Normen
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §64;
StVO 1960 §24;
StVO 1960 §25;
StVO 1960 §5;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §64;
StVO 1960 §24;
StVO 1960 §25;
StVO 1960 §5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. September 1994 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine israelische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die sich seit dem Jahre 1986 im Bundesgebiet aufhalte, sei seit dem Jahre 1989 insgesamt zehn Mal wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes rechtskräftig bestraft worden. Davon seien drei Verstöße gegen § 103 Abs. 2 KFG hervorzuheben. Die letztgenannten Gesetzesverletzungen, bei denen die Beschwerdeführerin mehrfach ihre Verpflichtung als Zulassungsbesitzerin mißachtet habe, der Behörde auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wer ihr Kraftfahrzeug zu einem bestimmen Zeitpunkt gelenkt habe, stellten "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG dar. Das den Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin, die im übrigen auch im Jahre 1989 wegen illegalen Aufenthaltes bestraft worden sei, rechtfertige im Hinblick auf die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit und des Kraftfahrwesens die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Da sich die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1986 mit ihrem Ehegatten in Österreich aufhalte und für drei Kinder sorgepflichtig sei, stelle das Aufenthaltsverbot einen relevanten Eingriff in deren Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG dar. Diese Maßnahme sei jedoch aufgrund der aus den Verstößen gegen straßenpolizeiliche und kraftfahrrechtliche Bestimmungen resultierenden gleichgültigen Einstellung der Beschwerdeführerin "in bezug auf die Befolgung gesetzlicher Normen" zu Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie im Interesse eines geordneten Kraftfahrwesens - dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.
Im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, daß "die Vielzahl sowie die rasche Abfolge" der von der Beschwerdeführerin begangenen Verwaltungsübertretungen eine positive Zukunftsprognose nicht zuließen. Weiters sei zu beachten, daß auch gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie hätten daher kein solches Gewicht, daß sie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme überwögen.
Die fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes erscheine notwendig, um die Beschwerdeführerin "dahin zu bringen, daß sie die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten hat".
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 30. November 1994, B 2191/94-4).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde wendet sich im Ergebnis zu Recht gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG sei erfüllt, weil es sich bei den Übertretungen des § 103 Abs. 2 KFG um "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG handle.
Die maßgebliche Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG lautet:
"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."
Diese Bestimmung wurde - nach Aufhebung der Vorgängerbestimmung durch den Verfassungsgerichtshof - durch die 10. KFG-Novelle (BGBl. Nr. 106/1986) eingeführt. Nach dem Bericht des Verkehrsausschusses dazu (897 Blg. NR 16. GP) diene diese Vorschrift einer geordneten und wirksamen Kontrolle im Straßenverkehr. Hauptanwendungsfall sei die Feststellung eines etwaigen einer Verwaltungsübertretung schuldigen Lenkers. Darüberhinaus solle durch die Normierung der Auskunftspflicht auch die Ausforschung von Zeugen und Straftätern ermöglicht werden.
Wenn der Zulassungsbesitzer seine aus dieser Norm resultierenden Pflichten verletzt, begeht er eine Verwaltungsübertretung und ist dafür gemäß § 134 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit (und im Wiederholungsfalle) mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Da das Gesetz nicht unterscheidet, aus welchem Grund die (verweigerte) Auskunft von der Behörde verlangt wurde, liegt eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG nicht nur dann vor, wenn dadurch die Ausforschung des einer "schwerwiegenden Verwaltungsübertretung" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG oder einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigen Lenkers erschwert oder verhindert wird, sondern auch dann, wenn - wie in der Mehrzahl der Fälle - dadurch lediglich eine weniger ins Gewicht fallende Übertretung - etwa wie ein den übrigen Bestrafungen der Beschwerdeführerin zugrundeliegender Verstoß gegen die Bestimmungen über das Halten und Parken - aufgeklärt werden soll oder - was nach dem Gesetzeswortlaut auch möglich ist - überhaupt kein Bezug zur Ahndung eines Delikts besteht. Obwohl in all diesen Fällen die Erforschung des Lenkers einem berechtigten und wichtigen Anliegen der Behörde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages entspricht, ist daraus ersichtlich, daß einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG nicht etwa gleiches Gewicht beigemessen werden kann wie z.B. den Verstößen gegen § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) oder § 64 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die dafür erforderliche Lenkerberechtigung), bei welchen Übertretungen es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0427) um "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG handelt.
Durch die Bestrafungen der Beschwerdeführerin wegen der Übertretungen des § 103 Abs. 2 KFG ist somit der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht erfüllt.
2. Der angefochtene Bescheid wäre dadurch jedoch noch nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn aufgrund des Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt wäre. Ein Aufenthaltsverbot kann nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt auf § 18 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. erfüllt ist, jedoch triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/18/0184). Das Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin besteht vorliegend darin, daß sie - wie sich aus den aktenkundigen rechtskräftigen Bestrafungen ergibt - neben der dreimaligen Verweigerung der "Lenkerauskunft" insgesamt sieben Mal gegen die Bestimmungen der StVO über das Halten und Parken verstoßen hat und sich im Jahre 1989 von 31. Juli bis 7. September unberechtigt im Bundesgebiet aufgehalten hat. Im Hinblick darauf, daß diese Verwaltungsübertretungen in einem Zeitraum von mehreren Jahren vorgefallen sind und sich der illegale Aufenthalt nur auf einen kurzen Zeitraum erstreckte und überdies lange zurückliegt, geht von der Beschwerdeführerin nicht jene Beeinträchtigung öffentlicher Interessen aus, daß sie die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdete (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG) oder ihr Aufenthalt anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderliefe (§ 18 Abs. 1 Z. 2 FrG).
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist daher im vorliegenden Fall die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt.
3. Dadurch, daß die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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