VwGH 95/21/0265

VwGH95/21/026522.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des M in I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, 1. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 1. Februar 1995, Zl. 3e-FR-FW 1644, betreffend Abschiebungsaufschub, 2. gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 23. Jänner 1995, Zl. III 2-1/95, betreffend Aufenthaltsverbot,

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58;
VwRallg;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst:

Mit dem am 31. Jänner 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Imst eingelangten Antrag vom 30. Jänner 1995 begehrte der Beschwerdeführer die Gewährung eines Abschiebungsaufschubes.

Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 36 Abs. 2 FrG abgewiesen.

Gemäß § 36 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint.

Im vorliegenden Fall wurde im Antrag keine konkrete Zeit des Abschiebungsaufschubes angestrebt, sodaß von der gesetzlichen Höchstdauer, gerechnet ab dem Einlangen des Antrages bei der Behörde, auszugehen ist.

Da dieser Zeitraum bereits abgelaufen ist und sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführer durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht ändern würde, liegen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die vorliegende Beschwerde nicht vor, weshalb das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ohne Zuspruch von Aufwandersatz wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen war (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 17. April 1996, Zl. 95/21/0942).

Festgehalten wird, daß dieser Beschluß die Behörde weder von ihrer Verpflichtung entbindet, bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 36 Abs. 2 FrG von Amts wegen einen Abschiebungsaufschub zu erteilen, noch den Beschwerdeführer daran hindert, einen neuerlichen Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG zu stellen.

Zur Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol:

Mit diesem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.

In der Begründung ging die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) davon aus, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 18. Februar 1992 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 14b Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 2 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz mit einer Geldstrafe belegt worden sei, weil er sich seit seiner Einreise in das Bundesgebiet zur Arbeitsaufnahme am 12. Dezember 1991 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Am 21. Februar 1994 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG ebenfalls rechtskräftig bestraft worden; der Beschwerdeführer habe auf öffentlichen Verkehrsflächen ein Kraftfahrzeug gelenkt, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen behördlichen Lenkerberechtigung gewesen zu sein. Diese rechtskräftigen Bestrafungen erfüllten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. Dezember 1994 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB zu einer zweimonatigen (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe am 6. August 1994 in Innsbruck eine einem Landsmann weggenommene Goldkette in unbekanntem Werte sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern und diesen Landsmann durch Versetzen von Schlägen und Abreißen von Halsketten, was Prellungen im Gesichtsbereich sowie Abschürfungen im Halsbereich zufolge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt. Dieser Landsmann des Beschwerdeführers, ein Katholik, habe ein Lokal betreten, in welchem vorwiegend Moslems verkehrten. Daß dieser Landsmann ein Katholik sei, sei daran erkannt worden, daß er zwei Kettchen um den Hals trug, wobei bei einem ein Kreuz befestigt gewesen sei. Die übrigen Besucher hätten ihn sofort aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Dieser Landsmann sei dem nachgekommen, sei aber vom Beschwerdeführer und anderen Personen verfolgt worden. Vor dem Lokal sei es vorerst zu einer mündlichen Auseinandersetzung gekommen, die in Tätlichkeiten ausgeartet sei. In diesem Verlaufe habe der Beschwerdeführer, der Moslem sei, seinem Landsmann, vorerst ohne Bereicherungsabsicht die beiden Ketten vom Hals gerissen. Der Beschwerdeführer habe hiebei mit dem Vorsatz gehandelt, dem Landsmann die Ketten wegen des katholischen Symbols zu entreißen. Nachdem ihm dies gelungen sei, habe er eine der beiden Ketten, und zwar jene an der kein Kreuz befestigt gewesen sei, in Bereicherungsabsicht eingesteckt.

Das den rechtskräftigen Bestrafungen und der rechtskräftigen Verurteilung zugrundeliegende Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Das Aufenthaltsverbot stelle einen Eingriff in das Leben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten zulässig. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei angesichts des gewichtigen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen sowie daran, daß andere in ihrer körperlichen Unversehrtheit sowie an ihrem Vermögen nicht beeinträchtigt werden, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zur Verhinderung weiterer Straftaten des Beschwerdeführers im Inland und zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten.

Der Beschwerdeführer sei etwa drei Jahre - zum Großteil rechtmäßig - im Bundesgebiet aufhältig. Er arbeite hier als Kellner. Er lebe im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder und unterhalte ein intensives "mütterliches" Verhältnis zu seiner Wohnungsvermieterin. Andere Familienangehörige des Beschwerdeführers seien im Bundesgebiet nicht aufhältig. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.

Die belangte Behörde sei aufgrund des in Rede stehenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und angesichts der kurzen Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet der Auffassung, daß bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen der im Bescheid angeführten rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen, meint aber, daß diese nicht den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt die mehr als einmal erfolgte rechtskräftige Bestrafung wegen eines der im § 18 Abs. 2 Z. 2 genannten Gesetze jedenfalls den Tatbestand dieser Bestimmung. Eine Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz entspricht einer solchen nach dem Fremdengesetz (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0077).

Die Auffassung der belangten Behörde, daß die Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellt, entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0064). Die belangte Behörde ist daher zutreffend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ausgegangen.

§ 18 Abs. 1 FrG ordnet an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0282). Bei dieser Prüfung sind auch Tatbestände, denen nicht das Gewicht der in Abs. 2 aufgezählten zukommt, zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat daher zutreffend auch das der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegende strafbare Verhalten ihrer Beurteilung zugrundegelegt. Ihre Auffassung, daß das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zulässig, weil dringend geboten erscheinen läßt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß sein sozialschädliches Verhalten als geringfügig einzustufen sei, ist jedenfalls unzutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß vom Beschwerdeführer eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, weil er mit Gewalt gegen Personen mit anderem Religionsbekenntnis vorgeht.

Es bestehen aber auch keine Bedenken gegen das Ergebnis der Interessenabwägung im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG. Die belangte Behörde hat hiebei die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie die daraus und aus der von ihm behaupteten Erwerbstätigkeit abgeleitete Integration ebenso berücksichtigt, wie den Umstand, daß auch sein volljähriger Bruder mit ihm im gemeinsamen Haushalt in Österreich lebt. Auch die Beziehung zur Wohnungsvermieterin hat die belangte Behörde ausreichend berücksichtigt. Wenn die belangte Behörde die hier maßgebenden öffentlichen Interessen am Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Vermögens anderer für gewichtiger erachtete als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Soweit der Beschwerdeführer auf die Verhältnisse in Bosnien im Falle seiner Abschiebung hinweist, ist er darauf hinzuweisen, daß mit dem Aufenthaltsverbot lediglich das Verbot ausgesprochen wird, sich weiter im Bundesgebiet aufzuhalten. Allfällige Gefahren oder Bedrohungen des Beschwerdeführers im Ausland sind nicht Gegenstand des Aufenthaltsverbotsverfahrens, sondern eines gesonderten Verfahrens nach § 54 FrG.

Der Beschwerdeführer bezeichnet die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes als unangemessen lang. Die ihm zur Last gelegten sozialschädlichen Verhalten seien "mit Sicherheit" als geringfügig einzustufen.

Auch damit kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde darin eine Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre, wenn sie davon ausging, daß ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Ablauf der festgesetzten Frist vorhersehbarerweise nicht anzunehmen sei (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bemessung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes etwa das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539).

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 FrG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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