VwGH 95/03/0033

VwGH95/03/003312.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. Jänner 1995, Zl. 20/165-2/1994, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §61 Abs5;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §51 Abs3 idF 1990/358;
VwGG §13 Z1;
AVG §61 Abs5;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §51 Abs3 idF 1990/358;
VwGG §13 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschweid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.860 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft, mit welchem der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 schuldig erkannt wurde, weist in der Rechtsmittelbelehrung auf die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen eine Berufung einzubringen, und - ausgenommen bei mündlicher Berufung - auf das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages hin.

Der Beschwerdeführer brachte einen "Einspruch" gegen dieses Straferkenntnis ein, welcher folgenden Wortlaut aufweist:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 31.10.1994, Vst.-76/6/94, zugestellt am 03.11.1994, innerhalb offener Frist nachstehenden

Einspruch

und beantragt, das ordentliche Verfahren einzuleiten."

Der Einspruch wurde am 16. November 1994 zur Post gegeben und langte am 17. November 1994 bei der Erstbehörde ein.

Ebenfalls am 17. November 1994 erschien der Vertreter des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde. Nach dem Vorbringen in der Beschwerde erklärte er dabei mündlich, daß er Berufung gegen das Straferkenntnis erhebe.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1994, zur Post gegeben am 7. Dezember 1994, wurde die "mündlich angemeldete Berufung" ausgeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen das Straferkenntnis als verspätet zurückgewiesen. Der als "Einspruch" bezeichneten Berufung fehle ein begründeter Berufungsantrag, was einen nicht der Verbesserung zugänglichen Mangel darstelle. Die Berufungsausführung vom 7. Dezember 1994 sei aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingebracht worden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltunggerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Gemäß § 61 Abs. 1 AVG hat die Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides anzugeben, ob der Bescheid noch einem weiteren Rechtszug unterliegt oder nicht, und bejahendenfalls, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Sie hat ferner auf das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages hinzuweisen. Nach Abs. 5 gilt, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthält, das Fehlen eines solchen als Formgebrechen (§ 13 Abs. 3).

Ein begründeter Berufungsantrag liegt vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Enthält eine Eingabe nicht einmal eine Andeutung darüber, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein soll, dann fehlt es jedenfalls an einem begründeten Berufungsantrag (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 92/04/0009). Eine mangels begründeten Berufungsantrages an sich unzulässige Berufung kann durch einen innerhalb der Berufungsfrist nachgeholten begründeten Antrag zulässig werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1994, Zl. 93/04/0138).

Im Verwaltungsstrafverfahren kann gemäß § 51 Abs. 3 VStG eine Berufung auch mündlich eingebracht werden und bedarf in diesem Fall keines begründeten Berufungsantrages.

In der Gegenschrift führt die belangte Behörde zur Einwendung des Beschwerdeführers, er habe durch seinen Vertreter bei der Vorsprache am 17. November 1994 vor der Erstbehörde mündlich Berufung erhoben, unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 19. November 1985, Zl. 85/04/0177, und vom 20. Jänner 1986, Zl. 85/15/0340, aus, nach der Einbringung einer schriftlichen Berufung komme eine mündliche Berufung nicht mehr in Betracht.

Fehlt einer schriftlichen Berufung der begründete Berufungsantrag, so mangelt es ihr an den Mindesterfordernissen, die an eine Berufung zu stellen sind; der Mangel stellt nur im Fall des § 61 Abs. 5 AVG ein Formgebrechen dar. Eine schriftliche Berufung ohne begründeten Berufungsantrag ist zurückzuweisen. Mit der Einbringung einer derartigen, einer meritorischen Behandlung nicht zugänglichen Eingabe ist aber das Berufungsrecht nicht verwirkt. Innerhalb der Berufungsfrist kann eine derartige unzulässige schriftliche Berufung saniert werden, im Verwaltungsstrafverfahren aber auch - dem Zweck des § 51 Abs. 3 VStG der weitergehenden Wahrung der Rechtsschutzmöglichkeit entsprechend - mündlich Berufung erhoben werden. Dem Zweck des § 51 Abs. 3 VStG entspräche es nicht, demjenigen die in dieser Bestimmung normierte Erleichterung der Berufungseinbringung zu versagen, der zusätzlich zur mündlichen Berufungserhebung in schriftlicher, wenn auch unzulässiger Weise den Bescheid bekämpft hat.

Es trifft zwar zu, daß der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Zl. 85/04/0177 - das weitere in der Gegenschrift zitierte Erkenntnis Zl. 85/15/0340 verweist lediglich auf dieses - zum Ausdruck gebracht hat, eine mündliche Berufungserhebung im Sinne der Bestimmung des § 51 Abs. 3 VStG 1950 komme im Falle der bereits - wenn auch unvollständig - erfolgten schriftlichen Einbringung einer Berufung nicht in Betracht. Diese Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof aus dem oben dargestellten Grund aber nicht aufrecht zu halten. Der Beschlußfassung in einem verstärkten Senat im Grunde des § 13 Z. 1 VwGG bedarf es hiezu nicht, weil im vorliegenden Fall - im Gegensatz zu den genannten Vorerkenntnissen - § 51 VStG in der Neufassung aufgrund des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1990 zur Anwendung kommt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 162, zitierte hg. Judikatur).

Im angefochtenen Bescheid werden keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Beschwerdeführer mündlich Berufung erhoben hat. Der angefochtene Bescheid nimmt nur auf den Einspruch vom 16. November 1994, den er als Berufung wertete, und auf den Schriftsatz vom 7. Dezember 1994 Bezug.

Die im Verwaltungsakt befindliche Ausfertigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses weist die möglicherweise von einem Organwalter der Bezirkshauptmannschaft angebrachten, nicht unterfertigten Vermerke "Es wird das Rechtsmittel der Berufung erhoben" und "Rechtsanwalt Dr. E hat Akteneinsicht genommen - Stellungnahme binnen 3 Wochen - 17. Nov. 1994" auf. Bei dieser Aktenlage wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob vor der Erstbehörde mündlich Berufung erhoben worden ist. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage derartige Erhebungen unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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