Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art9 Abs1;
VStG §19 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VStG §51c;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art9 Abs1;
VStG §19 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VStG §51c;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 10. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt und bestraft:
"Sie haben am 25.08.94 um 08.35 Uhr in Innsbruck, A 13 (km 4.5 bis 3.5 und km 1 bis 0.3), A 12 (km 74.8 bis 74), Autobahnabfahrt Ibk-Ost, mit dem PKW, RO-NV 46, folgende Verkehrsübertretungen gesetzt:
1) Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h auf der A 13, km 4.5 bis 3.5
2) Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 73 km/h auf der A 13, km 1 bis 0.3
3) Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 50 km/h auf der A 12, km 74.8 bis 74
4) Sie ignorierten ein deutlich gegebenes Anhaltezeichen der Polizei, welches mittels Anhaltestab gegeben wurde.
Zu den Übertretungen von 1) - 4) ist weiters anzuführen, daß diese unter gefährlichsten Bedingungen gesetzt wurden, da zu diesem Zeitpunkt starker Regen herrschte und die Fahrbahn als extrem nass anzusehen war.
Sie haben dadurch eine Übertretung nach 1) - 3) § 52/10a StVO und 4) § 97/5 StVO begangen und werden gemäß 1) - 3) § 99/2c StVO und 4) § 99/3j StVO mit einer Geldstrafe von
1) 8.000.-- 2) 15.000,--
3) 8.000,-- 4) 5.000,--
bestraft."
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid - in einem Abschnitt I hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) des erstinstanzlichen Bescheides durch eine Kammer und in einem Abschnitt II hinsichtlich der Spruchpunkte 3) und 4) des erstinstanzlichen Bescheides durch ein Einzelmitglied des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol -insoweit Folge gegeben, als
1) hinsichtlich der Spruchpunkte 1) und 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses "eine einheitliche Geldstrafe in Höhe von
S 12.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage, verhängt wird.....";
2) das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich des Punktes 3) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt wurde; und
3) die zu Punkt 4) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe auf S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) herabgesetzt wurde. Als verletzte Norm gelte "§ 97 Abs. 5 StVO, die Norm, nach der die Strafe verhängt wird, ist § 99 Abs. 4 lit. i i. V.m. § 97 Abs. 5 StVO (i.d.F. vor dem Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle)".
Gegen diesen Bescheid - und zwar hinsichtlich der Punkte 1) und 3) - richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit Punkt 1) des angefochtenen Bescheides wurde - als eine Entscheidung der Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol - über die Berufung sowohl gegen Punkt 1) als auch Punkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abgesprochen und eine "einheitliche Geldstrafe" in Höhe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt. Zu einer derartigen Vorgangsweise sah sich die belangte Behörde offenkundig deshalb veranlasst, weil sie - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - die Auffassung vertrat, die in den Punkten 1) und 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten Übertretungen stellten ein fortgesetztes Delikt dar, "weil der Anzeige zu entnehmen ist, dass der Berufungswerber unmittelbar vor dem Berg Isel-Tunnel die Fahrgeschwindigkeit verkehrsbedingt auf ca. 100 km/h verringern mußte und erst nach Passieren des Tunnels wieder beschleunigen konnte".
§ 51c - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 - lautete:
"Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000,-- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder."
Nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut dieser Bestimmung kommt es sohin für die Frage der Zuständigkeit allein darauf an, welche Strafe im "angefochtenen Bescheid" (erstinstanzlichen Straferkenntnis) verhängt wurde. Steht auf diese Weise die Zuständigkeit der Kammer oder des einzelnen Mitgliedes fest, so kommt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0383, ausgesprochen hat, eine "Verschiebung" der Zuständigkeit zwischen diesen beiden Organen nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn das Organ zur Ansicht gelangt, es wäre richtigerweise ein anderer Abspruch rechtens gewesen.
Das heißt für den Beschwerdefall, dass das Einzelmitglied zur Entscheidung über die Berufung gegen den Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Bescheides (Geldstrafe von S 8.000,--) zuständig gewesen wäre. Da die Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates Tirol auch diesbezüglich - und zwar untrennbar ("einheitliche Geldstrafe") mit ihrem Abspruch über die Berufung gegen den Spruchpunkt 2) des erstinstanzlichen Bescheides - eine Zuständigkeit in Anspruch nahm, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt, ist der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1) mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid mußte daher schon deshalb in seinem Spruchpunkt 1) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufgehoben werden, wobei sich der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der fortzusetzenden Verfahren veranlasst sieht, auf Folgendes hinzuweisen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 96/10/0045 bis 0047, ausgesprochen hat, müssen, um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, von einem so genannten Gesamtvorsatz getragen sein, d.h. der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Endziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise erreichen will. Von einem solchen Gesamtvorsatz kann daher nur dann gesprochen werden, wenn der Täter den erstrebten Enderfolg von Anfang an in seinen wesentlichen Umrissen erfasst hat, sodass sich die einzelnen Akte zu dessen Erreichung nur als Teilhandlungen eines (von vornherein gewollt vorhandenen) Gesamtkonzeptes darstellen. Erst dieser innere Zusammenhang lässt die Einzelakte nur als sukzessive Verwirklichung des einheitlich gewollten Ganzen erscheinen. Demnach reicht der allgemeine Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begehen, nicht aus, um subjektiv Fortsetzungszusammenhang zu begründen. Der Gesamtvorsatz kann auch nicht in einem bloß einheitlichen Motiv erblickt werden.
Erforderliche Ausführungen zum genannten Gesamtvorsatz, wobei das Vorliegen eines (derartigen) Vorsatzes nicht nur im Rahmen der Strafbemessung Bedeutung hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1990, Zl. 90/09/0013), lassen sich der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht entnehmen.
Soweit mit der Beschwerde der Punkt 3) des angefochtenen Bescheides bekämpft wird, ist sie nicht begründet.
Diesbezüglich bringt der Beschwerdeführer vor, Punkt 4) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG. Der Tatort und die Tatzeit seien nicht näher ausgeführt worden.
Dem ist zunächst zu erwidern, dass durch den Einleitungssatz des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Reihenfolge der dort angeführten Tatorte - (zuletzt) "Autobahnabfahrt Innsbruck-Ost" - die dem Beschwerdeführer unter Punkt 4) angelastete Verwaltungsübertretung hinsichtlich des Tatortes ausreichend konkretisiert ist. Auch hinsichtlich der Tatzeit, die im Einleitungssatz mit "am 25.08.94 um 08.35 Uhr" umschrieben ist, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu finden, dass diesbezüglich ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG im Sinne der Rechtsschutzüberlegungen des hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A, vorliegt. Hinsichtlich der Einschränkung seiner Verteidigungsmöglichkeiten bzw. der Gefahr einer Doppelbestrafung wird vom Beschwerdeführer auch nichts vorgebracht.
Weiters vermag das - auch hinsichtlich des Punktes 3) des angefochtenen Bescheides relevante - Beschwerdevorbringen, es hätte sich ergeben, dass der Beschwerdeführer den PKW im Tatzeitpunkt nicht gelenkt habe, wenn die (geforderte) Einvernahme eines näher bezeichneten Zeugen zum Beweis dafür, dass dieser und nicht der Beschwerdeführer den PKW zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, nicht unterlassen worden wäre, die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen.
Im bekämpften Bescheid verweist die belangte Behörde darauf, dass als Reaktion auf ein von der belangten Behörde an die - vom Beschwerdeführer selbst genannte - Adresse dieses Zeugen gerichtetes Schreiben ein (nicht unterschriebenes) Fax eingelangt sei, mit welchem der Zeuge mitgeteilt habe, dass er zum Tatzeitpunkt nicht in Österreich gewesen sei. Dies sei von der als Zeugin einvernommenen Schwester des Beschwerdeführers insofern bestritten worden, als der genannte Zeuge ihr gegenüber (telefonisch) erwähnt hätte, ein Schreiben solchen Inhaltes nicht an die belangte Behörde gerichtet zu haben.
Die Behörde hat - mangels eines Rechtshilfeabkommens kam eine Ladung des in den USA lebenden Zeugen nicht in Betracht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 98/03/0112) - im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1991, Slg. Nr. 13.451/A, jedenfalls den Versuch unternommen, mit dem vom Beschwerdeführer (als Zulassungsbesitzer) namhaft gemachten Zeugen (als eine Person, "die sich ständig oder vorübergehend im Ausland aufhält") in Verbindung zu treten. Selbst wenn man der Auffassung des Beschwerdeführers folgt, dass das in Frage stehende Fax nicht von dem von ihm namhaft gemachten Zeugen stamme, so hätte das nur die Bedeutung, dass der Versuch einer Kontaktnahme als gescheitert angesehen werden müsste. Im Sinne des vorgenannten
hg. Erkenntnisses vom 4. Juni 1991 wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise zu erbringen.
Die Beschwerde war somit hinsichtlich des Spruchpunktes 3) des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 15. September 1999
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