VwGH 95/21/0878

VwGH95/21/087815.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. Mai 1995, Zl. Fr 4011/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §17 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §17 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 18. Mai 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 Fremdengesetz (FrG) ausgewiesen. Zugleich wurde der in der Berufungsschrift gestellte Antrag des Beschwerdeführers, gemäß § 54 FrG festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht sei, zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei ohne Reisepaß unter Umgehung der Grenzkontrolle über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist. Der von ihm am 7. November 1994 gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. November 1994 abgewiesen worden. Für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Barmittel. Der Beschwerdeführer halte sich im Bundesgebiet illegal auf. Er sei innerhalb eines Monates betreten und es sei ihm innerhalb dieser Frist der Bescheid der Behörde erster Instanz zugestellt worden. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben werde. Hinsichtlich des in der Berufungsschrift gestellten Antrages nach § 54 FrG komme der belangten Behörde vorerst keine Entscheidungskompetenz zu, weshalb dieser Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt den - zutreffenden - Ausführungen der belangten Behörde, daß er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und daß jedenfalls der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, nicht entgegen. Der Beschwerdeführer - der über ein Drittland nach Österreich eingereist ist - bestreitet auch nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß ihm keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukommt.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung in der Bundesrepublik Jugoslawien wäre aber ausschließlich für die Beurteilung der Frage von Bedeutung, ob ihm ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zusteht. Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. läßt keine Zweifel daran, daß dieser Ausweisungstatbestand in allen Fällen verwirklicht ist, in denen ein Fremder - aus welchem Motiv und mit welchem Ziel auch immer - unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt ist und im Zustand des unrechtmäßigen Aufenthaltes innerhalb eines Monates nach einer solchen Einreise entdeckt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0134). Konnte somit die belangte Behörde die verfügte Ausweisung zu Recht auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG stützen, kann es dahingestellt bleiben, ob auch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. erfüllt war.

Auch wenn bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG entgegen der Beschwerdeauffassung § 19 leg. cit. nicht zum Tragen kommt, ist der Beschwerde zuzugeben, daß der belangten Behörde bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG Ermessen eingeräumt ist. Die Ermessensübung der Behörde hat sich davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Lediglich in Fällen, in denen die öffentliche Ordnung nur ganz geringfügig berührt wird, wird im Lichte einer gesetzmäßigen Ermessensübung von der Erlassung einer Ausweisung abzusehen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0349).

Von einer derart geringfügigen Berührung der öffentlichen Ordnung kann im Beschwerdefall aber keine Rede sein. Vielmehr ist das Verhalten des Beschwerdeführers, der sich über maßgebende, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnde Vorschriften hinweggesetzt hat, als unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 17 Abs. 2 FrG zu qualifizieren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde vorliegend zu Recht den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht angesehen.

Das Hauptgewicht der Beschwerdeausführungen liegt aber ohnehin auf dem in der Berufungsschrift gestellten Antrag gemäß § 54 FrG, daß stichhaltige Gründe dafür vorlägen, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 leg. cit. bedroht sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen. Für die Lösung der Frage, inwieweit in einem Bescheid die Absicht bestanden hat, über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, ist nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Im Beschwerdefall bedeutet das, daß die belangte Behörde lediglich ihre Unzuständigkeit zu einer meritorischen Entscheidung über den im Berufungsschriftsatz gestellten Antrag des Beschwerdeführers ausgesprochen hat; dies zu Recht, weil der Antrag nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hatte und somit nicht "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG sein konnte. Wenn die belangte Behörde diesen Antrag mangels Zuständigkeit zurückwies und nicht von der ihr nach dem Gesetz (§ 6 Abs. 1 zweiter Satz AVG) gegebenen Möglichkeit, dieses Anbringen an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Beschwerdeführer an diese zu verweisen, Gebrauch machte, konnte der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinen Rechten verletzt werden, weil diese gesetzliche Regelung dem Einschreiter keinen Rechtsanspruch auf Weiterleitung oder Weiterverweisung einräumt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0579, mwN). Über einen bei der Behörde erster Instanz eingebrachten, in der Berufungsschrift enthalten gewesenen Antrag gemäß § 54 FrG hat diese ohnehin (noch) zu entscheiden.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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