -, die "ihn verstehe" und daher bei jeder Gelegenheit Schnapsflaschen zustecke.

o Der U. verhält sich für die Dauer des mit ihm geführten

Untersuchungsgesprächs distanzlos und unkritisch. o Er ist bewußtseinsklar und wach, örtlich und zur Person

voll, zeitlich nur mäßig orientiert.

o Er erkennt den Gefertigten anfangs gar nicht, später kommen

ihm vage Erinnerungen.

o Es liegen Störungen der Intelligenz (Abstraktionsvermögen, Erkennen von Kausalzusammenhängen usw.) sowie der Mnestik (Einordnung in einen realistischen Zeitraster, Merkfähigkeit, Mittelspeicher) vor.

o Die Stimmung ist moros-gereizt, der Affekt läppisch und

vergröbert.

o Während des Gesprächs wird der U. zunehmend gereizter und

bricht dieses schließlich mit den Worten ab: "Wenn Sie mir nicht helfen wollen, dann leckn"s mich halt a...A." Auf die Frage, wie ihm denn geholfen werden könne, wußte der U. nicht zu antworten.

o Die Sprache ist logorrhoisch und offenbar nicht wirklich an

den Gefertigten gerichtet. Er stammelt dabei zeitweise Unverständliches, zeitweise redet er regelrecht vorbei. Dabei treten Perseverationen auf, die Themen des Selbstmitleids betreffen. Der U. ist nicht in der Lage, zu begreifen, daß der Alkohol seine Gangstörungen bewirkt.

o Auf den Verlauf der vergangenen Woche angesprochen, gibt er

vorerst an, alles sei normal verlaufen; unter insistierenden Fragen seitens des Gefertigten gibt er schließlich die völlige Leugnung auf und gesteht ein, bereits 4 Tage nach seiner Entlassung von der P-Klinik am 3.6.1996 wieder Alkohol getrunken zu haben. Dabei dissimuliert er die täglichen Trinkmengen und versteigt sich in geradezu groteske, die Verhältnisse umkehrende Argumentationen."

Darauf aufbauend wurde am 14. Juni 1996 folgendes aktuelle Gutachten erstellt:

  1. "1. Eine neurotische Persönlichkeitsstörung bei abnormer Mutterbindung, mit gestörter Sozialisation, geringem Selbstwertgefühl und verminderter Streßtoleranz.
  2. 2. Eine zykloide Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur Verstimmbarkeit bzw. zu autochthonen Stimmungsschwankungen.
  3. 3. Eine mehr als 20-jährige Geschichte eines chronischen Alkoholismus vom Delta-Typus, mit bereits massiven Organschäden (Gastritis, Hepatopathie, Polyneuropathie aller Regionen).
  4. 4. Status nach mehrfachen Alkohol-Entzugs-Anfällen.
  5. 5. Eine vorwiegend thymopsychisch zeichnende, schwere metabolisch-toxische Encephalopathie mit in diesem Falle erstaunlich geringen noopsychischen Ausfällen in Abstinenzzeiten.
  6. 6. Derzeit ein mittelgradiger Rausch, verbunden mit schwersten ataktischen Störungen, einem Zusammenbruch der wesentlichen noopsychischen Funktionen und mit schwer vergröberten Persönlichkeitszügen.

Bedauerlicherweise muß nunmehr davon ausgegangen werden, daß die hepatopathisch-enzephalopathische Zerebralschädigung tatsächlich dermaßen fortgeschritten ist, daß ein flexibles Denken, eine Anpassung an veränderte und sich verändernde Umstände, eine Realitätserfassung mit folgerichtigen Konsequenzziehungen beim untersuchten Beamten nicht mehr möglich sind, auch wenn es ihm in abstinenten Zeiten gelingen mag, einigermaßen angepaßt zu reagieren.

Die Alkoholsuchtkrankheit muß als schwerstgradig beurteilt werden; selbst wenn der Untersuchte sich schließlich bereit fände, nach einer neuerlichen Entzugstherapie eine längerdauernde Entwöhnungsbehandlung in Angriff zu nehmen - wozu er derzeit in keiner Weise motiviert ist -, muß damit gerechnet werden, daß er binnen kurzer Zeit wieder rückfällig würde.

Diese Beurteilung basiert

  1. 1. auf die Dauer der Erkrankung,
  2. 2. auf die bereits eingestellten schweren organischen und psychischen krankhaften Veränderungen,
  3. 3. auf die Erfolgsstatistiken des A-Institutes/K und die damit verbundenen Alkoholikertypologien und
  4. 4. auf das Verhalten des U. seiner Krankheit bzw. seinen auf sie reagierenden Mitmenschen gegenüber.

Somit ist - tatsächlich schneller als im Vorgutachten des Gefertigten von diesem erwartet - der Gesundheitszustand des Untersuchten als derart geschädigt zu beurteilen, daß eine vorzeitige, gesundheitlich begründete Versetzung in den Ruhestand empfohlen werden muß."

Zu diesem Gutachten äußerte sich der Beschwerdeführer im Parteiengehör lediglich wie folgt:

"Eine neurotische Persönlichkeitsstörung bei abnormaler Mutterbindung ist meiner Meinung nach nicht gegeben, vielmehr besteht zu meiner Mutter ein normales gutes Verhältnis.

Hinsichtlich der angesprochenen Stimmungsschwankungen ist zu bemerken, daß solche fast bei jedem Menschen auftreten.

Von einem zu geringen Selbstwertgefühl kann nicht die Rede sein, ebensowenig wie von noopsychischen Ausfällen.

Abschließend ist zu bemerken, daß ich mich derzeit wegen des Alkoholentzuges sowie wegen eines chronischen Nervenleidens in den Beinen in stationärer Behandlung befinde."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer mit Ablauf des Monates August 1996 gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt.

Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe der Rechtslage und Darstellung der Krankenstände im wesentlichen weiter ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf seine zahlreichen mehrmonatigen "Krankenstände" auf Veranlassung der Dienstbehörde zu wiederholten Malen vom Vertrauensarzt der belangten Behörde und von gerichtlich beeideten Sachverständigen untersucht worden; zuletzt am 13. Juni 1996 vom obgenannten gerichtlich beeideten Sachverständigen.

Wie im Gutachten des zuletzt Genannten u.a. ausgeführt worden sei, leide der Beschwerdeführer an chronischem Alkoholismus. Seine Alkoholsuchtkrankheit sei als schwerstgradig zu beurteilen. Die Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit sei nicht gewährleistet, weil davon ausgegangen werden müsse, daß die hepatopathisch-enzephalopathische Zerebralschädigung dermaßen fortgeschritten sei, daß ein flexibles Denken, eine Anpassung an veränderte und sich verändernde Umstände, eine Realitätserfassung mit folgerichtigen Konsequenzziehungen beim Beschwerdeführer nicht mehr möglich seien. Diese Aussagen des Gutachtens würden auch durch die dienstlichen Wahrnehmungen bestätigt. So sei der Beschwerdeführer auch in den Jahren 1995 und 1996 in Zeiten seiner dienstlichen Anwesenheit nicht in der Lage gewesen, die mit seinem Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben zu erbringen, weil er die dafür erforderlichen Fähigkeiten wie juristisches Denken, eine rasche Auffassungsgabe und eine besondere Flexibilität auf sich ständig ändernde rechtliche Rahmenbedingungen, die insbesondere als Folge der EU-Mitgliedschaft gegeben seien, einzustellen, nur unzureichend aufweise. Somit sei auch nach den dienstlichen Erfahrungen erwiesen, daß er in Zeiten seiner dienstlichen Anwesenheit zwischen den einzelnen Krankenständen den Anforderungen seines Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen nur in unzureichender Weise habe entsprechen können und eine nachhaltige Besserung seiner geistigen Leistungsfähigkeit nicht zu erwarten sei. Ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben er noch erfüllen könnte, könne ihm nicht zugewiesen werden. Die Dienstbehörde sei daher zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer im Sinne des § 14 Abs. 1 BDG 1979 dauernd dienstunfähig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 nicht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt zu werden sowie in seinem Recht auf fehlerfreie Einhaltung der Verfahrensvorschriften, insbesondere hinsichtlich der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes, verletzt.

Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Der Beamte ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung (Stammfassung) dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Die mit der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 verfügte Änderung des § 14 BDG 1979 (Wegfall der Verpflichtung der Behörde zur Pensionierung des Beamten bei Dienstunfähigkeit und seiner mehr als einjährigen Abwesenheit vom Dienst infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens) hat nichts am Inhalt des weiter verwendeten Begriffes der Dienstfähigkeit geändert. Zur Bestimmung des Begriffsinhaltes kann daher weiterhin die bisherige Rechtsprechung herangezogen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die "Dienstunfähigkeit" ein Rechtsbegriff; die Beurteilung obliegt der Dienstbehörde insbesondere auf Grund von ärztlichen Sachverständigengutachten (vgl. auch § 36 PG 1965). Der Schluß der Dienstunfähigkeit ist aber nicht nur auf Grund ärztlicher Feststellungen, sondern - insbesondere bei habituellen Charaktereigenschaften bzw. bestimmten offenkundigen geistigen Mängeln - auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig (siehe diesbezüglich zu einer vergleichbaren Rechtslage beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1990, Slg. N. F. Nr. 13.343/A).

Ausgehend von ärztlichen Sachverständigengutachten hat die Dienstbehörde die Frage der Ruhestandsversetzung nach der Rechtsprechung wie folgt zu beurteilen:

Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen und geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen kann (medizinischer Aspekt) und kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Bereich seiner Dienstbehörde vorhanden ist, dessen Aufgabe der Beamte erfüllen und dessen Ausübung ihm billigerweise zugemutet werden kann (Vergleichsaspekt) (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 90/12/0272).

Eine amtswegige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand nach § 14 BDG 1979 setzt voraus, daß der Beamte infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung im Zeitpunkt seiner wirksamen Ruhestandsversetzung dauernd seine dienstliche Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein im § 14 Abs. 3 BDG 1979 näher umschriebener gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Eine im genannten Zeitpunkt bestehende Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn - nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitpunkt - keine Heilungschancen bestehen, d.h., wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit genügt nicht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1988, Zlen. 87/12/0126 und 88/12/0030, vom 18. November 1992, Zl. 91/12/0301, vom 13. April 1994, Zl. 93/12/0330, und vom 11. Mai 1994, Zl. 93/12/0163).

Ein Sachverständigengutachten muß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Mit anderen Worten: Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsache, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Der Sachverständige muß also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargestellten Anforderungen entsprechen, die an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind (vgl. insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140, mit weiteren Literatur- und Judikaturangaben).

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen rechtlichen Ausführungen teilt der Verwaltungsgerichtshof vorweg die vom Beschwerdeführer gegen das eingeholte fachärztliche Gutachten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Bedenken nicht. Das erstattete Gutachten, das sich schlüssig aus dem Befund ableitet, kommt aus medizinischer Sicht letztlich eindeutig zu dem Ergebnis, daß der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auf Dauer schwerstens beeinträchtigt ist (chronischer Alkoholismus vom Delta-Typus, das bedeutet nach Jelinek: Alkoholkrankheit mit Abhängigkeit und Abstinenzunfähigkeit, mit bereits massiven Organschäden).

Wenn der Gutachter in seinem "Befund & Gutachten" vom 4. Juni 1996 die Meinung vertrat, der Beschwerdeführer sei derzeit noch mit Einschränkungen (keine komplexen oder neuartigen Aufgaben) dienstfähig, so hat er damit eindeutig seine Kompetenz überschritten. Denn, wie vorher unter Angabe von Rechtsprechung dargelegt, stellt die Beurteilung der Dienstfähigkeit eine Rechtsfrage dar, deren Lösung der Dienstbehörde zukommt. Der Gutachter konnte weder bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz des Beschwerdeführers noch auf einen gleichwertigen Verweisungsarbeitsplatz (vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/12/0242) beurteilen, ob überhaupt eine Einsatzmöglichkeit in dem vom Gutachter angedeuteten eingeschränkten Sinn in diesem Bereich vorhanden war. Dieser wertenden Aussage des Gutachters ist daher keine rechtliche Bedeutung beizumessen. Bereits dieses Gutachten wäre nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr dahin zu deuten gewesen, daß der Beschwerdeführer dienstunfähig und die Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit unwahrscheinlich ist. Die damals vom Gutachter noch gesehene MÖGLICHKEIT der Heilung der Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers bei völliger Abstinenz mit Entzug und Nachbehandlung allein genügte im Sinne der vorher wiedergegebenen Rechtsprechung weder für die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit noch dafür, eine Wertung der Dienstunfähigkeit als dauernde auszuschließen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen besteht demnach kein rechtlich relevanter Widerspruch zwischen den Gutachten vom

4. bzw. 14. Juni 1996. Letztlich folgt die belangte Behörde auf Basis beider Gutachten der lediglich eine Empfehlung darstellenden Schlußaussage im Gutachten vom 14. Juni 1996 aus den bereits dargelegten Gründen.

Darüberhinaus ist zum Beschwerdevorbringen - abgesehen von dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltenden Neuerungsverbot (vgl. die Rechtsprechung bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 552 ff, zu § 41 VwGG) - noch darauf hinzuweisen, daß es der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, dem von ihm bemängelten fachärztlichen Gutachten auf gleicher medizinischer Ebene entgegenzutreten (vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 96/12/0243). Die im Verfahren vom Beschwerdeführer selbst zu dem fachärztlichen Gutachten abgegebene Stellungnahme kann - ungeachtet der lediglich ganz allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers - das auf medizinischem Fachwissen beruhende durchaus konkrete und schlüssige Gutachten des herangezogenen Facharztes nicht in Frage stellen.

Es besteht weiters, wie schon ausgeführt, kein vernünftiger Zweifel daran, daß bei der Art und Dauer der Erkrankung des Beschwerdeführers und den daraus bereits resultierenden Dauerschädigungen, die von ihm auch nicht in Abrede gestellt worden sind, die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers als Jurist, bezogen auf seinen Arbeitsplatz, aber auch auf einen gleichwertigen Ersatzarbeitsplatz, nicht mehr gegeben ist. Im übrigen hat die belangte Behörde unter Verwertung der konkreten Sachlage und von Überlegungen der allgemeinen Lebenserfahrung ihre Auffassung, der Beschwerdeführer sei dienstunfähig - entgegen dem Beschwerdevorbringen - sehr wohl klar zum Ausdruck gebracht.

Vor dem konkreten Hintergrund der spezifischen Form der Erkrankung des Beschwerdeführers und der von ihm zu fordernden gleichwertigen geistigen Arbeitsleistungen besteht auch auf Grund der getroffenen medizinischen Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers kein Zweifel daran, daß für ihn von vornherein keine Verweisungsmöglichkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz BDG 1979 besteht. Die diesbezüglich knappe Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist daher ausreichend.

Was den Einwand des Beschwerdeführers betrifft, er hätte sich ab 1. August 1996 auf "Alkoholentzugstherapie" befunden und die belangte Behörde hätte darauf bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht Bedacht genommen, ist dem entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer, wie dem Gutachten zu entnehmen ist, zumindest zweimal den Versuch unternommen hat, eine Alkoholentziehungstherapie durchzuführen. Bedauerlicherweise ist der Beschwerdeführer aber immer wieder rückfällig geworden. Darüberhinaus hat der Sachverständige in seiner Prognose festgehalten, daß auch nach einer neuerlichen Alkoholentziehungstherapie binnen kurzer Zeit mit einer Rückfälligkeit gerechnet werden muß. Ausgehend von diesen Überlegungen kann auch diese Argumentation des Beschwerdeführers nicht zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führen; dies insbesondere auch dann, wenn die bereits als irreversibel bezeichneten Dauerschädigungen mit in die Betrachtung gezogen werden.

Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, die belangte Behörde habe sich weder mit seiner Stellungnahme im Verfahren noch mit seinem Alter, seinen dienstlichen Erfahrungen und Qualifikationen auseinandergesetzt und sie habe auch nicht berücksichtigt, daß seine Krankheit den Amtsbetrieb ohnehin nicht gestört habe, so ist dem - über das vorher Gesagte hinaus - noch zu entgegnen, daß daraus nichts Wesentliches für die Frage der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers zu gewinnen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher letztlich als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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