VwGH 94/19/0294

VwGH94/19/029416.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. März 1993, Zl. 4.340.499/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AVG §45 Abs2;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 8. Oktober 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ghanas, der am 15. November 1991 in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und am 18. November 1991 einen Asylantrag gestellt hat, nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. März 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende - Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion Graz am 17. August 1992 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, sein Vater sei in Oboko (Ghana) als eine Art Bürgermeister in einer höheren politischen Funktion tätig gewesen. Sein Vater habe in Oboko ein großes Stück Land erworben und dort ein Haus errichten wollen. Vor Fertigstellung dieses Hauses sei sein Vater von politischen Gegnern, die ihn von seinem Land hätten vertreiben wollen, 1988 ermordet worden. Zwei Jahre später seien der Beschwerdeführer und seine gesamte Familie von einer offiziellen Regierungsorganisation (CDR) schriftlich aufgefordert worden, das Land Ghanas unter Mitnahme ihrer persönlichen Fahrhabe zu verlassen. Das Land (Grundstück) sei von der Regierung in Ghana für andere Zwecke vorgesehen gewesen. Nachdem der Beschwerdeführer dagegen bei Ghanas Stellen schriftlich protestiert habe, sei das noch nicht fertiggestellte Haus durch von der Regierung beauftragte Arbeiter abgerissen worden. Als der Beschwerdeführer dagegen protestiert habe, sei er von Soldaten verprügelt und eingesperrt worden. Er sei nach Accra gebracht und in einem "politischen Gefängnis" festgehalten worden. Nach etwa 20 Tagen Haft habe ihm ein familienbekannter Soldat (Offizier) zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen. Anschließend habe man ihm geholfen, illegal nach Elfenbeinküste zu gelangen, wo er sich von Oktober 1990 bis Jänner 1991 aufgehalten habe. Falls der Beschwerdeführer aus dem Gefängnis nicht hätte fliehen können, hätte er eine lange Haftstrafe oder sogar den Tod zu erwarten gehabt.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, sein Vater sei 1988 deshalb von politischen Gegnern ermordert worden, weil er einiges Land besessen und darauf ein Haus errichten habe wollen. Aufgrund seines Reichtums habe sein Vater sich Feinde gemacht, die in der herrschenden Partei Rückhalt gefunden hätten. Nach dem Tod seines Vaters habe der Beschwerdeführer den Hausbau fortgesetzt. 1990 habe er einen Brief erhalten, in welchem er aufgefordert worden sei, den Grund und das Haus aufzugeben. Dieser Brief habe den Stempel der offiziellen ghanesischen Behörde, des CDR (Comitee for the Defence of the Revolution) getragen. Als der Beschwerdeführer dagegen Einspruch erhoben habe, sei er von Soldaten verhaftet und verprügelt worden. Nach zwanzigtägiger Haft habe ihn ein Bekannter aus der Haft befreien können.

Vorauszuschicken ist, daß die unrichtige Anwendung des Asylgesetz 1991 durch die belangte Behörde - im Hinblick auf die am 22. Oktober 1992 erfolgte Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hätte die belangte Behörde aufgrund des § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991, vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, noch das Asylgesetz (1968) anwenden müssen - den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzte, weil die belangte Behörde § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht angewendet und das (nach der richtigerweise anzuwendenden Rechtslange zu beachtende) Berufungsvorbringen einer rechtlichen Beurteilung unterzogen hat.

Der Beschwerde ist insoweit beizupflichten, als die bei Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers von der belangten Behörde herangezogenen Erwägungen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten. Soweit die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers "eher geringere Glaubwürdigkeit" beimißt, weil er auf den für Schlepperorganisationen typischen Wegen und mit dem in diesen Fällen zu beobachtenden formularmäßigem Vorbringen nach Österreich eingereist sei, ist zu entgegnen, daß aus der Einreise eines Asylwerbers unter Zuhilfenahme einer "Schlepperorganisation" allein noch kein Schluß auf die Glaubwürdigkeit eines solchen Asylwerbers gezogen werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1994, Zl. 92/01/1117, und vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0276). Der belangten Behörde kann auch darin, der Beschwerdeführer habe ein nur "formularmäßiges", abstraktes und unüberprüfbares Vorbringen erstattet, nicht beigepflichtet werden. Die daran geknüpften Schlußfolgerungen der belangten Behörde sind unzutreffend. Im übrigen muß der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe zu knappe und vage Angaben gemacht, auch deshalb fehlschlagen, weil der Aktenlage nach im Asylverfahren nicht versucht wurde, die erstmals im angefochtenen Bescheid vermißte Ergänzung des Vorbringens vom Beschwerdeführer zu erfragen.

Obgleich im angefochtenen Bescheid zutreffend (im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) zitiert wird, daß bei der Beurteilung, ob es sich um "standardisiertes Vorbringen" eines Asylwerbers handelt, Vorsicht geboten ist, läßt die belangte Behörde diese Vorsicht jedoch vermissen. Für die Mutmaßung der belangten Behörde, der Vater des Beschwerdeführers sei gar nicht ermordet worden, fehlt ebenso eine entsprechende aktenmäßige Sachverhaltsgrundlage, wie auch die an der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer gemachten Angaben über die Umstände seiner Flucht von der belangten Behörde geäußerten Zweifel unter Bedachtnahme auf die nicht mit europäischen Maßstaben zu messenden Verhältnisse in afrikanischen Ländern insgesamt nicht schlüssig erscheinen. Da die vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchthilfe nicht von vornherein jeglicher Wahrscheinlichkeit entbehrt, hätte die belangte Behörde daher insoweit Feststellungen treffen müssen, die den geschilderten Vorgang ausschließen würden. Aufgrund des Umstandes alleine, daß für einen Fluchthelfer mit der Fluchthilfe ein persönliches Risiko verbunden wäre, kann weder dem Vorbringen über die Umstände der Flucht jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, noch kann deshalb gesagt werden, daß das vom Beschwerdeführer insoweit geschilderte Verhalten an sich atypisch für jemanden wäre, der sein Heimatland aus Konventionsgründen verläßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0466).

Insoweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mangelnde Glaubwürdigkeit vorwirft, weil er bei seiner niederschriftlichen Befragung am 17. August 1992 zu Punkt 7. der darüber aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, nicht vorbestraft zu sein, nicht gesucht zu werden und vor seiner Ausreise nach Österreich keine strafbaren Handlungen begangen zu haben, während seiner Darstellung über die Fluchtgründe in Punkt 17. hinsichtlich des angeblichen Gefängnisausbruches zu entnehmen wäre, daß nach dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland gesucht werde, kann ohne ergänzenden Befragung bzw. entsprechenden Vorhalt dieses angeblichen Widerspruchs nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die im Zusammenhang mit Punkt 7. die an ihn gerichteten Fragen so verstehen mußte, daß darunter auch gegen ihn gerichtete Maßnahmen im Zusammenhang mit den von ihm im Punkt 17. der Niederschrift geschilderten Fluchtgründen zu verstehen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/0757). Da die belangte Behörde insoweit jedoch eine entsprechende Aufklärung unterlassen hat, durfte sie aus diesem Sachverhalt kein Argument gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gewinnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0041).

Dennoch sind die vorerwähnten Verfahrensmängel nicht wesentlich, weil ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie zur Auffassung gelangte, daß dem Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, kein Asyl zu gewähren sei. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der vorerwähnten Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Gemessen an dieser Rechtslage hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber keine Fluchtgründe im Sinne der Konvention glaubhaft machen können. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745) immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an. Das bedeutet, daß konkrete, den Asylwerber selbst - nicht aber etwa seinen Vater - betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden müssen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sind als Fluchtgründe jedoch bloß die Enteignung seines Hauses (Elternhauses) und Auseinandersetzungen mit Soldaten, die dann zu seiner Inhaftierung führten, zu entnehmen. Daß diese Maßnahmen aber auf die politische Gesinnung des Beschwerdeführers oder einen anderen in der Konvention genannten, asylrechtlich relevanten Grund zurückzuführen gewesen wären, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Die belangte Behörde wäre daher, selbst wenn sie den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ungeteilte Glaubwürdigkeit beigemessen hätte, zu keinem anderen Bescheid gelangt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

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