VwGH 94/18/0746

VwGH94/18/074629.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des G in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. August 1994, Zl. Fr 1894/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §3;
AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
AsylG 1991 §3;
AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. August 1994 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer, einen vormaligen "Staatsangehörigen der UdSSR", gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 Fremdengesetz aus.

Der Beschwerdeführer sei am 18. Mai 1994 illegal in das Bundesgebiet eingereist; er sei nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Sein Asylantrag vom 19. Mai 1994 sei mit Bescheid vom 26. Mai 1994 gemäß § 3 Asylgesetz abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht direkt eingereist, weil er bereits vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in einem anderen Land Schutz vor Verfolgung gefunden habe, weshalb ihm auch nicht eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme. Auf den Beschwerdeführer seien somit die fremdengesetzlichen Bestimmungen anwendbar. Er sei unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und innerhalb eines Monates nach seiner Einreise betreten worden. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben werde. Es seien somit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz erfüllt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet die Erlassung eines Ausweisungsbescheides mit dem Vorbringen für unzulässig, daß ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zukomme, weil er außerhalb Österreichs in keinem Drittland vor Verfolgung sicher gewesen sei. Von Rußland aus habe er einen weiteren Fluchtweg über die Donau nach Österreich beschritten und sei so direkt nach Österreich eingereist.

Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer, daß eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - unter der Voraussetzung rechtzeitiger Antragstellung - nur jenen Asylwerbern zukommt, die "gemäß § 6 eingereist" sind. Letzteres aber trifft auf den Beschwerdeführer nicht zu: Er fällt nicht unter § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991, weil er nicht direkt aus dem Staat gekommen ist, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen. Der Beschwerdeführer gab bei seiner Vernehmung im Asylverfahren am 19. Mai 1994 an, am 3. Mai 1994 mit einem Taxi von Armenien nach Georgien gefahren zu sein. Noch am 3. Mai 1994 sei er mit der Bahn von Georgien (durch Rußland) in die Ukraine gereist und dort am 6. Mai 1994 angekommen. Er habe die Absicht gehabt, in der Ukraine zu bleiben und dort die Entwicklung in seiner Heimat abzuwarten. Mangels Besitzes eines Reisepasses oder Personalausweises sei dies nicht möglich gewesen. Zwei Besatzungsmitglieder eines ukrainischen Frachtschiffes hätten ihm angeboten, gegen Bezahlung von DM 1.000,-- auf dem Frachtschiff auf der Donau bis Wien mitzureisen. Der Beschwerdeführer habe sich mit den beiden Besatzungsmitgliedern auf dem geschleppten Frachtschiff aufgehalten und vor den Grenzkontrollen jeweils unter Deck begeben. In den frühen Morgenstunden des 18. Mai 1994 seien sie in Wien angekommen. Der so erfolgte Grenzübertritt des Beschwerdeführers kann nicht als direkte Einreise nach Österreich gesehen werden, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet, außerhalb Rußlands in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen zu sein. § 6 Abs. 2 leg. cit. kommt deshalb nicht zum Tragen, weil sich kein Anhaltspunkt dafür ergibt und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet wird, daß ihm die Einreise formlos gestattet worden wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/18/0694).

2. Mangels vorläufiger Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 ist auf den Beschwerdeführer die Bestimmung des § 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz anwendbar. Gemäß dieser Bestimmung können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles (des Fremdengesetzes) oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden. Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die Rechtsansicht der belangten Behörde, er sei "illegal", also unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes sowie unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Im Hinblick auf die im Asylverfahren gemachte Aussage des Beschwerdeführers - die zu verwerten der belangten Behörde nicht verwehrt war -, über keinen Reisepaß zu verfügen, hegt der Gerichtshof gegen diese Rechtsansicht jedenfalls bezüglich der Verwirklichung des ersten Falles des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG keine Bedenken.

3. Soweit die Beschwerde auf § 19 Fremdengesetz Bezug nimmt, ist dem zu entgegnen, daß im Fall einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. - anders als im Fall einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. - auf § 19 leg. cit. nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1148, u.a.). Hinsichtlich der Rüge, die sich auf das Fehlen von Feststellungen über die Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Drittländern und der Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 leg. cit. bezieht, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, weshalb dem behaupteten Verfahrensmangel die rechtliche Relevanz mangelt.

4. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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