Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die X-Aktiengesellschaft in Wien erwarb mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 1962 zunächst einen 428/4878-Anteil an der Liegenschaft EZ 1050, Grundstück Nr. 1133/1 (Wien, Ecke N-Gasse 44-S-Gasse 3), wobei gemäß Punkt VI dieses Vertrages mit diesen Liegenschaftsanteilen das Wohnungseigentum am gesamten Erdgeschoß des Straßentraktes mit Ausnahme der gemeinsamen Einfahrt lt. genehmigten Bauplänen und den im Hof gelegenen Serviceboxen verbunden wurde. Aus dem am 11. Oktober 1963 mit der X-Aktiengesellschaft und 29 weiteren Wohnungseigentümern abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag ergibt sich, daß hinsichtlich des nunmehr festgestellten 940/9132-Anteiles der X-Aktiengesellschaft das Wohnungseigentum am Geschäftslokal mit den Bestandteilen "Tankstelle/AR, Lagerraum, V, Gd, Waschraum, WC und drei PKW-Boxen" im Ausmaß von 850,02 m2 verbunden ist.
Die X-Aktiengesellschaft beantragte beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, am 15. September 1992 die Baubewilligung für bestimmte Änderungen an dieser Tankstelle, welche mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 25. September 1992 bewilligt wurden. Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993, wurde infolge Berufung mehrerer Wohnungseigentümer der vorgenannten Liegenschaft der Baubewilligungsbescheid aufgehoben und die beantragte Baubewilligung versagt.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 22. Juni 1993 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer folgender Schuldspruch erlassen:
"Sie haben als Vorstandsmitglied und somit zur Vertretung nach außen Berufener der X-AG mit dem Sitz in Wien, F-Straße 7, diese Miteigentümerin der Liegenschaft in Wien, S-Gasse 3-5, zu verantworten, daß vom 6.3.1993 bis 19.4.1993 in Wien, S-Gasse 3-5, der vorschriftswidrige Bau, der darin bestand, daß der 20.000 Liter fassende unterirdische Behälter der Tankstelle ausgebaut und durch einen in vier gleich große Kammern unterteilten, 40.000 l Behälter ersetzt sowie die vier Zapfsäulen gegen zwei Multiproduktzapfsäulen ausgetauscht wurden und für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, nicht beseitigt wurde, obwohl ein Füllschacht und eine Rohrtrasse für Fülleitungen und Gaspendelleitungen in der als gemeinsamer Teil des Hauses anzusehenden Ein- und Ausfahrt des Hauses errichtet wurden, und der neue unterirdische Behälter etwa 1,5 m in diesen gemeinsamen Teil hineinragte, und daher eine Baubewilligung erforderlich war.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien, LGBl. Für Wien Nr. 11/1930 in der geltenden Fassung.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie folgende Strafe verhängt:
Eine Geldstrafe von S 40.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen, gemäß § 135 Abs. 1 Bauordnung für Wien.
Ferner haben sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
4.000,-- Schilling als Beitrag zu Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 44.000,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)."
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. September 1994 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.
Entscheidungswesentlich führte die belangte Behörde in der Begründung hiezu aus, gemäß § 3 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen und über Tankstellen in Wien (Wiener Garagengesetz), LGBl. Nr. 22/1957, bedürfe jegliche Bauführung zur Errichtung oder Vergrößerung von Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen oder von Tankstellen einer behördlichen Bewilligung im Sinne der §§ 60 und 70 oder 71 der Bauordnung für Wien. Es bestünde kein Zweifel daran, daß der Austausch des unterirdischen Tankbehälters durch einen größeren Tankbehälter mit einer damit verbundenen Verdoppelung des Tankvolumens im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen bewilligungspfichtig sei. Die von der Baubehörde erster Instanz zunächst bewilligte Bauführung sei mit Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993 aufgehoben worden. Spätestens mit dieser Berufungsentscheidung habe der Beschwerdeführer von dem Umstand gewußt, daß bezüglich der gegenständlichen Bauführung keine Bewilligung vorgelegen habe und daher die von der X-AG durchgeführten Maßnahmen zu beseitigen gewesen wären. Vorschriftswidrig sei jeder Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich gewesen sei, für den aber eine Baubewilligung nicht vorliege. Entscheidend sei nicht, ob zu irgendeinem Zeitpunkt eine (noch nicht rechtskräftige) Baubewilligung vorliege, sondern daß zum Zeitpunkt der Auftragserteilung eine solche Bewilligung nicht bestanden habe. Zum Vorbringen, die Tatsache, daß gegen den Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden sei und für den Beschwerdeführer daher nicht zumutbar gewesen sei, vor Fällung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes den aufgetragenen Umbau, welcher mehrere Millionen Schilling verschlingen würde, durchzuführen, sei auszuführen, daß der Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien mit der Zustellung am 5. März 1993 erlassen worden und in Rechtskraft erwachsen sei. Einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof komme aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Der Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien sei daher rechtskräftig und vollstreckbar und damit zu befolgen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht bestraft zu werden, verletzt".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 93/05/0162, wurde der in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung erwähnte Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Gemäß § 129 Abs. 10 Wiener Bauordnung (BO) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Gemäß § 135 Abs. 1 BO werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis S 300.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten bestraft.
Eine eigenmächtige Bauführung liegt vor, wenn ein bewilligungspflichtiger Bau ohne Baubewilligung ausgeführt wird. Während des Laufes des Verfahrens über ein Bauansuchen ist eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung des bauordnungswidrigen Baues nicht zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Oktober 1969, Slg. Nr. 7657/A).
Die belangte Behörde begründete die Rechtmäßigkeit des Straferkenntnisses der Strafbehörde erster Instanz damit, daß die den Gegenstand der Bestrafung bildenden Bauführungen der X-Aktiengesellschaft ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführt worden seien, da die mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 vom 25. September 1992 zunächst bewilligten Bauführungen mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993 untersagt worden seien.
Die mit dem oben erwähnten hg. Erkenntnis vom 19. September 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgte Aufhebung dieses Bescheides der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993 wirkt gemäß § 42 Abs. 3 VwGG auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zurück (ex tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Diese ex tunc-Wirkung bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. August 1991, Zl. 88/17/0005 mwN, sowie vom 7. Juli 1993, Zl. 93/04/0019).
Da nun der angefochtene Bescheid die Bestrafung des Beschwerdeführers auf den vom Verwaltungsgerichtshof nunmehr aufgehobenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 1993 gründet, hat der angefochtene Bescheid infolge der ex tunc-Wirkung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis verloren. Für den Verwaltungsgerichtshof ergibt sich nunmehr die Sach- und Rechtslage, daß ein die hier zu beurteilenden Baumaßnahmen der X-Aktiengesellschaft betreffendes Bauansuchen vom 15. September 1992 vorliegt, welches mit aufrechtem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 25. September 1992 bewilligt worden ist und über welches infolge Berufung mehrerer Miteigentümer nunmehr die Berufungsbehörde zu entscheiden hat. Während des Laufes dieses Verfahrens über das Bauansuchen der X-Aktiengesellschaft ist aber auf Grund des obzitierten hg. Erkenntnisses des verstärkten Senates vom 14. Oktober 1969 eine Bestrafung wegen Nichtbeseitigung des bauordnungswidrigen Baues durch den Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied der X-Aktiengesellschaft nicht zulässig.
Schon aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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