VwGH 94/10/0051

VwGH94/10/005127.6.1994

Der Verwaltungsgerichthof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der "Waldinteressentschaft XY", vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 26. Jänner 1994, Zl. 18.341/19-IA8/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §9;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36;
FlVfLG Vlbg 1979 §31;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §32;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §35 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §73 Abs3 lite;
FlVfLG Vlbg 1979 §73 Abs5;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ABGB §863;
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §9;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36;
FlVfLG Vlbg 1979 §31;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §32;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §35 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §73 Abs3 lite;
FlVfLG Vlbg 1979 §73 Abs5;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Februar 1992 stellte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz gegenüber dem R.W. gemäß § 5 Abs. 2 ForstG 1975 fest, daß es sich bei näher umschriebenen Flächen des Grundstückes Nr. 810/1 nicht um Wald handle.

Gegen diesen Bescheid erhob die "Waldinteressentschaft XY, vertreten durch den Obmann R.S." Berufung. Sie legte u.a. dar, ihr stehe "auf Grund Ersitzung" die Dienstbarkeit des Holzbezuges auf der gegenständlichen Liegenschaft zu; damit sei die Parteistellung im Waldfeststellungsverfahren verbunden. Sie sei im Verfahren übergangen worden.

Der Rechtsnachfolger des R.W. brachte unter u.a. vor, er habe mit vielen Mitgliedern der Waldinteressentschaft gesprochen. Diese wüßten nichts von der von R.S. erhobenen Berufung. Ein Beschluß über die Erhebung der Berufung sei nicht gefaßt worden.

Die Berufungsbehörde forderte die Waldinteressentschaft zu Handen des einschreitenden Rechtsanwaltes auf, eine Vollmacht oder einen anderen Nachweis (Zustimmung der Mitglieder bzw. Miteigentümer) zu erbringen, woraus ersichtlich sei, daß R.S. zur Erhebung der Berufung berechtigt sei.

Mit Schriftsatz vom 30. April 1993 wurde daraufhin folgendes vorgebracht:

"Eine Vollmacht oder ein Beschluß der Waldinteressentschaft wird nicht vorgelegt. R.S. ist jedenfalls als Obmann der Waldinteressentschaft XY zur Vertretung nach außen berechtigt. Es ist nicht Sache der Behörde, zu erheben, ob die interne Willensbildung von der Gemeinschaft statutengemäß bzw. gesetzgemäß erfolgt ist. Die Behörde hat die grundsätzliche Vertretungsbefugnis des Obmannes der Interessentschaft zur Kenntnis zu nehmen. Eine allfällige mangelhafte Willensbildung oder deren Unterbleiben könnte höchstens interne Ansprüche der Mitglieder der Waldinteressentschaft gegenüber dem Obmann begründen, berechtigt aber nicht die Behörde, ein Rechtsmittel zurückzuweisen. Selbst wenn die Berufungslegitimation der Waldinteressentschaft bestritten würde, käme R.S. als Obmann und Mitglied der Waldinteressentschaft Parteistellung im Sinne des § 19 Abs. 5 lit. b ForstG ("dinglich Berechtigter") zu. Es ist daher ohne Relevanz, ob der eingebrachten Berufung die Willensbildung sämtlicher Mitglieder der Waldinteressentschaft oder nur der Wille von R.S. als Mitglied dieser Gemeinschaft zugrunde liegt".

Die Agrarbezirksbehörde teilte auf Anfrage der Berufungsbehörde mit, bei der "Waldinteressentschaft XY" handle es sich offenbar um eine nicht regulierte Agrargemeinschaft, die über keine Satzung verfüge.

Der Landeshauptmann von Vorarlberg wies die Berufung zurück. Begründend wurde dargelegt, eine zulässige Berufung der Waldinteressentschaft hätte gemäß § 73 Abs. 5 des Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetzes (FlVLG) die Zustimmung aller Mitglieder bzw. deren Mehrheit oder die Zustimmung der Agrarbehörde vorausgesetzt. Darauf habe sich der Vertreter der Waldinteressentschaft nicht gestützt bzw. sei es ihm trotz Aufforderung nicht möglich gewesen, eine entsprechende Beschlußfassung bzw. Willensäußerung der Waldinteressentschaft vorzulegen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde - soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist - dargelegt, der Obmann sei "sozusagen der Geschäftsführer der Körperschaft und sohin nach außen geschäftsführungs- und vertretungsbefugt". Zu seinen Befugnissen gehöre zweifellos auch das Recht, als Vertreter der Körperschaft zu deren Gunsten eine Berufung einzubringen. Im übrigen bestehe im vorliegenden Fall eine interne Vereinbarung und Übung, wonach der Obmann berechtigt sei, alles der Interessentschaft Nützliche und ihren Zwecken Dienliche selbständig und ohne jede vorherige Rücksprache mit den einzelnen Mitgliedern vorzukehren und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wozu insbesondere auch die Einbringung eines die Interessen der Gemeinschaft wahrenden Rechtsmittels gehöre. Im übrigen sei es nicht Sache der Behörde, zu prüfen, ob der Einbringung der Berufung eine interne Willensbildung der Berufungswerberin vorangegangen sei. Sie habe vielmehr die Vertretungsbefugnis des R.S. ohne weitere Prüfung zur Kenntnis zu nehmen. Es handle sich nämlich nicht um gewillkürte Vertretung im Sinne des § 10 AVG, sondern um gesetzliche Vertretung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitat des § 73 Abs. 5 FlVLG die Auffassung, bei der "Waldinteressentschaft" handle es sich um eine Agrargemeinschaft, die nicht körperschaftlich eingerichtet sei, da eine Satzung weder beschlossen noch von der Behörde genehmigt worden sei. Eine "abweichende Vereinbarung" im Sinne des § 73 Abs. 5 leg. cit. sei nicht getroffen bzw. trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vorgelegt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist zunächst die Frage der Parteifähigkeit der "Waldinteressentschaft" zu untersuchen; denn der angefochtene, die Zurückweisung der Berufung bestätigende Bescheid wäre im Ergebnis jedenfalls rechtmäßig, wenn der Berufungswerberin die Parteifähigkeit fehlte.

Die Frage, ob Agrargemeinschaften Rechtspersönlichkeit zukommt, ist an Hand derjenigen Vorschriften zu beurteilen, die die Bundesländer in Ausführung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes erlassen haben (vgl. OGH, SZ 48/62 mwN), im Beschwerdefall somit an Hand der Vorschriften des Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 2/1979.

§ 32 leg. cit. lautet:

"1. Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an welche Anteilsrechte an einer agrargemeinschaftlichen Liegenschaft gebunden sind (Stammsitzliegenschaften), bildet einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteile zustehen, eine Agrargemeinschaft.

2. Agrargemeinschaften, die aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, müssen von der Behörde aufgestellte oder von der Behörde genehmigte Satzungen (§ 73) haben. Sie sind Körperschaften öffentlichen Rechts".

Aus der Regelung des Abs. 2 der zitierten Vorschrift folgt, daß sich die Verleihung der Eigenschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts (durch den zweiten Satz der Vorschrift) nur auf die im ersten Satz erwähnten Agrargemeinschaften bezieht; nur solche Agrargemeinschaften, die von der Behörde aufgestellte oder von der Behörde genehmigte Satzungen (§ 73) haben, sind somit jedenfalls Körperschaften öffentlichen Rechts.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz ergangene Erkenntnis vom 20. Jänner 1981, Slg. 10345/A) darf jedoch allein aus einer solchen Anordnung nicht der Schluß gezogen werden, daß anderen Agrargemeinschaften Rechtspersönlichkeit nicht zukäme. Vielmehr hat der Gerichtshof aus bestimmten, den im folgenden erwähnten Vorschriften des Gesetzes inhaltsgleichen Anordnungen gefolgert, daß auch Agrargemeinschaften, denen keine Satzung verliehen ist, die Fähigkeit zukommen könne, Träger von Rechten und Pflichten zu sein; auf die Entscheidungsgründe des soeben erwähnten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Im Beschwerdefall ist von einer nahezu identen Rechtslage auszugehen. Im Sinne der soeben dargelegten Rechtsprechung folgt aus den - zwischen Agrargemeinschaften, denen im Sinne des § 32 Abs. 2 erster Satz FlVLG eine Satzung verliehen wurde und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, nicht unterscheidenden - Vorschriften der §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 2 und 73 Abs. 5 FlVLG, daß auch im Anwendungsbereich des Vorarlberger FlVLG den "satzungslosen" Agrargemeinschaften die Fähigkeit zukommt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.

Im Beschwerdeverfahren ist nicht mehr strittig, daß die "Waldinteressentschaft" eine Agrargemeinschaft im Sinne der §§ 31 ff FlVLG ist. Ihr kommt daher - ungeachtet des ebenfalls unstrittigen Umstandes, daß ihr keine Satzung verliehen wurde - im vorliegenden Zusammenhang Rechtspersönlichkeit zu.

Von diesem Ergebnis ausgehend ist zu untersuchen, ob der Einschreiter R.S. als zur Erhebung der Berufung für die Waldinteressentschaft legitimiert anzusehen war.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, Slg. 10174/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Organe als zur Erhebung eines Rechtsmittels bzw. einer Beschwerde berechtigt anzusehen sind, wenn die ordnungsgemäß kundgemachten Organisationsnormen der juristischen Person von einer "Vertretung nach außen schlechthin" sprechen. Auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen ist in einem solchen Fall nicht zurückzugreifen. Binden die Organisationsnormen der juristischen Person das (Vertretungs-)Handeln der zur Vertretung berufenen Organe nach außen jedoch an die Mitwirkung anderer Organe, kann von einer Befugnis "zur Vertretung nach außen schlechthin" hingegen nicht gesprochen werden (vgl. die Erkenntnisse bzw. Beschlüsse vom 15. Dezember 1987, Slg. 12594/A, vom 12. Jänner 1988, Zl. 86/07/0277, und vom 16. November 1993, Zl. 91/07/0072). Die in der erstzitierten Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachte Unbeachtlichkeit von im Gesetz und/oder in Satzungen enthaltenen, die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnden Normen für die Berechtigung zur Beschwerdeerhebung findet nämlich ihre Begründung ausschießlich darin, daß die jeweils maßgebenden Organisationsnormen in Ansehung eines bestimmten Organes von einer Vertretung nach außen schlechthin sprechen.

Schon im Hinblick darauf, daß die Waldinteressentschaft keine Satzung im Sinne des § 73 Abs. 1 bis 3 FlVLG beschlossen hat - und somit eine Regelung betreffend die Wahl, die Rechte und Pflichten der zur Vertretung der Gemeinschaft und zum Vollzug der Beschlüsse berufenen Organe im Sinne des § 73 Abs. 3 lit. e leg. cit. fehlt - kann der Einschreiter nicht als zur Vertretung der Gemeinschaft nach außen schlechthin im Sinne der zuletzt zitierten Vorschrift berufener Obmann angesehen werden.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hatte er sich jedoch - im Zusammenhang mit der Vertretungsbefugnis - mit der lapidaren Behauptung, er sei "Obmann", begnügt. Daß dies nicht der Sach- und Rechtslage entsprach, wurde soeben dargelegt. Die Berufungsbehörde hat daher im Einklang mit § 13 Abs. 3 AVG den Versuch unternommen, den Einschreiter zum Nachweis seiner Vertretungsbefugnis "durch Übermittlung einer entsprechenden Vollmacht oder eines anderen Nachweises (Zustimmung der Mitglieder bzw. Miteigentümer), woraus ersichtlich ist, daß R.S. zur Erhebung der eingebrachten Berufung berechtigt ist" (vgl. den Vorhalt vom 29. Närz 1993) anzuhalten. Mit dem Schreiben vom 30. April 1993, dessen Inhalt oben wiedergegeben ist, hat sich der Einschreiter - mit dem Bemerken, daß er jedenfalls "als Obmann der Waldinteressentschaft" zur Vertretung nach außen berechtigt und es nicht Sache der Behörde sei, die Gesetzes- oder Statutengemäßheit der internen Willensbildung der Gemeinschaft zu erheben - ausdrücklich geweigert, dieser Aufforderung zu entsprechen. Bei dieser Sachlage entsprach der Bescheid der Berufungsbehörde - und der ihn rezipierende Bescheid des Landeshauptmannes - dem Gesetz.

Selbst wenn man die - erstmals in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid - behauptete "interne Vereinbarung und Übung", wonach R.S. "berechtigt sei, alles der Interessentschaft Nützliche und ihren Zwecken Dienliche selbständig und ohne jede vorherige Rücksprache mit den Mitgliedern vorzukehren und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wozu insbesondere auch die Einbringung eines die Interessen der Gemeinschaft wahrenden Rechtsmittels gehöre", als - allenfalls konkludente - Bestellung eines "Verwalters" im Sinne des § 73 Abs. 5 FlVLG, dem die Befugnis zur Vertretung nach außen schlechthin eingeräumt wurde, deuten wollte, wäre für die Beschwerde nichts gewonnen, weil dies nichts daran ändert, daß die Berufungswerberin dem gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu Recht erteilten Auftrag nicht nachgekommen ist.

Soweit die Beschwerde geltend macht, § 10 AVG berechtige die Behörde lediglich, im Zweifelsfall die Erteilung einer Vollmacht, nicht jedoch, das Vorliegen gesetzlicher Vertretung zu überprüfen, übersieht sie, daß das Vorgehen der Berufungsbehörde im Beschwerdefall seine Grundlage in § 13 Abs. 3 AVG hat.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

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