VwGH 95/19/1955

VwGH95/19/195525.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1995, Zl. 304.204/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs3;
MRK Art8;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs3;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 29. Juni 1995 die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er sowohl die Ausübung der SELBSTÄNDIGEN TÄTIGKEIT ALS STEINMETZ und die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit der Ehegattin an. Letztere umschrieb er unter der Rubrik "Privater, genau zu beschreibender Aufenthaltszweck" näher damit, daß er sich in einer Mischehe befinde und auch keinen anderen Ausweg sehe, weil in seiner Heimat Krieg sei. Seine Ehegattin beziehe von der Bosnienhilfe Geld in Höhe von S 4.500,--. Für den Beschwerdeführer garantiere sein Onkel für den Unterhalt, wobei der Beschwerdeführer eine Monatsleistung von S 5.000,-- angab. Der Beschwerdeführer gab kein Bestehen einer Krankenversicherung an. Er verfügte über gewöhnliche Sichtvermerke für die Zeiträume 30. März 1992 bis 12. August 1992 und 21. August 1992 bis 12. Februar 1993 sowie über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck selbständiger Erwerbstätigkeit mit Gültigkeit vom 13. August 1993 bis 13. August 1995. Dem Antrag beigelegt war die Verpflichtungserklärung des J vom 22. Juni 1995 und eine Bestätigung über dessen Nettomonatslohn von S 14.326,--. Des weiteren findet sich eine Zahlungsvereinbarung mit der Wiener Gebietskrankenkasse aufgrund mehrerer Haftungsbescheide gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Höhe von zusammen ca. S 137.000,--. Aufgrund der Zahlungsvereinbarung vereinbarte der Beschwerdeführer eine Zahlung von monatlichen Raten von je S 3.000,-- an die Wiener Gebietskrankenkasse, beginnend mit 23. Dezember 1994. Die Zahlungsvereinbarung wurde am 18. Mai 1995 um weitere sechs Monate verlängert.

Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde am 21. Juli 1995 erklärte der Beschwerdeführer, er sei seit 1990 in Österreich und habe ca. ein Jahr als Geschäftsführer im "Cafe S" gearbeitet, welches in Konkurs gegangen sei. Seine Frau sei im Jahre 1992 nach Österreich gekommen. Sie habe nie hier gearbeitet. Jetzt besitze sie einen "§ 12-Stempel (Flüchtlingsvisum)", weil sie Bosnierin sei. Der Beschwerdeführer komme auch aus Bosnien, besitze aber einen jugoslawischen Paß.

Anläßlich der weiteren niederschriftlichen Einvernahme vom 18. August 1995 gab der Beschwerdeführer an, daß er nach Ende seiner Tätigkeit im "Cafe S" überhaupt nicht mehr arbeite. Er habe einmal um Arbeitsbewilligung angesucht, der Antrag sei abgelehnt worden. Er bekomme während der Zeit, in der er nicht arbeite, ca. S 5.000,-- monatlich von seinem Cousin J. Er habe noch offene Schulden bei der Wiener Gebietskrankenkasse, die teilweise sein Schwiegervater und teilweise der Verpflichtete J bezahlten. J sei geschieden und beziehe ca. S 15.000,--. Eines seiner Kinder sei bei seiner Ex-Frau und das andere Kind sei verheiratet. Er zahle die Miete. Der Schwiegervater des Beschwerdeführers arbeite, der Beschwerdeführer wisse aber nicht, wo. Dessen Frau sei in Bosnien. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob er noch versichert sei.

Die erstinstanzliche Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf § 5 Abs. 2 AufG ab, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, eine Beschäftigung als Steinmetz anzustreben, das zuständige Arbeitsmarktservice Wien aber auf Anfrage mitgeteilt habe, daß die Unbedenklichkeit für diese Berufsgruppe nicht bestätigt werde.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er lebe seit fünf Jahren in Österreich, seine letzte Aufenthaltsbewilligung sei bis 13. August 1995 mit dem Zweck selbständiger Erwerbstätigkeit gültig gewesen. Als er den gegenständlichen Antrag ausgefüllt habe, habe er angeführt, eine Beschäftigung als Steinmetz anzustreben. Es sei ihm bewußt gewesen, daß eine solche nur dann möglich sei, wenn auch eine Bestätigung bzw. Bewilligung des Arbeitsmarktservice vorhanden sei. Er habe damit nicht den Antrag mit dem Zweck unselbständiger Erwerbstätigkeit abgeben wollen. Es wäre ihm leicht möglich gewesen, den Aufenthaltszweck auf "selbständige Erwerbstätigkeit" abzuändern.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß der Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, weil die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bedenken gegen die Aufnahme der vom Beschwerdeführer angegebenen Tätigkeit angemeldet habe. Selbst für den Fall, daß der Beschwerdeführer wieder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen wolle, müßte vorerst vom Arbeitsamt geklärt werden, ob sie eine Beschäftigungsbewilligung benötige. Sein Unterhalt solle allein durch Herrn J, der eine Verpflichtungserklärung für den Beschwerdeführer abgegeben habe, bestritten werden. Eine solche Finanzierung seines Aufenthaltes durch Dritte ohne Gegenleistung sei aber nicht glaubwürdig und auch nicht geeignet, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten.

Weiters dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfüge. Der Beschwerdeführer weise keine eigenen Mittel zur Sicherung seines Unterhaltes vor und wisse nicht, ob er noch versichert sei.

Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK, die öffentlichen Interessen überwögen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 AufG ist im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht erwähnt. Im Hinblick darauf und nach dem Aufbau der Begründung des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde keine eigenständige Ermessensentscheidung getroffen, sondern sich ausschließlich auf § 5 Abs. 1 AufG gestützt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0765).

Gleiches gilt für die Hinweise der belangten Behörde auf die Bedenken der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.

Mit der Berufung stellt der Beschwerdeführer lediglich klar, daß er mit seinem Antrag eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "selbständige Erwerbstätigkeit" anstrebe. Es liegt daher keine gemäß § 6 Abs. 1 AufG unzulässige Änderung des Aufenthaltszweckes vor.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in Ansehung des nicht gesichert erscheinenden Lebensunterhaltes in allen entscheidungserheblichen Umständen jenem, welcher dem hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, zugrundelag. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber auch auf § 5 Abs. 1 AufG gestützt, weil beim Beschwerdeführer der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall FrG vorliege.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) darzutun und glaubhaft zu machen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt; Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Verpflichtung zur Glaubhaftmachung entsprechend zu handeln, sind demnach ebensowenig geboten wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen. Von den diesbezüglichen Angaben des Fremden in seinem Bewilligungsantrag kann die Berufungsbehörde selbst dann ausgehen, wenn sie erstmals den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 erster Fall FrG heranzieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137). Diese zum ersten Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG entwickelte Rechtsprechung hat zufolge der Gleichartigkeit der für diese Bestimmungen maßgebenden Interessenslage auch für seinen zweiten Tatbestand zu gelten. Die belangte Behörde war demnach nicht gehalten, den Beschwerdeführer, der in seinem Antrag auf die diesbezügliche Frage nicht angab, über eine für die Dauer des Aufenthaltes alle Risken abdeckende Krankenversicherung zu verfügen, und der anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 18. August 1995 angab, er wisse nicht, ob er noch versichert sei, von sich aus zum Nachweis des Abschlusses einer Krankenversicherung aufzufordern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zlen. 95/19/0617, 0618).

§ 5 Abs. 1 AufG schließt die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall FrG bildet es einen Sichtvermerksversagungsgrund, wenn der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt. Gemäß § 10 Abs. 3 FrG kann die Behörde einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes (unter anderem) gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG einen Sichtvermerk in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen (Z. 1) oder dann erteilen, wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint (Z. 2).

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, den vom § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG geforderten Krankenversicherungsschutz zu besitzen. Daher ist zu prüfen, ob die belangte Behörde aufgrund der im Akt erliegenden Verpflichtungserklärung im Sinne der zitierten Bestimmung einen Sichtvermerk hätte erteilen können. Denn die Verpflichtungserklärung des J beinhaltet auch dessen Verpflichtung, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgehe - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen. In der Verpflichtungserklärung ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit beispielsweise auch "Kosten für Fürsorgeleistungen und Aufwendungen für medizinische Betreuung" erfaßt sind.

Aus der im Akt befindlichen Einkommensbestätigung des Verpflichteten J ergibt sich, daß dieser einen monatlichen Nettolohn von S 14.326,-- beziehe. Aus der Niederschrift, aufgenommen mit dem Beschwerdeführer, vom 18. August 1995 ist zu ersehen, daß die monatlichen Ratenzahlungen des Beschwerdeführers aufgrund seiner Schulden bei der Gebietskrankenkasse (Monatsrate in Höhe von S 3.000,--) "teilweise sein Schwiegervater und teilweise der Verpflichte, J, bezahle". Des weiteren sei J geschieden. Ein Kind lebe bei seiner "Exfrau" und das andere Kind sei verheiratet. Die Miete zahle J.

Angesichts dieser Umstände ist offenkundig, daß das Einkommen des Verpflichteten J nicht geeignet ist, das Risiko des Entstehens hoher Heilungs- und Pflegekosten im Falle einer gravierenden Erkrankung abzudecken bzw. den in § 10 Abs. 3 FrG genannten Rechtsträgern rückzuerstatten. Das Einkommen des J ermöglichte es ihm auch nicht, ins Gewicht fallende Kreditmittel zur Deckung eines diesbezüglichen Bedarfes aufzunehmen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG für die Erteilung einer Bewilligung ungeachtet des Vorliegens des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sind daher im gegenständlichen Fall nicht gegeben (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. März 1997). Für die Anwendung des § 10 Abs. 3 Z. 1 FrG findet sich im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt.

Im Hinblick auf den nicht besonders langen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers (erster Sichtvermerk mit Beginn 30. März 1992, zudem kein Sichtvermerk zwischen 12. Februar 1993 bis 13. August 1993) in Österreich teilt der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde, daß das durch das Fehlen einer Krankenversicherung tangierte wirtschaftliche Wohl des Landes, aber auch die Gesundheit anderer, den Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers (Zusammenleben mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern im Bundesgebiet) durch die Versagung der Bewilligung rechtfertigen. In Ansehung von Fremden, die über keine Krankenversicherung verfügen, obwohl sie oder die sich für sie verpflichtenden Angehörigen oder sonstigen Personen ausreichende Mittel besitzen, um eine solche abzuschließen (nicht aber, um das unversicherte Risiko im Krankheitsfall zu tragen), liegt ein zulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben iSd Art. 8 MRK vor, weil in einem solchen Fall eine gravierende Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, aber auch der Gesundheit anderer, droht (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis vom 24. März 1997, mwN.).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte