VwGH 95/09/0219

VwGH95/09/02195.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des NN in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Berufungssenates in Disziplinarsachen für den Bereich des Stadtmagistrats der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. Juni 1995, Zl. MD 3412/1995, betreffend Enthebung vom Dienst und Kürzung des Monatsbezuges nach § 112 Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

GdBG Innsbruck 1970 §112;
GdBG Innsbruck 1970 §38;
GdBG Innsbruck 1970 §82 Abs2;
GdPVG Tir 1990 §18 Abs3;
GdBG Innsbruck 1970 §112;
GdBG Innsbruck 1970 §38;
GdBG Innsbruck 1970 §82 Abs2;
GdPVG Tir 1990 §18 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Fachoberinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck. Er war bis zu seiner Enthebung vom Dienst (Suspendierung) bei der Abteilung V (Soziales, Kultur, Gesundheit und Sport) als "Prophylaxeleiter" tätig.

Aus den Feststellungen im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/12/0178, ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im April 1995 Dienststellenobmann der für die Abteilung V eingerichteten Dienststellenpersonalvertretung wurde, und daß der Beschwerdeführer der Zentralpersonalvertretung I angehört.

Mit Schreiben vom 26. April 1995 erstattete die Magistratsdirektion gegen den Beschwerdeführer Disziplinaranzeige. Danach steht der Beschwerdeführer im Verdacht, durch mißbräuchliche Ausstellung von mindestens drei Amtszeugnissen, Unkorrektheiten bei der Verwaltung der Betriebskasse, Veruntreuung eines Fahrtausweises sowie zahlreicher anvertrauter Gegenstände aus dem Eigentum der Stadtgemeinde sowie zahlreicher Unkorrektheiten bei Bestellungen und der Inventarverwaltung mit erheblichen Vermögensnachteilen für die Stadt, Dienstpflichtverletzungen nach dem Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz 1970 begangen zu haben. Gleichzeitig erstattete die Magistratsdirektion wegen dieser Vorwürfe auch Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachtes des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, des Amtsmißbrauches, der Untreue sowie des Betruges (vgl. hinsichtlich des wiedergegebenen Sachverhaltes auch das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/12/0178).

Mit Beschluß vom 16. Mai 1995 verfügte der Disziplinarsenat für Beamte der Verwendungsgruppe C für den Bereich des Stadtmagistrats der Landeshauptstadt Innsbruck gegen den Beschwerdeführer die Einleitung der Disziplinaruntersuchung (Spruchpunkt I) und "nach Einleitung des Disziplinarverfahrens" seine sofortige Enthebung vom Dienst gemäß § 112 Abs. 1 Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz (Spruchpunkt II).

Gegen Spruchpunkt II dieser Entscheidung erhob der Beschwerdeführer an den Berufungssenat (belangte Behörde) Beschwerde. Er beantragte darin, die erstinstanzliche Entscheidung (allenfalls nach Beweisergänzung) ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen; hilfsweise beantragte der Beschwerdeführer von der Verhängung einer Strafe abzusehen bzw. die ausgesprochene "Suspension" durch ein gelinderes Mittel zu ersetzen. (Der Spruchpunkt I des genannten Beschlusses wurde vom Beschwerdeführer nicht bekämpft).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Beschluß (Bescheid) vom 27. Juni 1995 hat die belangte Behörde über die genannte Beschwerde wie folgt abgesprochen:

"1. Der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten bezüglich der Enthebung vom Dienst gemäß § 112 IGBG wird keine Folge gegeben und die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet abgewiesen.

2. Hingegen wird der Beschwerde, soweit sie die mit der Enthebung ex lege eintretende Kürzung des Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage auf zwei Drittel bekämpft, teilweise Folge gegeben und der Beschluß dahin abgeändert, daß der Monatsbezug unter Ausschluß der Haushaltszulage um 20 % auf die Dauer der Suspendierung gekürzt wird."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erklärt, den Bescheid der belangten Behörde "seinem gesamten Inhalt nach" anzufechten. Er erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in der Beschwerde erkennbar in dem Recht verletzt, daß ohne Vorliegen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen seine Enthebung vom Dienst nicht verfügt und sein Monatsbezug nicht gekürzt wird.

Das im Beschwerdefall anzuwendende Innsbrucker Gemeindebeamtengesetz 1970 (IGBG in der Fassung LGBl. Nr. 2/1990) - wiederverlautbart mit Kundmachung der Tiroler Landesregierung vom 26. Mai 1970, LGBl. Nr. 44 - regelt zufolge seinem § 1 Abs. 1 das Dienstrecht der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck stehenden Bediensteten (Beamten), gleichgültig, ob sie behördliche Aufgaben zu besorgen haben oder nicht.

Die Bestimmungen über das Disziplinarrecht und das Disziplinarverfahren enthält das IGBG in seinem IX. Abschnitt. Zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens erster Instanz werden die im § 72 Abs. 1 leg. cit. genannten Disziplinarsenate eingesetzt. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle werden zur Durchführung des Disziplinarverfahrens in zweiter Instanz für den Bereich des Stadtmagistrats und den Bereich der Stadtwerke je ein Berufungssenat eingesetzt. Über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen des Disziplinarsenates erkennt zufolge § 75 Abs. 1 leg. cit. der Berufungssenat.

Gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. beschließt der Disziplinarsenat (nach Anhörung des Disziplinaranwaltes ohne mündliche Verhandlung), ob die Disziplinaruntersuchung einzuleiten ist.

§ 82 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"Der Disziplinarsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, ob eine disziplinäre Immunität des Beschuldigten vorliegt (§ 38). Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde an den Berufungssenat zulässig."

Der im § 82 Abs. 2 leg. cit. genannte § 38 IGBG bestimmt:

"Disziplinäre Immunität

Kein Beamter darf aus Anlaß der pflichtgemäßen Ausübung eines Mandates im Sinne des § 35 Abs. 2 in eine Disziplinaruntersuchung gezogen werden."

Der Beschluß auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung ist dem Beschuldigten gemäß § 83 Abs. 1 leg. cit. zuzustellen; gegen diesen Beschluß ist nach der genannten gesetzlichen Bestimmung kein Rechtsmittel zulässig.

Der § 112 IGBG lautet:

"(1) Der Disziplinarsenat kann einen Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, jederzeit vom Dienst entheben, wenn bei Weiterbelassung des Beamten im Dienst die Gefahr der Verdunkelung besteht oder wenn die Art oder Schwere des Dienstvergehens eine Enthebung notwendig macht. Jede durch Beschluß des Disziplinarsenates verfügte Enthebung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluß der Haushaltszulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Enthebung zur Folge. Der Disziplinarsenat kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.

(2) Bei Gefahr der Verdunkelung ist die Enthebung auf den Zeitraum eines Monats zu beschränken.

(3) Gegen die von einem Disziplinarsenat ausgesprochene Enthebung vom Dienst und gegen die Bestätigung einer vorläufigen Dienstenthebung steht dem Betroffenen binnen drei Tagen nach Zustellung des Beschlusses die Beschwerde an den Berufungssenat offen, der unverzüglich zu entscheiden hat. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung."

Das vom Landesgesetzgeber für Tirol erlassene Gemeinde-Personalvertretungsgesetz (G-PVG, LGBl. Nr. 51/1990 in der Fassung LGBl. Nr. 9/1995) regelt zufolge seines § 1 (über den Geltungsbereich dieses Gesetzes) die Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinden und der Gemeindeverbände mit Ausnahme der Bediensteten in jenen Betrieben der Gemeinden und der Gemeindeverbände, in denen beim Inkrafttreten dieses Gesetzes betriebliche Vertretungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften bestehen.

Der § 18 G-PVG bestimmt zum Schutz der Personalvertreter:

"(1) Die Personalvertreter dürfen wegen ihrer Tätigkeit vom Dienstgeber nicht benachteiligt werden. Sie dürfen aus diesem Grund insbesondere in dienst- und besoldungsrechtlicher Hinsicht keine Schlechterstellung erfahren.

(2) Ein Personalvertreter darf ohne seine Zustimmung nicht zu einer anderen Dienststelle versetzt oder zum Dienst zugeteilt werden. Dies gilt nicht für eine Dienstzuteilung für längstens einen Monat.

(3) Ein Personalvertreter darf nur mit Zustimmung der Dienststellenpersonalvertretung bzw. der Zentralpersonalvertretung wegen Äußerungen und Handlungen in Ausübung seiner Tätigkeit dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Weiters darf die Kündigung eines in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Personalvertreters bzw. Kündigung der die Entlassung eines in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehenden Personalvertreters nur mit Zustimmung der Dienststellenpersonalvertretung bzw. der Zentralpersonalvertretung erfolgen."

Vor diesem rechtlichen Hintergrund (und auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten im "Amtsvermerk" vom 28. April 1995 eine Personalvertretungsfunktion des Beschwerdeführers erwähnt wird) muß aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles auf das (horizontale) Rangverhältnis zwischen dem vom Landesgesetzgeber für Tirol erlassenen Normen des IGBG und des G-PVG nicht eingegangen werden, weil (nach der Aktenlage) der im § 82 Abs. 2 IBGB normierte Zusammenhang zwischen den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verfehlungen und der Ausübung seines Mandates (als gewählter Personalvertreter) weder vom Beschwerdeführer vorgebracht wurde noch sonst zu erkennen ist und des weiteren auch nicht die Einleitung der Disziplinaruntersuchung den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet. Solcherart und da der angefochtene Bescheid ausschließlich über die Enthebung vom Dienst (Suspendierung) und die damit verbundene Bezugskürzung abspricht, braucht im Beschwerdefall auch nicht untersucht zu werden, ob eine Entscheidung des Disziplinarsenates über die disziplinäre Immunität des Beschwerdeführers im Sinne von § 82 Abs. 2 IBGB erforderlich gewesen wäre bzw. ob der Schutz gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 G-PVG zu beachten gewesen wäre. Denn auch dieser Schutz des Personalvertreters setzt den genannten Zusammenhang mit der Personalvertretungstätigkeit voraus.

Dem Beschwerdevorbringen ist folgendes zu erwidern:

Da die Suspendierung (Enthebung vom Dienst) auch nach dem IGBG eine sichernde Maßnahme darstellt, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist und keine endgültige Lösung darstellt, braucht nicht nachgewiesen zu werden, daß der Beamte die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1990, Zl. 90/09/0112, und die zu einer insoweit vergleichbaren Rechtslage ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0082, in Slg. NF Nr. 13 047/A, und vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0008). Daß ein solcher Verdacht nicht bestünde oder die im Verdachtsbereich vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nach ihrer "Art und Schwere" nicht derart schwerwiegend seien, die Enthebung vom Dienst zu rechtfertigen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Mit dem Vorwurf allein, die angelasteten Dienstverfehlungen seien nicht "nachgewiesen", vermag der Beschwerdeführer jedoch eine zur Aufhebung des (im Suspendierungsverfahren ergangenen) angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht aufzuzeigen.

In der Verfahrensrüge (Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, diesen Mangel unter dem genannten (rechtlich unerheblichen) Gesichtspunkt der Rechtsrüge zu behaupten. Ein rechtlich erhebliches Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, die belangte Behörde zu einem in der Sache anderen Ergebnis zu führen, wurde jedoch nicht erstattet. Dem zur Verfahrensrüge erstatteten Vorbringen bleibt es daher verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens erfolgreich aufzuzeigen (vgl. hiezu auch die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 610 wiedergegebene hg. Judikatur).

Hinsichtlich der von der belangten Behörde für die Dauer seiner Dienstenthebung von einem Drittel auf 20 % verminderten Kürzung des Monatsbezuges ist dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, daß dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seines (der Höhe nach nur behaupteten aber nicht nachgewiesenen) Aufwandes für Miete und Betriebskosten ein monatliches Nettoeinkommen von S 17.713,18 verbleibt. Insoweit von diesem Einkommen eine monatliche Kreditrate von S 13.415,-- in Abzug gebracht und daraus eine gänzliche Aufhebung der Bezugskürzung abgeleitet wird, ist zu erwidern, daß diese nur dem Beschwerdeführer bekannte Kreditbelastung im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer (nach der Aktenlage) weder behauptet noch nachgewiesen wurde. Auf diesen erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten und neu angebotenen Nachweis hat der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr einzugehen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Zudem wurde auch nicht schlüssig dargetan, daß der Beschwerdeführer sich überhaupt bzw. erfolglos bemüht habe, eine Stundung oder Herabsetzung der monatlichen Kreditrate mit seinem Kreditgeber zu vereinbaren. Der Verwaltungsgerichtshof vermag demnach auch die hinsichtlich der Bezugskürzung von der belangten Behörde getroffene Ermessensentscheidung nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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