Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 30. November 1994 hatte der Landeshauptmann von Niederösterreich spruchgemäß den vom Beschwerdeführer am 25. Mai 1994 gestellten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 6 Abs. 2 dieses Gesetzes idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 "zurückgewiesen" und diese Entscheidung damit begründet, daß nach dieser Bestimmung Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung - die vom Inland aus gestellt werden könnten - den aufrechten Bestand einer gültigen Bewilligung voraussetzten. Da im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Bewilligung aufrecht gewesen wäre, hätte der Beschwerdeführer seinen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vom Ausland aus zu stellen gehabt.
2. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 3. März 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG ab.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden dürfe, wenn der Unterhalt des Bewilligungswerbers für die Dauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Der Beschwerdeführer habe zwar in seinem Antrag angegeben, eine monatliche Pension in der Höhe von
S 8.700,-- zu beziehen, jedoch durch die Vorlage des Pensionsversicherungsbescheides lediglich eine Nettopension von monatlich S 4.749,10 belegen können. Von diesem Betrag sei noch die monatliche Miete in der Höhe von S 1.860,-- abzuziehen. Mit dem verbleibenden monatlichen Einkommen sei jedoch der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und seiner Gattin nicht gesichert, sodaß eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden könne.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß die belangte Behörde über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht meritorisch hätte absprechen dürfen, weil die Erstbehörde lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen habe. Gegenstand der Berufungsentscheidung hätte allein die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages seitens der Erstinstanz sein dürfen.
2.1. Es trifft zu, daß in Fällen, in denen die Unterbehörde lediglich über eine formalrechtliche Frage abgesprochen hat, die Berufungsbehörde nicht unter Übergehung der Unterbehörde über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens zu entscheiden befugt ist; Sache der Berufungsentscheidung i.S. des § 66 Abs. 4 AVG ist diesfalls vielmehr allein die Frage der Rechtmäßigkeit der unterbehördlichen Formalentscheidung (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, auf S. 634 ff unter E. 77, 85. bis 89. und die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, auf S. 540 unter 70. bis 74. zitierten Entscheidungen).
2.2. Allerdings kommt diese Rechtslage vorliegend nicht zum Tragen. Die Erstbehörde hatte zwar spruchgemäß den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen; die dazu gegebene Bescheidbegründung läßt indes keinen Zweifel, daß die Erstinstanz tatsächlich über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens "Erteilung/Versagung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" abgesprochen hatte, indem sie in die Prüfung der Frage der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Antragstellung vom Inland bzw. vom Ausland aus eingetreten und dabei zu dem Ergebnis gelangt war, daß mangels Vorliegens eines dem Begriff des Verlängerungsantrages subsumierbaren Antrages dieser als Erstantrag vom Ausland aus zu stellen gewesen wäre. Da somit die Erstinstanz aufgrund inhaltlicher Überlegungen den Antrag des Beschwerdeführers negativ beschieden hatte, handelt es sich bei der spruchgemäßen "Zurückweisung" desselben um ein bloßes Vergreifen im Ausdruck mit dem Ergebnis, daß tatsächlich eine meritorische Erledigung in Form einer "Abweisung" des Antrages des Beschwerdeführers durch die Erstbehörde vorliegt.
3.1. "Sache" des Berufungsverfahrens (§ 66 Abs. 4 erster Satz AVG) war demnach die den Inhalt des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides bildende Angelegenheit "Versagung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz". Im Rahmen dieser Sache war die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt, den erstinstanzlichen Bescheid "nach jeder Richtung", also auch - wie geschehen - unter Heranziehung des von der Unterbehörde nicht angewendeten Versagungstatbestandes des nicht gesicherten Lebensunterhaltes (§ 5 Abs. 1 AufG), abzuändern - dies freilich nur unter der Voraussetzung der Einräumung von Parteiengehör im nach den Erfordernissen des konkreten Falles gebotenen Umfang (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137, und vom 29. Februar 1996, Zl. 94/18/1175).
3.2. Wenn die Beschwerde geltend macht, daß letzteres vorliegend nicht der Fall gewesen sei, so kommt dieser Verfahrensrüge Berechtigung zu. Dies im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er bei Gewährung des Parteiengehörs in der Lage gewesen wäre, vorzubringen und dies auch zu belegen, daß ihm ab 1. Jänner 1995 eine Nettopension von monatlich S 9.290,-- angewiesen werde, er ab diesem Zeitpunkt für die von ihm gemietete Wohnung monatlich S 800,-- (zuzüglich Betriebskosten in der Höhe von S 264,--) zu entrichten habe, und ein namentlich genannter österreichischer Staatsbürger sich verpflichtet habe, für den Unterhalt des Beschwerdeführers und dessen Gattin (in einem näher bezeichneten Umfang) aufzukommen. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Unterbleiben des besagten Verfahrensmangels zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte gelangen können, ist der Mangel als wesentlich zu werten.
Einschränkend ist dazu noch anzumerken, daß der belangten Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nach Ausweis der Akten das die vorgenannte Höhe der monatlichen Nettopension bestätigende Verständigungsschreiben der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom Dezember 1994 (als Beilage zur Berufung) bereits vorlag, also insoweit eine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs nicht (mehr) in Betracht kam. Ungeachtet dessen liegt der belangten Behörde aber auch in dieser Hinsicht ein wesentlicher Verfahrensmangel zur Last, da sie dieses Schreiben völlig außer acht ließ und aktenwidrig als monatliche Nettopension des Beschwerdeführers im Zeitpunkt ihrer Entscheidung einen Betrag von lediglich
S 4.749,10 annahm.
4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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