Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1993/502;
AlVG 1977 §10 Abs2 idF 1993/502;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1993/502;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1993/502;
AlVG 1977 §10 Abs2 idF 1993/502;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1993/502;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 12. Oktober 1994, womit der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 19. September 1994 bis 16. Oktober 1994 gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 ausgesprochen worden war, keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt, sowie ausgesprochen, daß eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG nicht gewährt werde.
Nach Hinweisen auf die angewendeten Rechtsvorschriften begründet die belangte Behörde ihren Bescheid damit, daß dem Beschwerdeführer am 14. September 1994 "vom Arbeitsamt Angestellte" eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt beim "Ressourcenpool" mit Beginn
19. September 1994 angeboten worden sei. Dieses Angebot sei vom Beschwerdeführer nicht angenommen worden. Daraufhin sei mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 12. Oktober 1994 der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 19. September 1994 bis 16. Oktober 1994 ausgesprochen worden. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen diesen Bescheid vorgebracht, daß ihn die Behörde nicht über die möglichen Rechtsfolgen der Weigerung belehrt habe und daß ihm über die Kursinhalte unzureichende Information gegeben worden sei. Dem hält die belangte Behörde entgegen, daß eine Belehrung über die Rechtsfolgen im § 10 AlVG nicht vorgesehen sei. Im übrigen sei der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1992 arbeitslos, weshalb davon ausgegangen werden könne, daß "eine gewisse Distanz zum aktuellen Arbeitsmarkt" vorliege. Ernsthafte Initiativen oder Strategien seitens des Beschwerdeführers, den Zustand der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme eines Dienstverhältnisses zu beenden, seien nicht erkennbar. Die Kursinhalte (so die Hilfestellung bei allen für die Arbeitssuche erforderlichen Teilschritten, wie Telefontaktik, Bewerbungstechnik, sowie die Informationsbeschaffung über Arbeitsplätze, die nicht öffentlich ausgeschrieben sind), seien dem Beschwerdeführer laut glaubwürdiger Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Angestellte zur Kenntnis gebracht worden. Aufgrund des bisherigen Verlaufes der Arbeitslosigkeit sowie aufgrund der offensichtlich mangelnden Fähigkeit des Beschwerdeführers, das Seine zur Beendigung dieser Situation beizutragen (wobei auf erfolglose Angebote an ein näher bezeichnetes Teppichhaus und an den Bundesminister für Inneres verwiesen wurde), erscheine der belangten Behörde die angebotene Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt durchaus sinnvoll und zumutbar. Da der Beschwerdeführer ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme verweigert habe, sei der erstinstanzliche Bescheid zu Recht erlassen worden. Gründe für eine allfällige Nachsicht seien weder genannt worden, noch könnten sie von der belangten Behörde erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Aktenlage teilte der Beschwerdeführer dem - damaligen - Arbeitsamt Angestellte nach Stellung eines Antrages auf Notstandshilfe am 9. März 1993 mit (undatiertem) Schriftsatz einen "vorläufigen Verzicht der gesetzlich zustehenden Geldleistungen zugunsten des Bundestiergartens Wien-Schönbrunn" mit und begründete dies im wesentlichen mit der "Untauglichkeit des Instrumentariums Notstandsunterstützung". Er (Beschwerdeführer) habe daher beschlossen, lediglich den Fortbestand des Versicherungsschutzes aus dem Arbeitslosenversicherungsgesetz zu fordern und gleichzeitig die ihm zustehende Geldleistung aus der Notstandsunterstützung "den notleidenden Tieren und hier insbesondere den Raubkatzen und Wölfen" zu widmen. In einer Niederschrift vom 27. April 1993 erklärte der Beschwerdeführer, er sei nicht bereit, "auch nur einen Schilling aus der Notstandshilfe zu übernehmen", werde daher auch keine Kontonummer angeben und die Leistung - sollte sie per Post ankommen - retournieren, da er sie den Tieren in Schönbrunn zugedacht hätte. In den Antragsformularen findet sich seither jeweils eine Anweisung des Beschwerdeführers "die Auszahlung der Leistung" zugunsten des "Bundestiergartens Schönbrunn" vorzunehmen. Seither wurde die Notstandshilfe seitens des Arbeitsmarktservice beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen den Beschwerdeführer zu 6 Nc 33/93 gemäß § 1425 ABGB gerichtlich erlegt und diese Erläge jeweils zu Gericht angenommen. In jüngeren Anträgen auf Notstandshilfe beantragte der Beschwerdeführer schon von sich aus jeweils die Auszahlung der Leistung "auf das Konto beim OLG Wien".
Bei dieser Sachlage war vorweg zu prüfen, ob der Beschwerdeführer - der wiederholt und ernsthaft erklärt hat, die Notstandsunterstützung für sich nicht in Anspruch nehmen zu wollen - durch den angefochtenen Bescheid überhaupt in seinen Rechten verletzt sein kann, zumal er auch nach Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin dieses Verhalten (Nichtannahme der Notstandshilfe zugunsten gerichtlicher Hinterlegung) an den Tag legt.
Dazu führte die belangte Behörde aufgrund der Berichterverfügung vom 9. April 1996 in ihrer Stellungnahme aus, daß eine "bedingte Verzichtserklärung, nur den Versicherungsschutz, nicht aber auch die Notstandshilfe beanspruchen zu wollen" dem Arbeitslosenversicherungsgesetz fremd sei. Der Beschwerdeführer habe nachweislich nicht angestrebt, den Antrag auf Notstandshilfe vorbehaltlos zurückzuziehen, weil ein Versicherungsschutz (gemeint: die Krankenversicherung) offensichtlich gewollt werde, und ihm daher die Leistung anzuweisen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer führte dazu in seiner Stellungnahme aus, daß er lediglich "aus Frustration darüber, daß (ihm) von seiten des Arbeitsamtes keine angemessene Beschäftigung vermittelt werden konnte und er in weiterer Folge um Notstandshilfe ansuchen mußte", die ihm zustehende Notstandshilfe "vorläufig" notleidenden Tieren gewidmet habe. Es stehe ihm jederzeit offen, den Betrag beim Oberlandesgericht Wien zu beheben bzw. den Restbetrag zu beanspruchen. Es sei durch die Hinterlegung des Geldes durch das Landesarbeitsamt schuldbefreiend geleistet worden. Der Beschwerdeführer habe zu keinem Zeitpunkt auf die Geldleistung aus der Notstandshilfe verzichtet.
Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die vorliegende Beschwerde ungeachtet des oben dargelegten Verhaltens des Beschwerdeführers zulässig ist: Wie die belangte Behörde ausführt, hat der Beschwerdeführer Anträge auf Notstandshilfe bisher nicht zurückgezogen, sondern - im Gegenteil - darauf beharrt, einen Versicherungsschutz in der Krankenversicherung zu haben. Ungeachtet dessen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers (der die ihm zustehenden Geldleistungen ohne weiteres auch selbst den ihm unterstützenswert erscheinenden Tieren zuleiten könnte) offenkundig darauf abzielt, die Verwaltungsbehörden und Gerichte mutwillig zu beschäftigen, berührt dies dennoch nicht seine rechtliche Betroffenheit vom Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe. Unabhängig davon, ob und welche Maßnahmen den betroffenen Verwaltungsbehörden allenfalls zu Gebote stünden, um der Vorgangsweise des Beschwerdeführers zu begegnen, kann er daher durch den Ausspruch über den Verlust der Notstandshilfe für die Zeit vom 19. September 1994 bis 16. Oktober 1994 in seinen Rechten verletzt sein.
Eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers liegt auch vor:
Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf Notstandshilfe, wenn er (unter anderem) ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt.
Die hier in Rede stehende Fassung des § 10 Abs. 1 AlVG wurde mit der Novelle BGBl. Nr. 502/1993 gemäß § 79 Abs. 5 AlVG mit 1. August 1993 in Kraft gesetzt.
Zur früheren Fassung dieser Bestimmung, insbesondere zur bereits damals im Gesetz enthaltenen Verpflichtung des Arbeitslosen, einem Auftrag zur Nach-(Um-)Schulung zu entsprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0216, 0267, 93/08/0005, sowie vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/08/0215, ausgesprochen, daß es nicht im freien Belieben des Arbeitsamtes steht, einem Arbeitslosen (auch einem Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder ihn zu einer Nach- oder Umschulung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung vermöchte sich insbesondere auch nicht auf die vom Arbeitslosen (auch wiederholt) an den Tag gelegte Arbeitsunwilligkeit, eine ihm durch das Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu stützen. Für eine solche Maßnahme sei vielmehr Voraussetzung, daß die Kenntnisse des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind.
Gleiches gilt auch für eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt: Auch die Zuweisung zu einer solchen Maßnahme bedarf des Nachweises, daß der Beschwerdeführer ohne diese Wiedereingliederungsmaßnahme nicht in der Lage ist, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen. Dabei ist allerdings - anders als die belangte Behörde meint - nicht nur darauf abzustellen, in welcher Weise sich der Arbeitslose selbst um eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt bemüht hat; die mit der Anwendung einer derartigen Wiedereingliederungsmaßnahme verbundenen Kosten sind nur dann gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen jene darin vermittelten Fähigkeiten auch tatsächlich fehlen (dazu sowie auch zur Pflicht, über die Rechtsfolgen einer Weigerung zu belehren, vgl. das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0246). Dies kann im Falle des Beschwerdeführers, der nach der Aktenlage offenbar neben dem Bezug der Notstandshilfe (zumindest phasenweise) als freiberuflicher Journalist tätig sowie Inhaber mehrerer Gewerbeberechtigungen ist, aufgrund derer Pflichtversicherung nach dem GSVG besteht (AS 311), nicht von vornherein gesagt werden. Auch fehlen Feststellungen der belangten Behörde dazu, ob und mit welchem Erfolg versucht worden ist, dem Beschwerdeführer (bei dem gemäß § 9 Abs. 2 AlVG auf die bisherige Berufsausübung nicht mehr Bedacht zu nehmen wäre) eine Beschäftigung zu vermitteln und aus welchen Gründen gegebenenfalls ein solcher Vermittlungsversuch fehlgeschlagen ist. Die Korrespondenz des Beschwerdeführers mit dem Arbeitsmarktservice läßt auch durchaus erkennen, daß dieser in der Lage ist, sich entsprechend auszudrücken und seine Interessen geltend zu machen. Ob der Beschwerdeführer diese Fähigkeiten auch dafür einsetzt, einen Arbeitsplatz zu finden (bzw. ob die aktenkundigen "Bewerbungsschreiben" nicht in die gegenteilige Richtung deuten), ist für die Lösung der hier maßgebenden Rechtsfrage belanglos: Ebenso wie zur früheren Fassung der §§ 9 f AlVG gilt auch für die Neufassung, daß die darin erwähnten Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung oder zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht dazu dienen, Arbeitsunwilligkeit zu sanktionieren, weil der belangten Behörde hiefür andere Instrumente an die Hand gegeben sind.
Da die belangte Behörde somit nicht in einer nachvollziehbaren Weise geprüft hat, ob die Voraussetzungen für die Zuweisung des Beschwerdeführers zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vorliegen, war der angefochtene Bescheid wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das über den in der genannten Verordnung festgelegten Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- hinausgehende Begehren mußte ebenso abgewiesen werden, wie das Begehren auf Ersatz der Stempelmarken, da dem Beschwerdeführer mit Beschluß vom 21. August 1995 die Verfahrenshilfe bewilligt und ihm die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempel- und Kommissionsgebühren gewährt wurde. "Versehentlich geklebte" Bundesstempelmarken können - anders als der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 1996 meint - nicht gemäß § 48 VwGG ersetzt, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren rückgefordert werden (§ 241 Abs. 2 BAO).
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