VwGH 91/12/0301

VwGH91/12/030118.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der Mag. E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 5. November 1991, Zl. 148.770/9-III/19/90, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs1 Z1;
LDG 1984 §12 Abs3;
VwRallg;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs1 Z1;
LDG 1984 §12 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand als Professorin (L1) am Bundesrealgymnasium Wien nn in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bund. Eine Reihe von Vorfällen in der Schule veranlaßten die Dienstbehörde, eine amtsärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin aufzutragen, die am 8. Juni 1990 zu einem amtsärztlichen Gutachten der Stadtphysika Dr. P führten, das auf Grund des psychiatrischen Gutachtens des Primarius Dr. H vom 30. Mai 1990 als Krankheiten der Beschwerdeführerin paranoide Ideen und Geruchshalluzinationen feststellte und als Ergebnis die Dienstunfähigkeit wegen Paranoia aussprach, wobei die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit nicht zu erwarten sei. Die Beschwerdeführerin sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 6. August 1990 gegen die Versetzung in den Ruhestand aus. Mit Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 23. August 1990 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 BDG mit Ablauf des 30. September 1990 in den Ruhestand versetzt.

Im Verfahren über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung holte die belangte Behörde ein ärztliches Gutachten der psychiatrischen Universitätsklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien vom 16. Mai 1991 ein, das nach Angaben der Beschwerdeführerin, den psychopathologischen Status der psychologischen Testuntersuchung, blutchemischer und elektroenzephalographischer Befunde folgende Zusammenfassung enthält:

"Beginnend im Jahre 1985 kam es bei Professor Mag. E sowohl im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Mittelschulprofessorin als auch im privaten Bereich zu Verhaltensauffälligkeiten. Dies führte einerseits zu Dienstsuspendierungen, amtsärztlichen Untersuchungen und schließlich zur Feststellung der Dienstunfähigkeit durch den Stadtschulrat für Wien. Die damit im Zusammenhang stehenden dienstlichen Vorfälle dürfen als bekannt vorausgesetzt werden und bedürfen keiner neuerlichen detaillierten Darstellung. 1988 befand sich Frau Mag. E mit der Diagnose "paranoides Syndrom" in dreiwöchigem stationären Aufenthalt des Psychiatrischen Krankenhauses Baumgartner Höhe, im Sommer 1990 in dreiwöchigem stationären Aufenthalt der Niederösterreichischen Landesnervenklinik Mauer mit der Diagnose "akute Psychose". In beiden Fällen wurde dringend eine weitere regelmäßige nervenfachärztliche Betreuung angeraten, diese von Frau Mag. E jedoch nie in Anspruch genommen. Aus der psychiatrischen Anamnese geht hervor, daß es bei Frau Mag. E seit mehreren Jahren immer wieder zum Auftreten von Verfolgungsideen gekommen ist. Dies äußerte sich hauptsächlich darin, daß sie das Gefühl hatte, abgehört zu werden, bestohlen zu werden, daß ihre Verwandtschaft gegen sie arbeite und daß sie sich schließlich auch von ihren Arbeitskollegen abgelehnt und bedroht fühlte. Dazwischen habe es durchaus Zeiten gegeben, in denen Frau Mag. E ein realitätsbezogenes Leben führte. Einmal kam es im Zusammenhang mit Auftreten der Wahnideen auch zu länger andauernden Geruchshalluzinationen, die von Frau Mag. E im Sinne einer Infektionskrankheit uminterpretiert wurden.

Bei der ho. durchgeführten Exploration fielen schwankende Stimmung, Affektstarre, umständlicher, jedoch kohärenter Gedankenductus mit Hinweisen auf Paralogie sowie eine starke Dissimulationstendenz bei fehlender Krankheitseinsicht und reduzierter Kritikfähigkeit auf. Frau Mag. E interpretierte sämtliche Ereignisse im Sinne von unglücklichen Zufällen oder Mißverständnissen, es fanden sich jedoch anfangs keine Hinweise auf ein akutes psychiatrisches Krankheitsgeschehen. Bei einem dritten Gespräch jedoch traten deutlich paranoide Wahninhalte mit Affektinkontinenz auf.

EEG, Blutbild sowie blutchemische Parameter waren im Normbereich. Es konnten keine Hinweise auf Organizität gefunden werden.

Wie schon aus der Anamnese festzustellen ist, können die bei Frau Mag. E auftretenden Wahninhalte immer wieder in Juxtaposition geraten, d.h. daß Frau Mag. E ein völlig unauffälliges und realitätsbezogenes Verhalten zeigen konnte. Dies kann jedoch durch äußere Ereignisse oder Belastungen, wie es z.B. die gutachterliche Situation darstellte, in ein polarisiertes Wahngeschehen übergehen, das eng mit der Realität verbunden ist und wo die Wahninhalte Einfluß auf das allgemeine Verhalten zeigen. Grundsätzlich ist anzunehmen, daß Frau Mag. E in Zeiten, in denen sich der Wahn in Juxtaposition befand, als arbeitsfähig zu betrachten war. Durch besondere Belastungen kann es jedoch jederzeit zum akuten Auftreten von Krankheitssymptomen kommen. Eine regelmäßige nervenfachärztliche Betreuung wäre dringend notwendig, auch im Sinne einer Stabilisierung der Symptomatik, wird jedoch von Frau Mag. E zur Zeit aufgrund mangelnder Krankheitseinsicht kategorisch abgelehnt.

Aus der Sicht unseres Faches und im Zusammenhang mit der Vorgeschichte kann daher Frau Professor E keine regelmäßige Berufstätigkeit - auch nicht in reduziertem Ausmaß - zugemutet werden.

Dieser Befund dient nur als Unterlage, die vom anfragenden Amtsarzt zusammen mit den dort vorliegenden Beurteilungsgrundlagen verwertet werden wolle."

Das Gutachten ist von Dr. G, Oberarzt der Klinik, und Dr. K, Univ. Ass. der Klinik, gefertigt.

In ihrer Stellungnahme vom 5. September 1991 brachte die Beschwerdeführerin vor, es handle sich bei den übermittelten Gutachten nicht um ein solches, sondern um die Privatmeinung der Begutachter. Es wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und sprach aus, die Beschwerdeführerin werde mit Wirksamkeit des auf die Rechtskraft dieses Bescheides folgenden Monatsletzten gemäß § 14 Abs. 5 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt. In der Bescheidbegründung wird nach Darstellung des Verfahrensganges festgestellt, die Beschwerdeführerin sei von der Bestellung des Gutachters (Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien, Psychiatrische Universitätsklinik) in Kenntnis gesetzt worden und habe dagegen keinen Einspruch erhoben. Bei Beurteilung der Dienstfähigkeit sei nicht allein auf die Person des Lehrers abzustellen, sondern es seien die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen des Lehrers auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden lehramtlichen Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf den Lehr- und Unterrichtsbetrieb entscheidend. Unter dem Begriff "ordnungsgemäße Versehung des Dienstpostens" sei sowohl eine qualitativ einwandfreie als auch eine mengenmäßige, dem normalen Ausmaß der Lehrverpflichtung entsprechende Dienstleistung zu verstehen. Daraus folge, daß für die Beurteilung der Dienstfähigkeit entscheidend sei, ob der Lehrer auf Grund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig sei. Unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des schlüssigen Sachverständigengutachtens vom 16. Mai 1991 sei die Beschwerdeführerin auf Dauer nicht in der Lage, ihren Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen, da bei ihr durch äußere Ereignisse oder Belastungen (diese seien mit einer Unterrichtserteilung zwangsläufig verbunden) stets Wahninhalte aufträten, die sodann Einfluß auf das allgemeine Verhalten nähmen. Was die Frage eines Ersatzarbeitsplatzes betreffe, bzw. welche Tätigkeiten der Beschwerdeführerin - vor allem in welchem zeitlichen Ausmaß - zugemutet werden können, ergebe sich aus den Gutachten eindeutig, daß der Beschwerdeführerin keine andere regelmäßige Tätigkeit - auch nicht in reduziertem Ausmaß - zugemutet werden könne, da auch für diesen Bereich die Aussagen hinsichtlich ihrer Belastbarkeit zuträfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Der Beamte ist gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Nach der Legaldefinition des Abs. 3 der genannten Bestimmung ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter der bleibenden Unfähigkeit des Beamten, seinen Dienstposten ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten zur Versehung des Dienstpostens dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Daraus ergibt sich, daß die Beurteilung der Dienstunfähigkeit nicht allein auf die Person des Lehrers abzustellen ist, sondern vielmehr die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen des Lehrers auf seine Fähigkeit die ihm gesetzlich obliegenden lehramtlichen Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf den Lehr- und Unterrichtsbetrieb entscheidend sind. Unter dem Begriff ordnungsgemäße Versehung des Dienstpostens ist sowohl eine qualitativ einwandfreie als auch eine mengenmäßige, dem normalen Ausmaß der Lehrverpflichtung entsprechende Dienstleistung zu verstehen (siehe zur vergleichbaren Rechtslage Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Jänner 1984, Zl. 83/09/0153, Slg. N.F. Nr. 11.280/A - nur Leitsatz - mit weiteren Judikaturhinweisen).

Im Beschwerdefall sind sowohl das im Verfahren erster Instanz eingeholte amtsärztliche Gutachten als auch das Gutachten der psychiatrischen Universitätsklinik vom 16. Mai 1991 als Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstunfähigkeit herangezogen werden, ohne daß hiebei eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt. Nach dem eingehend begründeten von der belangten Behörde eingeholten klinischen Gutachten treten bei der Beschwerdeführerin Wahnideen auf, die Einfluß auf das allgemeine Verhalten zeigen. Auch wenn in Zeiten, in denen sich der Wahn in "Juxtaposition" befindet, eine Arbeitsfähigkeit anzunehmen ist, kann dennoch schlüssig daraus gefolgert werden, daß der Beschwerdeführerin keine regelmäßige Berufstätigkeit - auch nicht in reduziertem Ausmaß - zugemutet werden kann. Da die Beschwerdeführerin nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens wegen ihrer geistigen Erkrankung schon wiederholt in stationärer Behandlung war und ihren Dienst nicht erfüllen konnte, kann der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden, wenn sie nach der Eigenart der festgestellten Erkrankung die Auffassung vertrat, daß die dienstliche Verwendbarkeit der Beschwerdeführerin als Lehrer auf absehbare Zeit unzureichend sein werde. Die belangte Behörde war daher im Recht, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin bleibend unfähig ist, ihren Dienst ordnungsgemäß zu versehen.

Eine amtswegige Verseztung eines Beamten in den Ruhestand nach § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 setzt voraus, daß der Beamte infolge seiner körperlichen oder geistigen Fassung im Zeitpunkt seiner wirksamen Ruhestandsversetzung dauernd seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein im § 14 Abs. 3 BDG 1979 näher umschriebener gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Eine im genannten Zeitpunkt bestehende Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn, nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitpunkt - keine Heilungschancen bestehen, das heißt, wenn die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit genügt nicht (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1988, Zl. 87/12/0126 und 88/12/0030). Die Beschwerdeführerin hat aber eine regelmäßige nervenfachärztliche Betreuung, die dringend notwendig wäre, zur Zeit der Begutachtung auf Grund mangelnder Krankheitseinsicht kategorisch abgelehnt, sodaß schon aus diesem Grund eine wesentliche Änderung der geistigen Verfassung der Beschwerdeführerin unwahrscheinlich ist.

Die von der Beschwerdeführerin als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Vielmehr ist ihr Vorbringen betreffend das Gutachten der psychiatrischen Universitätsklinik vom 16. Mai 1991 selbst aktenwidrig, soweit sie vorbringt, es sei nicht als Gutachten bezeichnet.

Der von der Beschwerdeführerin weiters gerügte Verfahrensmangel, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 82 DP nicht beachtet, ist schon deshalb verfehlt, weil diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, worauf die belangte Behörde bereits hingewiesen hat. Tatsächlich wurde der Beschwerdeführerin im Verfahren die Möglichkeit eingeräumt, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen und sie hat auch davon Gebrauch gemacht. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann daher nicht die Rede sein.

Auch die übrigen Ausführungen der Beschwerdeführerin vermögen eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht aufzuzeigen.

Insbesondere gehen ihre Ausführungen betreffend die Übung des freien Ermessens ins Leere, weil es sich bei dem bekämpften Akt nicht um eine Ermessensentscheidung handelt.

Die somit in allen Punkten unbegründete Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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