VwGH 96/08/0303

VwGH96/08/030311.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 19. September 1996, Zl. LGS600/LA2/1218(7022)/1996-Dr. Puy/Fe, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §46 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 21. Dezember 1995 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg die Gewährung von Arbeitslosengeld. Am 18. Jänner 1996 stellte die regionale Geschäftsstelle eine Mitteilung über den Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 21. Dezember 1995 bis 17. Juli 1996 aus.

Am 15. März 1996 langte bei der regionalen Geschäftsstelle ein Bericht des Grenzüberwachungspostens Soboth, Bezirk Deutschlandsberg, ein, wonach im Zuge von Überprüfungen von Ausländern nach dem Melde- und Aufenthaltsgesetz, sowie "Übertretungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz" auch der Beschwerdeführer überprüft worden sei. Er sei seit 7. August 1992 an einer näher bezeichneten Adresse behördlich gemeldet und besitze eine gültige Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung. Er beziehe seit 21. Dezember 1995 Arbeitslosenunterstützung. Da er in Rumänien einen dreizehnjährigen Sohn habe, habe er sich "während des Arbeitslosenzeitraumes" vorwiegend in seiner Heimat in Rumänien aufgehalten. In seinem Reisepaß seien mehrere Aus- und Einreisestempel in der Zeit zwischen dem 21. Dezember 1995 und dem 11. März 1996 von verschiedenen Grenzübergängen im Burgenland und Ungarn ersichtlich. Dazu habe der Beschwerdeführer gegenüber den Beamten angegeben, daß er - seit er arbeitslos sei - sehr oft nach Rumänien fahre und sich dort längere Zeit aufhalte. Er sei geschieden, habe aber in seiner Heimat einen dreizehnjährigen Sohn, den er dann besuche. Den Besuch könne er nur im Winter machen, wenn er arbeitslos sei. Ansonsten komme er nicht dazu. Er sei erst am Tage der Überprüfung (am 11. März 1996) wieder nach Österreich gekommen. Er fahre alle zwei Wochen zum Arbeitsmarktservice. Dort müsse er die Terminkarte vorlegen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 12. Juli 1996 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 21. Dezember 1995 bis 31. März 1996 widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des Überbezuges von S 29.090,-- in monatlichen Raten von a S 2.000,-- verpflichtet. Dieser Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für diesen Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da er sich laut Erhebung des Grenzüberwachungspostens Soboth überwiegend im Ausland aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Am 29. Juli 1996 hat die regionale Geschäftsstelle den Beschwerdeführer einvernommen. Dieser gab dabei an, in der Zeit seines Arbeitslosengeldbezuges vom 21. Dezember 1995 bis 31. März 1996 tageweise in Rumänien gewesen zu sein. Dort habe er seine Ehegattin, die er Mitte Dezember geheiratet habe, und seinen dreizehnjährigen Sohn besucht. Die jeweiligen Auslandsaufenthalte hätten zwei bis drei Tage betragen, höchstens eine Woche. Der Beschwerdeführer habe nicht gewußt, daß man das dem Arbeitsmarktservice melden müsse. Dieser Niederschrift liegt eine Ablichtung des Reisepasses des Beschwerdeführers bei, aus dem sich Ein- bzw. Ausreisestempel der rumänischen Grenzpolizei über Aufenthalte in Rumänien im Zeitraum vom 21. Dezember 1995 bis 31. März 1996 (mit Ausnahme der Zeit vom 21. Dezember 1995 bis 2. Jänner 1996, vom 13. Jänner bis 20. Jänner 1996 und vom 29. Jänner bis 11. Februar 1996) ergeben. Damit im wesentlichen korrespondierend finden sich darin auch Ein- und Ausreisevermerke der ungarischen Grenzpolizei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides stützt sich die belangte Behörde im wesentlichen auf die Angaben des Beschwerdeführers und zieht daraus die Schlußfolgerung, daß dieser an seiner Wohnadresse in der Steiermark keinen ordentlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Daher sei die regionale Geschäftsstelle Deutschlandsberg für die Gewährung des Arbeitslosengeldes nicht zuständig und der Bezug von Arbeitslosengeld zu widerrufen gewesen. Da er bezüglich eines tatsächlichen Aufenthaltes "unwahre Angaben" gemacht habe, sei er zur Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde hat den Widerruf und die Rückforderung des Arbeitslosengeldes für den gesamten Zeitraum vom 21. Dezember 1995 bis 31. März 1996 mit der Begründung widerrufen, der Beschwerdeführer habe in diesem Zeitraum an seinem bisherigen Wohnort weder einen ordentlichen Wohnsitz, noch einen gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt und die regionale Geschäftsstelle sei daher für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gar nicht zuständig gewesen.

Dabei übersieht die belangte Behörde, daß es für die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG (also für die Antragstellung auf Arbeitslosengeld) auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Der Beschwerdeführer wirft daher der belangten Behörde jedenfalls insoweit zu Recht vor, daß sie die nach der Aktenlage ohne weiteres möglichen Feststellungen über die Dauer der Auslandsaufenthalte des Beschwerdeführers zu Unrecht nicht getroffen hat: es ist nämlich nach den Stampiglien im Reisepaß des Beschwerdeführers betreffend die Ein- und Ausreisen in Rumänien (bzw. die damit aufgrund der Durchreise durch Ungarn korrespondierenden Stampiglien der ungarischen Grenzpolizei) nicht ausgeschlossen, daß sich dieser im Zeitraum ab Antragstellung (21. Dezember 1995) bis 2. Jänner 1996 (und danach vom 13. Jänner 1996 bis 20. Jänner 1996 bzw. vom 29. Jänner 1996 bis 11. Februar 1996) in Österreich aufgehalten hat. Es kann daher aufgrund der Aktenlage nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der regionalen Geschäftsstelle nicht zumindest einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Überdies sagt die Tatsache des bloßen Auslandsaufenthaltes (ungeachtet dessen, daß er zum Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG führen kann) für sich allein genommen noch nichts darüber aus, wo jemand seinen ordentlichen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1984, Slg. Nr. 11.351/A, und vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0155, auf deren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die belangte Behörde hätte daher zu der primär maßgeblichen Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt der Antragstellung unter Zugrundelegung der eben genannten Rechtsprechung die erforderlichen Feststellungen zu treffen gehabt; da sie dies aufgrund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sei darauf verwiesen, daß die belangte Behörde hinsichtlich des gesamten Zeitraumes der Leistungsgewährung sodann die Frage des Ruhens des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 Abs. 1 lit. g unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 3 AlVG, aber auch des § 46 Abs. 5 AlVG zu prüfen haben wird (vgl. dazu die im Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0116, dazu entwickelten und seither in ständiger Rechtsprechung - vgl. die weiteren Erkenntnisse vom 19. Oktober 1993, Zl. 93/08/0189, vom 17. Jänner 1995, Zl. 92/08/0128, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0264 - vertretenen Grundsätze).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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