VwGH 94/18/0989

VwGH94/18/09895.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. März 1994, Zl. SD 146/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. März 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, am 6. April 1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freihheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Damit lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Angesichts des der Verurteilung zugrunde liegenden Fehlverhaltens sei auch die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem Jahr 1990 in Österreich auf und sei hier mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Das Aufenthaltsverbot stelle daher einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutze der Rechte und Freiheiten Dritter, aber auch im Interesse der Volksgesundheit und zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten und daher zulässig (§ 19 FrG). Der Beschwerdeführer habe sich nicht nur des Verbrechens des Suchtgifthandels schuldig gemacht, sondern halte sich seit 30. Oktober 1991 unerlaubt in Österreich auf, wofür er auch rechtskräftig bestraft worden sei. Dieses Verhalten wirke ebenfalls schwer, werde doch damit in aller Deutlichkeit dokumentiert, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken habe, sich (auch) über die für ihn maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen hinwegzusetzen. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes müsse den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes das weitaus größere Gewicht als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie beigemessen werden. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er an einer unheilbaren Krankheit leide, nichts zu ändern. Dieser, wenn auch bedauerliche, Umstand könne nur in einem allfälligen Abschiebungsverfahren Berücksichtigung finden, sei aber bei der hier zu treffenden Entscheidung ohne rechtliche Relevanz.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab (Beschluß vom 26. September 1994, B 846/94).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt der - auf der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verbrechens des Suchtgifthandels beruhende - Schluß der belangten Behörde auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1, die Berechtigung der im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme sowie die Notwendigkeit und damit Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. unbekämpft. Diese rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken; sie steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0600).

2.1. Der Beschwerdeführer hält die von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Er habe im Verwaltungsverfahren mehrfach dargelegt, daß er an einer unheilbaren Krankheit (Sichelzellenanämie) leide und deshalb regelmäßig ambulant behandelt werde. Es bestehe kein Zweifel, daß eine dem "zeitgemäßen Standard" entsprechende Behandlung in seiner Heimat nicht gewährleistet sei. Die belangte Behörde habe diesen Umstand nicht berücksichtigt und die Ansicht vertreten, darauf könne nur in einem allfälligen Abschiebungsverfahren Bedacht genommen werden. Dabei habe sie verkannt, daß gemäß § 20 Abs. 1 FrG die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden im Rahmen der gebotenen Abwägung zu berücksichtigen sei.

2.2. Die belangte Behörde hat der durch die dem Beschwerdeführer zur Last liegende Straftat herbeigeführten Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen zutreffend großes Gewicht beigemessen. Sie hat weiters - gleichfalls zu Recht - darauf hingewiesen, daß die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden gewichtigen öffentlichen Interessen noch deutlich durch den - unbestritten gebliebenen - unerlaubten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit Ende Oktober 1991 verstärkt würden. Dem gegenläufigen, von der belangten Behörde berücksichtigten, in der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin begründeten Interesse des Beschwerdeführers kommt kein hoher Stellenwert zu, da diese Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde (27. November 1992), zu dem er sich bereits über ein Jahr unerlaubt in Österreich aufgehalten und zu dem er aufgrund dessen rechtens auch nicht mit einem längeren Verbleiben im Bundesgebiet rechnen durfte. Im Lichte dieser Interessenlage, die ein deutliches Übergewicht der öffentlichen Interessen ergibt, vermag die schwere (unheilbare) Krankheit des Beschwerdeführers nicht entscheidend zu seinen Gunsten durchzuschlagen. Die belangte Behörde hätte den letztgenannten (aktenkundigen) Umstand zwar in ihre Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG einzubeziehen gehabt (insofern ist die Beschwerde im Recht); die Vermeidung des diesbezüglichen Versäumnisses hätte indes das Abwägungsergebnis nicht wesentlich verändert. Denn abgesehen davon, daß selbst in der Beschwerde nicht behauptet wird, die Krankheit des Beschwerdeführers könne nur in Österreich zielführend behandelt werden, ist im gegebenen Zusammenhang zu bedenken, daß es dem Beschwerdeführer oblegen wäre, im Hinblick auf die langandauernde Unerlaubtheit seines Aufenthaltes und darauf, daß er folglich rechtens nicht mit einem längeren Verbleiben in diesem Land rechnen durfte, rechtzeitig Maßnahmen für eine ausreichende Behandlung seiner - ihm im übrigen nach Ausweis der Akten seit frühester Kindheit bekannten - Krankheit für den Fall der Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich in die Wege zu leiten.

Die behauptete Rechtswidrigkeit der Interessenabwägung liegt demnach nicht vor.

3. Unter Zugrundelegung des Vorgesagten ist der die Sachverhaltsfeststellung in Ansehung der Krankheit des Beschwerdeführers betreffenden Verfahrensrüge der Boden entzogen.

4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte