VwGH 94/10/0059

VwGH94/10/005930.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. Februar 1994, Zl. I-997/93/K2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs4;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 12. November 1993 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe sich am 9. Juli 1993 um 23.30 Uhr in Bregenz neben der Bundesstraße auf Höhe des Hauses R zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten, indem sie sich einem Mann für DM 70,-- zur Durchführung eines Oralverkehrs angeboten habe, welcher anschließend auf einem in der Nähe gelegenen Parkplatz auch durchgeführt worden sei. Es wurde über sie wegen der Übertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Sittenpolizeigesetzes - SPG, Vorarlberger LGBl. Nr. 6/1976 (VSPG) eine Arreststraße in der Dauer von 30 Tagen und eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach der Begründung des Bescheides nahm sie folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

"E.K. stand am 9. Juli 1993 gegen 23.30 Uhr neben der Bundesstraße auf Höhe des Hauses R. Um diese Zeit hielt ein PKW-Lenker auf ihrer Höhe an. Sie öffnete in der Folge die Beifahrertüre und äußerte sie dem PKW-Lenker dahingehend, daß es DM 70,-- koste. Da dem PKW-Lenker auf Grund der Art, wie die Beschuldigte damals am Straßenrand stand, klar war, daß es sich bei ihr um eine Prostituierte handelt, wußte er auch, was die Beschuldigte damit meinte. Der PKW-Lenker war damit einverstanden, sodaß die Beschuldigte dann in seinen PKW eingestiegen ist. In der Folge zeigte sie dann dem PKW-Lenker den Weg zu einer von der Hauptstraße abgelegenen Platz, wo es dann zu einem Oralverkehr gekommen ist. Anschließend brachte sie der PKW-Lenker wieder an ihren Standplatz zurück und fuhr in B-Stadtmitte weiter. Nur einige Meter weiter wurde er von der Patrouille der Städtischen Sicherheitswache angehalten und zum Sachverhalt befragt."

Nach den weiteren Darlegungen des angefochtenen Bescheides habe dieser Sachverhalt insbesondere auf Grund der glaubwürdigen Aussagen des PKW-Lenkers L. und des Sicherheitswachebeamten H. als erwiesen angenommen werden können. Im vorliegenden Fall handle es sich eindeutig um das Anbieten zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht. Die Beschwerdeführerin habe sich dem Freier zur Durchführung von unzüchtigen Handlungen gegen Entgelt angeboten und diese dann auch tatsächlich durchgeführt. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin ein professionelles Verhalten an den Tag gelegt habe (Aufenthalt zur fortgeschrittenen Nachtzeit an einer vielbefahrenen Bundesstraße, Anbieten unzüchtiger Handlungen gegen milieuähnliches Entgelt, Zurverfügungstellen eines Präservatives). Sie habe auch zugegeben, die Prostitution auszuüben und weise mehrere einschlägige Vorstrafen auf. Es sei somit erwiesen, daß sie sich aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen wolle. Milderungsgründe seien nicht zu berücksichtigen. Erschwerend seien sechs einschlägige Vorstrafen; die Beschwerdeführerin habe sich von den bisher über sie verhängten Geld- und Arreststrafen nicht davon abhalten lassen, weiterhin der Gewerbsunzucht nachzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VSPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten.

Nach § 4 Abs. 3 VSPG ist die Unzucht gewerbsmäßig, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Nach § 18 Abs. 1 lit. c VSPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

Soweit die Beschwerdeführerin den Standpunkt vertritt, der angefochtene Bescheid verletze sie im Recht auf Achtung des Privatlebens und verstoße - infolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung - gegen Art. 7 B-VG, und somit die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend macht, ist darauf zu verweisen, daß die Verletzung solcher Rechte durch einen Bescheid gemäß Art. 144 B-VG mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geltend zu machen ist, dessen Zuständigkeit gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließt. Die vorliegende Beschwerde ist dennoch zulässig, weil sie sich nicht darauf beschränkt, die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend zu machen; die Beschwerdeführerin erachtet sich vielmehr - aus dem Inhalt der Beschwerde erkennbar - auch auf einfach-gesetzlicher Ebene in dem Recht verletzt, nicht nach § 18 Abs. 1 lit. c VSPG bestraft zu werden.

Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, § 4 VSPG berühre die dem Schutz des Art. 8 MRK unterliegende Privatsphäre nicht (vgl. VfSlg. 8445/1978 und 8907/1980).

Der Auffassung der Beschwerde, die belangte Behörde habe das Gesetz denkunmöglich angewendet, denn es sei "unerfindlich, auf Grund welchen Verhaltens nach dem festgestellten Sachverhalt die Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung erfüllt haben soll", ist zu erwidern, daß - wie im Rahmen der Erörterung der weiteren Beschwerdegründe im einzelnen darzulegen sein wird - die belangte Behörde in schlüssiger und den Denkgesetzen entsprechender Weise annehmen konnte, der festgestellte Sachverhalt falle unter das Tatbild des § 4 Abs. 1 SPG.

Die Beschwerde macht geltend, es sei "nicht einzusehen, daß die Beschwerdeführerin als Fußgängerin nicht auf einer Straße unterwegs sein soll und dieses Verhalten eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c VSPG darstellen sollte". Damit verkennt die Beschwerde die Feststellungen des angefochtenen Bescheides, wonach die Beschwerdeführerin dem L. (für diesen auf Grund der Umstände unmißverständlich) den Geschlechtsverkehr gegen Entgelt angeboten und tatsächlich ausgeführt habe. Ein mündliches - allgemein (nach dem Inhalt) verständliches - Anbot zur Ausübung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs fällt unter den Begriff der Anbahnung, mag dies auch unter vier Augen erfolgt sein (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0029, unter Hinweis auf Vorjudikatur). Unter "Unzucht" ist im vorliegenden Zusammenhang - die gewerbsmäßige Absicht vorausgesetzt - die Preisgabe des eigenen Körpers für sexuelle Zwecke zu verstehen, wozu insbesondere die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs zählt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0029, unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Ebenso entfernt sich die Beschwerde mit ihrer nicht weiter begründeten Behauptung, der "Nachweis der Ausübung eines Geschlechtsverkehrs" sei nicht erbracht worden, von den Feststellungen des angefochtenen Bescheides; die Beschwerde unternimmt es auch gar nicht, einen im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/10/0112) aufzugreifenden Mangel derselben aufzuzeigen.

Schließlich ist darauf zu verweisen, daß nach § 4 Abs. 1 VSPG schon das ANBIETEN (das ist nach § 4 Abs. 4 leg. cit. jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt) der Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht tatbildlich ist.

An ihre - nach dem Gesagten nicht zutreffende - Auffassung, der "Nachweis der Ausübung eines Geschlechtsverkehrs" sei nicht erbracht worden, knüpft die Beschwerde die Schlußfolgerung, das Verhalten der Beschwerdeführerin sei "gegenüber der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung getreten und hat auch keinen öffentlichen Anstoß geboten". Auch damit wird - abgesehen davon, daß sich schon der Ausgangspunkt dieser Überlegungen als verfehlte Annahme erweist - die Rechtslage verkannt. Die Gewerbsmäßigkeit der Unzucht bringt es notwendigerweise mit sich, daß sie der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tritt; durch die Gewerbsmäßigkeit der Unzucht hört die sexuelle Betätigung auf, eine private zu sein, da einer unbeschränkten Öffentlichkeit die Kenntnisnahme möglich ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. 8272/78, 8445/80 und 8907/80 unter Hinweis auf Stolzlechner, Der Schutz des Privat- und Familienlebens - Art. 8 MRK - im Licht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und der Straßburger Instanzen, ÖJZ 1980, 87, insbesondere Anm. 17 -19, und zuletzt die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/10/0112, und vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0029).

Daß die belangte Behörde Gewerbsmäßigkeit angenommen hat, war nicht rechtswidrig, da sie angesichts der einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin, des Verlangens und der Annahme eines Entgeltes und der Feststellung, das Verhalten der Beschwerdeführerin entspreche dem einer professionellen Prostituierten, im Einklang mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung auf die Absicht schließen konnte, sich durch die wiederkehrende Ausübung der Unzucht fortlaufende Einnahmen zu verschaffen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1992, Zl. 91/10/0175, vom 14. November 1991, Zl. 91/10/0012, und vom 27. Februar 1989, Zl. 88/10/0112).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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