Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §4;
AVG §58 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §4;
AVG §58 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres 1. vom 21. Dezember 1994 und 2. vom 23. März 1995 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer, Staatsangehörige von Ägypten, die am 18. September 1994 in das Bundesgebiet eingereist sind und am 20. September 1994 den Asylantrag gestellt haben, gegen die den Asylantrag abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes
1. vom 20. Oktober 1994 und 2. vom 16. Jänner 1995 abgewiesen.
Die Beschwerdeführer hatten im schriftlichen Asylantrag vom 20. September 1994 angegeben: Sie seien ursprünglich moslemischen Glaubens gewesen, jedoch vor längerer Zeit der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas beigetreten. Der Erstbeschwerdeführer übe diesen Glauben seit dem 6. Juni 1979 aus, die Zweitbeschwerdeführerin seit 22. Februar 1982, auch die Kinder erzögen sie entsprechend dieser Glaubensgemeinschaft. Die Situation der Zeugen Jehovas, die früher moslemischen Glaubens gewesen seien, sei in Ägypten problematisch. Da mehrere Angehörige ihrer Familie den Zeugen Jehovas beigetreten seien, sei es bereits in der Vergangenheit zu Verfolgungshandlungen gekommen.
Im Jahr 1986 seien der Bruder, der Cousin des Erstbeschwerdeführers und Herr X verhaftet worden, da diese Zeugen Jehovas gewesen seien. Seit mehr als einem Jahr habe sich die Situation in der Heimat beträchtlich verschlimmert, da die radikale "islamische Bruderschaft" erheblich an Einfluß gewonnen habe. Im Juli 1993 sei ein Hetzartikel in der arabischen Zeitung "Die letzte Stunde" erschienen.
Am 3. Juli 1994 sei der Bruder des Erstbeschwerdeführers gemeinsam mit einer weiteren Person ohne jedes gerichtliche Urteil oder einer schriftlichen Verständigung verhaftet worden. Daraufhin hätten die Beschwerdeführer die Wohnung verlassen und sich versteckt. Unmittelbar darauf sei die Wohnung aufgebrochen, durchsucht und die gesamte Literatur und persönliche Gegenstände beschlagnahmt worden. Die Wohnung würde ständig überwacht, sodaß die Schwägerin beim Betreten der Wohnung verhaftet und am 5. Juli 1994 von der Polizei verhört worden sei. Sie sei erst wieder freigelassen worden, nachdem sie unterschrieben habe, daß sie nicht der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehöre; tatsächlich sei sie moslemischen Glaubens.
Seit einigen Monaten sei intensiv nach den Beschwerdeführern gesucht worden, wobei auch die Nachbarn, sowie die Arbeitskollegen und Verwandte in diese Suche miteinbezogen worden seien. Die hauptsächliche Gefahr gehe in der letzten Zeit nicht vom ägyptischen Staat aus, sondern von der radikalen Moslems-Bruderschaft. Da der Abfall vom Glauben nach Ansicht dieser radikalen Fanatiker mit dem Tod zu bestrafen sei, hätten die Beschwerdeführer jederzeit mit ihrer Ermordung rechnen müssen. Der Bruder des Erstbeschwerdeführers sei im Gefängnis von radikalen Moslems bedroht worden, welche über ihn das Todesurteil verhängt hätten, weshalb er in eine Einzelzelle gebracht worden sei, um sein Leben zu schützen. Das Geschäft des Erstbeschwerdeführers, welches er mit mehreren moslemischen Partnern geführt habe, sei von radikalen Moslems geplündert und zerstört worden.
Ein besonderes Problem sei, daß die beiden Kinder in der Schule heftig verfolgt würden. Dort überprüfe man, ob sie das rituelle islamische Fasten einhielten. Zuletzt seien die Kinder geschlagen worden, da sie sich geweigert hätten, den Koran auswendig zu lernen und die Moschee zu besuchen. Die Kinder seien auch weiterhin dieser unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Familienmitglieder hätten sowohl in Deutschland als auch in Kanada politisches Asyl erlangt, da die Verfolgungssituation evident sei. Die Ausreise sei geglückt, weil im Hinblick auf die Bevölkerungskonferenz in Kairo ein "Chaos" geherrscht habe und die Beschwerdeführer Zuwendungen an hohe Behördenvertreter geleistet hätten. Sie seien am 18. September 1994 auf dem Luftweg nach Österreich gekommen.
Zum Beweis boten die Beschwerdeführer ihre eigene Einvernahme, die Einvernahme zweier in Wien lebender Zeugen an und schlossen Urkunden und Zeitungsartikel dem Asylantrag bei.
Der ERSTBESCHWERDEFÜHRER gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. Oktober 1994 an:
Er gehöre seit 1979 der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Er habe für die Zeugen Jehovas gemäß dem Auftrag Gottes den Inhalt der Bibel verkündet. Dazu habe er mehrere Leute und Bekannte angesprochen und diesen den Glauben dargelegt. Ursprünglich habe er ohne Probleme mit den Moslems leben können. Mit der Zeit hätten jedoch staatliche Stellen, wie der Staatssicherheitsdienst und die Polizei begonnen, Mitglieder seines Glaubens zu verfolgen. Damit meine er, daß solche staatlichen Stellen von islamischen Fundamentalisten unterwandert worden seien, welche die Verfolgungshandlungen setzten. 1985 seien sein Bruder und ein Großteil seiner Familie wegen des Übertrittes zu den Zeugen Jehovas festgenommen und nach einem Tag wieder freigelassen worden. Er sei am 2. Jänner 1990 zur Polizei vorgeladen worden, sei der Ladung aber nicht nachgekommen, da ihm bekannt sei, daß unter Umständen bei den Verhören Gewalt angewendet würde. In der Folge habe er dreimal den Wohnsitz gewechselt.
Durch den Religionswechsel habe er an seinem Arbeitsplatz Schwierigkeiten bekommen. Da er nicht mehr an den religiösen Handlungen und Bräuchen teilgenommen habe, habe man ihn beschimpft und geschmäht. Er habe jedoch nicht zugeben können, kein Moslem mehr zu sein, denn für den Religionswechsel drohe in Ägypten die Todesstrafe. Als Beweis verwies der Erstbeschwerdeführer auf zwei vorgelegte Zeitungsausschnitte aus dem Jahre 1991 bzw. 1993. Darin sei angeführt, daß die Zeugen Jehovas verboten seien und deren Besitz beschlagnahmt werden solle. Im Artikel vom Juli 1993 sei angeführt, daß die Sicherheitsbehörden mit der Überwachung der Aktivitäten der Zeugen Jehovas begonnen hätten und die Anführer inhaftiert seien.
Am 3. Juli 1994 sei sein Bruder von radikalen Moslems, welche die Polizei unterwandert hätten, ohne richterlichen Befehl verhaftet worden. Obwohl er zweimal von der Anklage des Religionswechsels freigesprochen worden sei, hätten ihn die zutändigen Polizeistellen nicht enthaftet. Sie hätten von ihm das Bekenntnis zum Islam verlangt, was er aufgrund seines Gewissens nicht habe leisten können. Laut Verfassung bestehe Religionsfreiheit in Ägypten, nur der Islam sehe für den Religionswechsel den Tod vor. Im Gefängnis sei sein Bruder von radikalen moslemischen Mithäftlingen nach Bekanntwerden seines Religionswechsels in einer Art selbst inszenierter Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt worden. Der Gefängnisdirektor habe deshalb die Verlegung des Bruders des Erstbeschwerdeführers in eine Einzelzelle veranlaßt.
Nach der Verhaftung des Bruders sei der Garagenmeister des Wohnhauses des Erstbeschwerdeführers beauftragt worden, sofort Meldung zu erstatten, wenn sich ein Familienmitglied dem Hause nähere. Seine Familie habe die Wohnung verlassen und in der Folge bis zur Ausreise dreimal den Aufenthaltsort gewechselt. Seine Wohnung sei tatsächlich aufgebrochen und durchsucht worden.
Ein weiteres Problem sei die Diskriminierung seiner beiden Töchter in der Schule, die sich nicht zu ihrem Glauben bekennen könnten. Beide würden nicht den Koran lernen und auch nicht das islamische Fasten einhalten. Die Diskriminierung ginge von den Lehrern aus.
Am 3. Juli 1994 sei seine Schwägerin beim Betreten seiner Wohnung verhaftet worden. Sie sei von der Polizei verhört worden und habe unterschreiben müssen, daß sie keine Zeugin Jehovas, sondern Moslemin sei.
Drei oder vier Wochen vor der Ausreise sei sein Geschäft von den Fundamentalisten zerstört worden, bis dahin habe er gearbeitet. Seine Frau habe bis eine Woche vor der Ausreise gearbeitet. Einmal sei von der Polizei an ihrem Arbeitsplatz nachgefragt worden, gerade zu einem Zeitpunkt, an dem sie Formalitäten für ihre Kündigung erledigt habe. Warum nicht auch an der Arbeitsstelle des Erstbeschwerdeführers gefahndet worden sei, erkläre er damit, daß sein Bruder im Rahmen einer offiziellen Polizeiaktion am 3. Juli 1994 festgenommen worden sei. In einem solchen Fall würden auch die Familienmitglieder von der Polizei ausgeforscht und befragt werden. Sein Arbeitsplatz sei aber erst drei oder vier Wochen vor seiner Ausreise bekannt geworden.
Seine Ausreise habe im "Chaos" anläßlich der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo stattgefunden. Er habe mit einem Bekannten, einem pensionierten Beamten der Paßkontrolle des Flughafens Kontakt aufgenommen und diesem 2.000 ägyptische Pfund zwecks Ermöglichung der Ausreise bezahlt. Dieser habe dafür gesorgt, daß die Reisepässe nicht durch die offizielle Paßkontrolle gelangten. Es sei dies eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, es sei dem Erstbeschwerdeführer nicht bekannt, ob er auf einer Fahnungsliste aufscheine.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag ab, wobei es ausführte, daß dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers "volle Glaubwürdigkeit nicht zuerkannt werden" könne. Das Bundesasylamt begründete jedoch nicht näher, welchen Teilen des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zukomme. Des weiteren führte das Bundesasylamt aus, daß nach Art. 46 der ägyptischen Verfassung die Religionsfreiheit geschützt sei, wenn auch der Islam Staatsreligion sei. Den anderen Religionen sei jedoch das Missionieren verboten. Ägypten gehe mit allen Mitteln gegen die islamischen Fundamentalisten vor und es könne von einer Unterwanderung der Polizei durch diese nicht gesprochen werden, was internationalen Presseberichten zu entnehmen sei. Das Bundesasylamt gelangte zum Schluß, daß der Erstbeschwerdeführer in seinem Heimatland nicht aus einem der in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründe Verfolgung ausgesetzt war oder solche zu befürchten gehabt bzw. derzeit bei einer allfälligen Rückkehr zu gewärtigen habe.
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Erstbeschwerdeführer die Unvollständigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, mangelndes Parteiengehör und die Wertung von Teilen seiner Aussagen als unglaubwürdig, obwohl die beantragten Zeugen nicht einvernommen worden seien; darin liege eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. In inhaltlicher Sicht wendete sich der Erstbeschwerdeführer gegen unrichtige Tatsachenfeststellungen, welche zudem den von ihm vorgelegten Pressemeldungen widersprächen. Insbesondere seien die Behörden des Heimatstaates nicht in der Lage, einen genügenden Schutz vor der drohenden Verfolgung durch islamische Fundamentalisten zu bieten. Die weiteren Ausführungen bekämpfen die rechtliche Würdigung der Erstbehörde.
Die belangte Behörde erließ darauf den nunmehr angefochtenen Bescheid. Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Vorbringens des Erstbeschwerdeführers, seiner Berufung und einleitenden Rechtsausführungen begründete die belangte Behörde, daß die behaupteten Verfahrensmängel nicht vorlägen, weil die Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz durch die mit der Berufung gegebenen Möglichkeit der Stellungnahme saniert werde, wenn der Partei durch den erstinstanzlichen Bescheid das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Unterlassung der Einvernahme der beantragten Zeugen sei deshalb nicht notwendig, weil durch § 3 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eindeutig klargestellt sei, daß die Bescheinigung (Glaubhaftmachung) genüge, und daß es keines förmlichen Beweises bedürfe. Zudem sei von der Befolgung des Beweisantrages durch das Bundesasylamt kein im wesentlichen anders lautender Bescheidspruch zu erwarten gewesen.
In der weiteren Begründung ging die belangte Behörde zunächst anscheinend von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers aus und leitete auch daraus ab, daß die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliege.
Der Erstbeschwerdeführer habe betont, daß die hauptsächliche Gefahr nicht vom ägyptischen Staat, sondern von der radikalen Moslems-Bruderschaft ausgehe. Die von den durch islamische Fundamentalisten unterwanderten staatlichen Stellen des Heimatlandes, wie dem Staatssicherheitsdienst und der Polizei ausgehenden Verfolgungshandlungen seien keine asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung, da "derartige Übergriffe selbständige Handlungen von Einzelpersonen" seien, welche sich "nicht als vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen erweisen, auch wenn sie von staatlichen Organen gesetzt werden". Ereignisse, welche Familienangehörige beträfen, seien nicht zu berücksichtigen. Individuelle Verfolgungshandlungen seitens des ägyptischen Staates seien dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Eine Beschimpfung und Schmähung am Arbeitsplatz stelle keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Dies gelte auch für eine Vorladung zur Polizei für den 2. Jänner 1990, zudem handle es sich um einen Umstand, der längere Zeit vor der Ausreise zurückgelegen sei.
Die bloße Mitgliedschaft zu einer religiösen Minderheit ALLEIN sei noch kein Grund für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Was die angebliche Durchsuchung der Wohnung und Beschlagnahme der persönlichen Sachen betreffe, behaupte dies der Erstbeschwerdeführer, ohne konkrete oder detaillierte Angaben zu diesen Vorfällen zu machen. Er habe nicht glaubhaft darlegen können, daß es sich hiebei um polizeiliches Vorgehen gehandelt haben solle. Zudem stellten Hausdurchsuchungen, wie auch Verhöre oder Befragungen ALLEIN noch keine Verfolgungshandlungen dar. Die "angebliche Plünderung" des Geschäftes sei "offensichtlich" nicht von staatlichen Organen erfolgt.
Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers, er habe nach der Verhaftung seines Bruders am 3. Juli 1994 sofort seine Wohnung verlassen und dreimal den Aufenthaltsort gewechselt, hingegen bis zu der drei bis vier Wochen vor seiner Ausreise erfolgten Plünderung seines Geschäftes (Ausreise erfolgte am 18. September 1994) in diesem gearbeitet, leite sich die Unglaubwürdigkeit der Behauptung ab, daß ein Interesse an seiner Person bestanden habe. Denn ansonsten hätte man nach dem Erstbeschwerdeführer an seinem Arbeitsplatz gesucht, an welchem er tätig gewesen sei.
Die belangte Behörde resümierte, es liege keine konkret gegen die Person des Erstbeschwerdeführers gerichtete Verfolgungshandlung seitens des ägyptischen Staates vor, noch liege der Fall vor, daß sein Heimatstaat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten, zumal seinem Vorbringen nicht zu entnehmen sei, daß er überhaupt den Versuch unternommen habe, Hilfe und Schutz von staatlichen Stellen zu erhalten. Dem Erstbeschwerdeführer käme die Flüchtlingseigenschaft nicht zu, weshalb die Asylgewährung zwingend ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der mit Beschluß vom 27. Februar 1995, B 364/95-3, deren Behandlung ablehnte und sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN gab in der Einvernahme zwecks Ergänzung ihres schriftlichen Asylantrages vor dem Bundeasylamt an, sie stelle den Antrag, im Asylverfahren gleich wie ihr Gatte behandelt zu werden. Ihr Vertreter habe für sie einen eigenen Antrag gestellt. Sie habe "keine anderen Fluchtgründe" als ihr Gatte anzugeben.
Das Bundesasylamt wies daraufhin den "Antrag auf Gewährung von Asyl vom 20.9.1994" gemäß § 4 Asylgesetz 1991 ab. In der Begründung deutete die Erstbehörde den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin als Antrag auf Ausdehnung von Asyl gemäß § 4 Asylgesetz 1991. Da ihrem Ehegatten kein Asyl gewährt worden sei, könne auch ihrem Antrag nicht stattgegeben werden. In diesen Bescheid wurden die beiden minderjährigen Kinder miteinbezogen.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete sich die Zweitbeschwerdeführerin gegen die Umdeutung ihres eigenständigen Asylantrages in einen Antrag auf Ausdehnung von Asyl. Des weiteren wurden Verfahrensmängel gerügt, weil sich die Erstbehörde nicht mit den eigenen Fluchtgründen der Zweitbeschwerdeführerin auseinandergesetzt habe und diesbezüglich keine Ermittlungen angestellt habe.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, wobei sie sich neuerlich im wesentlichen darauf stützte, daß der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin samt der beiden minderjährigen Kinder als Antrag auf Ausdehnung von Asyl gemäß § 4 Asylgesetz 1991 anzusehen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht. Es ist nicht notwendig, daß gegen diese Person schon tatsächlich Verfolgungshandlungen gesetzt wurden. Die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung stellt dem Wesen nach eine Prognose dar, eine bereits erlittene Verfolgung mag im Einzelfall ein wesentliches Indiz für eine drohende Verfolgung sein.
Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes. Eine Verfolgung ist dem Heimatstaat sowohl zuzurechnen, wenn sie von seinen Organen direkt gesetzt wird, als auch dann, wenn der Heimatstaat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/01/1197, zum diesbezüglich gleichen Inhalt des § 1 AsylG (1968)). Die jeweilige konkrete Situation eines Asylwerbers, die Anlaß zur Flucht war, ist einer Gesamtschau zu unterziehen; die Einzelbeurteilung von letztlich in möglicherweise asylrelevantem Zusammenhang stehenden Einzelvorkommnissen ist abzulehnen. Die Verfolgung von Familienangehörigen als ausschließlicher Fluchtgrund reicht nicht zur Anerkennung als Flüchtling, kann aber im Zuge der Gesamtschau als Indiz für eine dem Asylwerber drohende individuelle konkrete Verfolgung von Bedeutung sein.
1. Zum Erstbeschwerdeführer:
Der Erstbeschwerdeführer hat sowohl in seinem schriftlichen Asylantrag als auch im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme religiös bedingte Furcht vor Verfolgung behauptet. Er hat als ihn konkret betreffende Ereignisse eine Vorladung im Jahre 1990, die im Anschluß an die Verhaftung seines Bruders erfolgte Durchsuchung seiner Wohnung samt Beschlagnahme von Literatur- und persönlichen Gegenständen, die seit einigen Monaten andauernde Suche nach ihm und die Plünderung seines Geschäftes angegeben. Im Zuge einer Gesamtschau ist nicht auszuschließen, daß diese Umstände zusammen mit den übrigen, nicht dem Erstbeschwerdeführer unmittelbar drohenden Verfolgungen (insbesondere die Haft seines Bruders und die während der Haft drohende Ermordung) insgesamt asylrechtliche Relevanz erreichen.
Die belangte Behörde hat sich jedoch mit einer Einzelbeurteilung von in möglicherweise asylrelevantem Zusammenhang stehenden Einzelvorkommnissen begnügt, weshalb sie den angefochtenen Bescheid bereits deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1995, Zl. 95/20/0380, ua).
Darüber hinaus hat die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer in einem Punkt die Glaubwürdigkeit versagt, ohne die vom Erstbeschwerdeführer hiezu zur Beweisführung angebotenen Zeugen, deren Wiener Adresse er bekanntgegeben hat, zu hören. In diesem Zusammenhang ist die Begründung der belangten Behörde, daß die Zeugeneinvernahme unterbleiben habe können, weil die "Bescheinigung (Glaubhaftmachung)" genüge und es keines förmlichen Beweises bedürfe, nicht nachvollziehbar, hat doch die belangte Behörde Teilen der Angaben des Erstbeschwerdeführers ausdrücklich die Glaubwürdigkeit versagt. Die Ansicht der belangten Behörde, durch Befolgung des Beweisantrages sei kein "im wesentlichen anders lautender Bescheidspruch zu erwarten" gewesen, stellt eine unzulässige vorweggreifende Beweiswürdigung dar.
Des weiteren belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, als sie Übergriffe des - nach den Angaben des Beschwerdeführers - von islamischen Fundamentalisten unterwanderten Staatssicherheitsdienstes und der Polizei als "selbständige Handlungen von Einzelpersonen" ansieht. Denn letztlich mündet jedes staatliche Handeln im Handeln von Einzelpersonen, welches dem Staat nur dann nicht zurechenbar wäre, wenn er solche Übergriffe als rechtswidrig ansehe und effiziente Maßnahmen zur Verhinderung solcher Übergriffe durchführte. Daß dies im konkreten Fall aber nicht geschehen ist, legt der Erstbeschwerdeführer deutlich dar, indem er darauf hinweist, daß sein Bruder trotz Freispruches nicht freigelassen worden sei. Der belangten Behörde kann auch nicht gefolgt werden, als sie die mittelbare staatliche Verfolgung mit dem Argument verneint, daß der Erstbeschwerdeführer nicht behauptet habe, den Versuch unternommen zu haben, Hilfe und Schutz von staatlichen Stellen zu erhalten. Denn der Erstbeschwerdeführer hat in hinreichend deutlicher Weise dargetan, daß die Verfolgung von Angehörigen der Zeugen Jehovas, welche - wie der Erstbeschwerdeführer auch von sich behauptet - für die Verbreitung ihres Glaubens eingetreten sind, auch direkt von staatlichen Behörden ausgehe (was insbesondere durch den vom Bundesasylamt angeführten Artikel 46 der ägyptischen Verfassung, nach welchen anderen Religionen das Missionieren verboten sei, selbst bei Außerachtlassung der vorgebrachten Unterwanderung der staatlichen Stellen durch islamische Fundamentalisten verständlich wäre). Bei dieser Ausgangslage ist es dem Erstbeschwerdeführer unzumutbar, Schutz vor drohender Verfolgung durch islamische Fundamentalisten, welche sich nicht bereits in staatlichen Behörden befinden, bei staatlichen Behörden zu suchen, von denen auch die Gefahr einer Verfolgung droht.
2. Zur Zweitbeschwerdeführerin:
Die Zweitbeschwerdeführerin hat in dem gemeinsam mit ihrem Gatten und den Kindern gestellten Asylantrag vom 20. September 1994 eigene Fluchtgründe behauptet. Diese Gründe decken sich über weite Teile mit den Fluchtgründen ihres Ehegatten.
Aus ihrer Angabe anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, sie wolle gleich wie ihr Gatte behandelt werden, sie habe keine anderen Fluchtgründe als ihr Gatte anzugeben, ist daher keineswegs der Schluß zulässig, sie habe ihren Antrag auf Asylgewährung durch diese Niederschrift auf einen Antrag auf Ausdehnung von Asyl gemäß § 4 Asylgesetz 1991 umgewandelt. Denn auch in ihrem unzweifelhaft gemäß § 3 Asylgesetz 1991 gestellten eigenständigen Asylantrag vom 20. September 1994 sind eigene Fluchtgründe enthalten.
Aus dem Inhalt der Niederschrift etwaig hervorkommende Zweifel am Parteiwillen berechtigten die belangte Behörde nicht zur Umdeutung des Antrages vom 20. September 1994. Diesfalls hätte sie den wahren Parteiwillen zu erforschen gehabt. Was allerdings von der Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich gewollt war, hat sie spätestens mit der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes klar dargetan. Eine "Umdeutung" eines Asylantrages gemäß § 1 Z. 1 und § 3 AsylG 1991 in einen sogenannten "Ausdehnungsantrag" gemäß § 94 AsylG 1991 ist unzulässig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zlen. 95/20/0087-0089). Daß die belangte Behörde trotz einer keinesfalls eindeutigen Ausgangslage im angefochtenen Bescheid darauf beharrte, es habe sich um einen Ausdehnungsantrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gehandelt, belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Bezüglich der im angefochtenen Bescheid angeführten minderjährigen Kinder finden sich keine eigenständigen Ausführungen, weshalb es sich um keinen vom Bescheid der Mutter trennbaren Ausspruch der Behörde handelt.
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich (beim Erstbeschwerdeführer im Umfang des gestellten Begehrens) auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin war abzuweisen, weil die Vorlage des angefochtenen Bescheides zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur in einfacher Ausfertigung notwendig war.
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