VwGH 94/05/0294

VwGH94/05/029420.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der I-AG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 1994, Zl. R/1-V-93102/00, betreffend Anrainereinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. "X" Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft, Gesellschaft mbH in W,

2. Marktgemeinde G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §39 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §44;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §9;
BauO NÖ 1976 §116;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
AVG §1;
AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §39 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §44;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §9;
BauO NÖ 1976 §116;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 10. Februar 1992 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer aus 59 Wohnungen bestehenden Wohnhausanlage in der Marktgemeinde G auf ihrem Grundstück Nr. 1616/1 der Liegenschaft EZ. 2166 KG G laut beigelegten Einreichplänen. Das eingereichte Projekt ist der erste Teil einer umfassenden Bebauung des vorzitierten Grundstückes. An dieses Grundstück grenzt das Straßengrundstück Nr. 1616/361, inneliegend der EZ. 3427, KG G, der Beschwerdeführerin. Das der Beschwerdeführerin gehörige Grundstück Nr. 1616/319, inneliegend der Liegenschaft EZ. 2490, KG G, ist von dem der erstmitbeteiligten Partei gehörigen Grundstück Nr. 1616/1 desselben Grundbuchs durch eine 150 m breite, unbebaute Fläche getrennt. Auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin befindet sich die Produktionshalle. Nach Angaben der Beschwerdeführerin handelt es hiebei um eine gefahrengeneigte Anlage im Sinne des § 2 Z. 1 lit. a und § 7 der Störfallverordnung, BGBl. Nr. 553/1991, von welcher eine erhebliche Geruchs- und Lärmbelästigung ausgeht und welche täglich 24 Stunden in Betrieb ist. Die weiteren Betriebsgrundstücke der Beschwerdeführerin Nr. .552 und 197/18, inneliegend der Liegenschaft EZ. 935, KG W, sind von dem zu bebauenden Grundstück der Erstmitbeteiligten ca. 170 m entfernt, getrennt durch die Grundstücke Nr. 1616/341, inneliegend der Liegenschaft EZ. 2745, KG G, der Y-Leasing Gesellschaft mbH sowie Nr. 1616/362 und 1616/335, inneliegend den Liegenschaften EZ. 3275 bzw. 2737 je KG G der J Gesellschaft mbH & Co. KG. Nach Angaben der Beschwerdeführerin befinden sich auch auf diesen Grundstücken Produktionsstätten, in denen gefahrengeneigte Anlagen im Sinne der vorzitierten Verordnungsstellen betrieben werden. Etwa 250 m von dem zu bebauenden Grundstück der Erstmitbeteiligten befindet sich ein Verbrennungsofen, dessen Geräuschpegel zulässigerweise 70 dB beträgt. Auch von diesen Anlagen, die täglich 24 Stunden in Betrieb stehen, gehen empfindliche Geruchs- und Lärmbelästigungen aus. Auf der Liegenschaft EZ. 935, KG W, befindet sich ein mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung bewilligter Zivilflugplatz (Hubschrauberlandeplatz). Mit Bescheid vom 8. Juli 1971 genehmigte die Niederösterreichische Landesregierung die Aufnahme des Luftverkehrs. Mit der Benützung dieses Zivilflugplatzes kommt es zu einer erheblichen, weithin hörbaren Lärmbelästigung.

Zur Bauverhandlung des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei am 21. Mai 1992 erschien für die Beschwerdeführerin Ing. P, welcher laut Protokoll folgende "Einwendungen" bzw. "Stellungnahmen" abgab:

"Der erschienene Anrainer erhebt bei plan-, beschreibungs- und bedingungsgemäßer Ausführung gegen das Vorhaben keinen Einwand. Er bedingt sich außerdem die völlige Schadloshaltung aus. Er gibt eine schriftliche Erklärung ab, die als Beilage 2 zum Akt genommen wird, in der er ausdrücklich auf die Nähe des benachbarten Betriebsgebietes und die dadurch entstehenden erhöhten Immissionswerte hinweist. Er hat sich vor Verhandlungsende entfernt."

Die in der Verhandlungsschrift erwähnte Beilage 2 hat folgenden Inhalt:

"Interne Mitteilung

von: P an: Hr. DI. R

Betrifft: Ladung Baubewilligung - Wohnhausanlage

N-G

Werde am Donnerstag, den 21.5.1992 an der Verhandlung teilnehmen und möchte nachstehenden Passus in die Verhandlungsschrift aufnehmen lassen:

Der Vertreter der Firma I weist daraufhin, daß die Wohnanlage unmittelbar neben einem bestehenden Betriebsgebiet angesiedelt wird und die Bewohner daher mit, für solche Gebiete zulässigen, erhöhten Immissionswerten zu rechnen haben.

Im Interesse der Benützer dieser Wohnanlage sollte eine Informationspflicht seitens des Vermieters darüber erteilt werden.

Bitte um Rücksprache ..." Es folgt eine Unterschrift.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1992 erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Partei der erstmitbeteiligten Partei als Bauwerber über das Ansuchen vom 20. Februar 1992 und auf Grund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom 21. Mai 1992 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. 8200 (NÖ BauO) die Bewilligung zur Ausführung des beantragten Bauvorhabens.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde G vom 14. April 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 118 Abs. 8 NÖ BauO zurückgewiesen. In der Begründung führte die Berufungsbehörde aus, die Beschwerdeführerin sei auf Grund der räumlichen Situation nur mit dem ihr gehörigen Straßengrundstück 1616/361, KG G, Nachbar im Sinne der NÖ BauO. Beeinträchtigungen dieses Straßengrundstückes durch die mit dem erstinstanzlichen Bescheid bewilligte Bauführung oder umgekehrt Beeinträchtigungen des mit dem bekämpften Bescheid bewilligten Projektes durch das angrenzende Straßengrundstück der Beschwerdeführerin seien auszuschließen und würden nicht einmal behauptet. Die bestimmungsgemäße Nutzung einer Straße bestehe in der Abwicklung des Verkehrs und der Aufschließung des Baulandes. Beide Funktionen der Straßenfläche würden durch die Bauführung nicht beeinträchtigt. Andererseits berühre die Benützung der Straßenfläche das Baugrundstück Nr. 1616/1, KG G, nicht. Es könnten sohin aus den angeführten Gründen durch die mit dem bekämpften Bescheid bewilligte Bauführung keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin im Sinne des § 118 Abs. 8 NÖ BauO verletzt werden. Der Beschwerdeführerin mangle es daher auf Grund dieser Gesetzesbestimmung an der Parteistellung im gegenständlichen Bauverfahren. Derjenige, dem im Verfahren keine Parteistellung zukomme, habe auch kein Berufungsrecht. Selbst wenn der Beschwerdeführerin Parteistellung zukäme, wäre die Berufung abzuweisen gewesen, weil die Beschwerdeführerin mit den in ihrer Berufung bzw. Berufungsergänzung vorgebrachten Einwendungen präkludiert wäre.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 als unbegründet ab. In der Begründung ging die Vorstellungsbehörde davon aus, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin bei der Bauverhandlung vor der Baubehörde erster Instanz keine mündlichen Einwendungen erhoben, jedoch eine schriftliche Erklärung abgegeben habe, in welcher auf das in unmittelbarer Nähe der geplanten Wohnhausanlage gelegene Betriebsareal der Beschwerdeführerin hingewiesen worden sei und weshalb die zukünftigen Bewohner mit erhöhten Immissionen zu rechnen hätten. Die Vorstellungsbehörde schließe sich der Meinung des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei an, wonach eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Beschwerdeführerin ausgeschlossen erscheine. Gemäß § 118 Abs. 8 NÖ BauO genössen nur Grundstückseigentümer als Anrainer im weiteren Sinn Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden könnten. Damit sei eine unmittelbare Beeinträchtigung der Anrainer gemeint. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Beeinträchtigung durch die zu erwartenden Anrainerbeschwerden sei eine mittelbare Beeinträchtigung. Aus dieser lasse sich keine Parteistellung nach § 118 Nö BauO in Verbindung mit § 8 AVG ableiten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0073).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. September 1994, B 1312/94-3, an den Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid u.a. in ihrem aus § 118 Abs. 8 in Verbindung mit Abs. 9 NÖ BauO ableitbaren subjektiv-öffentlichen Recht, als Grundstückseigentümerin Parteistellung gemäß § 8 AVG zu genießen, wenn sie durch ein Bauprojekt in ihren sich auf die Liegenschaft beziehenden subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wird sowie "in ihrem aus dem AVG und der NÖ BauO ableitbaren subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Beschwerde kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Gemäß § 118 NÖ BauO, in der im Hinblick auf die Erlassung des Berufungsbescheides anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-10, genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

  1. 1. den Brandschutz;
  2. 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

    3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

    4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

    Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Slg. Nr. 9485/A zur Parteistellung eines Anrainers gemäß § 118 Abs. 8 NÖ BauO hingewiesen hat, ist die Wortfolge "wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden" im Sinne von "verletzt werden können", also so zu verstehen, daß es auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ankommt. Die Verletzung von Rechten kann nicht Voraussetzung der Parteistellung sein.

    Aus der Begründung der Vorstellungsbehörde, die Parteistellung der Beschwerdeführerin sei deshalb zu verneinen, weil die von ihr behauptete Beeinträchtigung durch die zu erwartenden Anrainerbeschwerden eine mittelbare Beeinträchtigung darstelle, ergibt sich, daß die Worte "berührt werden" als "verletzt werden" verstanden wurden. Die Berufungsbehörde belastete daher ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wenn sie die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückwies.

    Dies allein vermag jedoch der Beschwerde zu keinem Erfolg zu verhelfen, da die Parteistellung eines Nachbarn im Baubewilligungsverfahren beschränkt ist und ein Nachbar nur im Zusammenhang mit der Regelung des § 42 AVG einen Rechtsanspruch darauf hat, daß ein Bauvorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch baurechtliche Bestimmungen eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte nicht verletzt (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, Seite 38).

    Hat der Nachbar als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß geladen wurde, rechtzeitig - spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung vor der Behörde oder während der Verhandlung - gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben, dann ist anzunehmen, daß er dem Bauvorhaben zustimmt. Verspätet erhobene Einwendungen finden keine Berücksichtigung. Der Nachbar hat also nur hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen - von der Geltendmachung der Unzuständigkeit der Baubehörde und der mangelnden Partei- oder Handlungsfähigkeit des Bauwerbers abgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A) - einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des unterinstanzlichen Bescheides. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben die Rechtsfolgen der Präklusion zu berücksichtigen (vgl. Hauer, a.a.O. S. 95). Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1994, Slg. Nr. 8700/A). Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur vor, wenn dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. das

    hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1985, Zl. 82/05/0185, BauSlg. Nr. 440). Der Widerruf einer bei einer mündlichen Verhandlung abgegebenen, als Zustimmung aufzufassenden Erklärung durch einen ordnungsgemäß geladenen Verhandlungsteilnehmer ist rechtlich wirkungslos (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 18. November 1974, Slg. Nr. 8708/A, nur Rechtssatz).

    Die von der Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter in der Verhandlung vom 21. Mai 1992 abgegebene Stellungnahme, gegen das Vorhaben bei plan-, beschreibungs- und bedingungsgemäßer Ausführung keinen Einwand zu erheben, ist somit als Zustimmung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung aufzufassen. Die vorgelegte, als Beilage 2 bezeichnete interne Mitteilung ändert daran nichts, kann doch daraus im Zusammenhang mit der vor der Behörde abgegebenen Erklärung keine behauptete Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden.

    War aber die Beschwerdeführerin mangels rechtzeitiger Geltendmachung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des § 42 AVG präkludiert, dann war es der Berufungsbehörde verwehrt, auf ihre erstmals in der Berufung geltend gemachten Einwendungen einzugehen.

    Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vor, die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin bei der Bauverhandlung mündlich keine Einwendungen erhoben habe, sei unrichtig. Die Feststellungen gründeten sich auf ein offensichtlich unrichtiges und rechtswidrig zustandegekommenes Protokoll. Die Fehlerhaftigkeit des Protokolls sei von der bescheiderlassenden erstinstanzlichen Behörde zugegeben und die Ergänzung desselben ohne Einwand zugesichert worden. Aber selbst die Ergänzung der ursprünglichen Niederschrift sei unrichtig und unvollständig. Die Niederschrift über die Bauverhandlung vom 21. Mai 1992 leide an erheblichen Formfehlern. Entgegen der ursprünglichen Protokollierung sei vom Vertreter der Beschwerdeführerin die richtige Wiedergabe des Verhandlungsergebnisses in der Niederschrift nicht bestätigt worden. Entgegen § 14 AVG enthalte das ursprüngliche Protokoll auch keine Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgt sei. Ebensowenig sei durch das die Amtshandlung leitende Organ die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe ausdrücklich bestätigt worden. Diese Mängel hafteten auch der rechtswidrig ergänzten Fassung der Niederschrift an. Entspreche die Bauverhandlungsniederschrift nicht vollkommen den Bestimmungen des § 14 AVG, müsse nicht der Rechtsmittelwerber gegen die Richtigkeit des bezeugten Vorganges den Gegenbeweis antreten, vielmehr obläge es der belangten Behörde, durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen Beweis über den Inhalt der Bauverhandlung, insbesondere über den Inhalt der Erklärung des Rechtsmittelwerbers, aufzunehmen. Die belangte Behörde habe solche Ermittlungen unterlassen. Sie habe ihrer Entscheidung das rechtswidrige Protokoll zugrundegelegt. Dadurch leide der angefochtene Bescheid an einem erheblichen Verfahrensmangel.

    Die Berufungsbehörde führte in der Begründung ihres Bescheides vom 14. April 1993 unter Hinweis auf die im Protokoll der Baubehörde erster Instanz vom 21. Mai 1992 enthaltene - eingangs wiedergegebene - Stellungnahme der Beschwerdeführerin sowie die vorgelegte interne Mitteilung, Beilage 2, aus, diese Erklärungen stellten keine Einwendungen im Rechtssinne gegen das gegenständliche Bauvorhaben dar. Es wären also die Berufung sowie die Berufungsergänzung der Beschwerdeführerin dann, wenn diese nicht ohnedies aus den genannten Gründen zurückzuweisen gewesen wären, wegen Präklusion abzuweisen gewesen.

    In der Vorstellung führt die Beschwerdeführerin hiezu aus, ihr Vertreter habe in der Verhandlung vom 12. Mai 1992 behauptet, daß durch das geplante Bauvorhaben ihre subjektiv-öffentlichen Rechte insoweit verletzt würden, als sie (die Beschwerdeführerin) mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen müsse. Dagegen sei in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden, daß sie bei planmäßiger Ausführung gegen das Vorhaben keinen Einwand erhebe. Diese Protokollierung sei vom Vertreter der Vorstellungswerberin nicht unterfertigt worden. Unter Außerachtlassung des bestehenden Flächenwidmungsplanes habe der Bürgermeister das geplante Bauprojekt mit Bescheid vom 27. Oktober 1992 (ergänzt durch den Bescheid vom 4. Jänner 1993) genehmigt und im Rahmen dieses Projektes die Schaffung von Verkehrsflächen auf Grünlandgebiet vorgesehen. Entgegen den Feststellungen im Berufungsbescheid sei im Rahmen der Bauverhandlung der Einwand erhoben worden, daß durch das geplante Bauvorhaben das sich aus § 62 Abs. 2 NÖ BauO ergebende subjektiv-öffentliche Recht der Beschwerdeführerin verletzt würde. Insoweit sei die Niederschrift über die Bauverhandlung vom 12. Mai 1992 unrichtig. Auch die Ergänzung der ursprünglichen Niederschrift sei unrichtig und unvollständig. Bezüglich dieses Beweisthemas wurde der Vertreter der Beschwerdeführerin Ing. P als Zeuge in der Vorstellung namhaft gemacht.

    Gemäß § 14 Abs. 3 AVG ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Kann eine Person nicht oder nur mittels Handzeichens fertigen, hat sie die Fertigung verweigert oder sich vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenen Teiles der Niederschrift entfernt, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

    Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält keine Ausführungen zu dem Vorbringen in der Vorstellung der Beschwerdeführerin, wonach im Rahmen der Bauverhandlung von ihrem Vertreter der Einwand erhoben worden sei, daß durch das geplante Bauvorhaben das sich aus § 62 Abs. 2 NÖ BauO ergebende subjektiv-Öffentliche Recht der Beschwerdeführerin verletzt würde. Die belangte Behörde hat auch nicht zu erkennen gegeben, auf Grund welcher Beweiserhebungen sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin keine diesbezüglichen Einwendungen erhoben hat. Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat sich entsprechend der Niederschrift vor der Baubehörde erster Instanz vor Schluß der Bauverhandlung nach Abgabe einer Erklärung entfernt. Die im Akt erliegende Ausfertigung der Niederschrift enthält nicht den geforderten Vermerk über die Richtigkeit der Wiedergabe dieses Geschehens und enspricht daher insoweit nicht dem Gesetz (dies wäre nur dann der Fall, wenn der Vertreter der Beschwerdeführerin noch bei Abfassung der Niederschrift anwesend gewesen wäre und diese mit dem wiedergegebenen Inhalt gefertigt hätte). Daraus folgt aber - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 87/05/0117, BauSlg. 969 ausgeführt hat -, daß die Niederschrift auch dann keinen vollen Beweis für die Richtigkeit des bezeugten Vorganges liefert, wenn gegen sie keine Einwendungen im Sinne einer Protokollrüge erhoben worden sind. Die belangte Behörde hätte daher in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach entsprechender Beweisaufnahme durch geeignete Feststellungen klarstellen müssen, welches Vorbringen die Beschwerdeführerin in der Bauverhandlung tatsächlich erstattet hat, oder den Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei mangels hinreichender Entscheidungsgrundlagen im aufgezeigten Sinn infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben müssen. Erst nach Feststellung dieses Sachverhaltes kann mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden, ob die Beschwerdeführerin fristgerecht subjektiv-öffentliche Einwendungen erhoben hat. Durch die Unterlassung diesbezüglicher Ermittlungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war. Angemerkt wird, daß jedoch eine Einwendung allein des Inhaltes, das geplante Vorhaben verletze die subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin insoweit, als sie mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immsissionen rechnen müsse, wie dies offensichtlich von der Beschwerdeführerin vertreten wird, keine Einwendung im Sinne des § 118 Abs. 9 Z. 2 NÖ BauO in Verbindung mit § 62 Abs. 2 leg. cit. darstellt (vgl. hiezu die zutreffenden Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, S. 240 ff und die dort dargestellte hg. Rechtsprechung).

    Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand für Beilagen.

    Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

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