Normen
AVG §42;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewRNov 1988;
WRG 1959 §107 Abs2;
AVG §42;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewRNov 1988;
WRG 1959 §107 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte mit Schriftsatz vom 7. September 1992 den Antrag auf Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für ein "C-Fahrzeugpflegecenter" am näher bezeichneten Standort.
Es wurde sodann am 19. April 1993 eine Ortsaugenscheinsverhandlung durchgeführt, zu der die mitbeteiligte Partei weder persönlich geladen wurde noch ein Anschlag in ihrem Haus erfolgt ist.
Mit Schriftsatz vom 20. April 1993 machte die mitbeteiligte Partei folgendes geltend:
"Ich bin Eigentümerin der Liegenschaft A-Straße 5 KG Welzenegg. Es ist hervorgekommen, daß gestern, den 19.4.93, eine gewerberechtliche Verhandlung, betreffend die Betriebsanlage der Firma C in der A-Str./Ecke P-Straße stattgefunden hat. Ich wurde vom Verhandlungstermin nicht in Kenntnis gesetzt, obwohl ich im betreffenden Bauverfahren Parteistellung habe und überdies der Behörde als Betroffene auch im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren Fa. K GesmbH. P-Str./Ecke A-Str. bekannt bin. Ich fordere sie deshalb auf, neuerlich eine gewerberechtliche Verhandlung auszuschreiben und mich hievon auch zu verständigen(), um mir Gelegenheit zu geben, Einwendungen zu erheben."
In weiterer Folge erging der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 27. Mai 1993, mit dem der Beschwerdeführerin gemäß §§ 74 ff, 333 und 356 Abs. 1 GewO 1973 i. V.m. § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die Betriebsanlagengenehmigung für ein Fahrzeugpflege- bzw. -waschcenter am näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt wurde.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom selben Tag (mit der gleichen Geschäftszahl) wurde das Begehren der mitbeteiligten Partei um neuerliche Ausschreibung einer Verhandlung als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen den zuletzt genannten Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 14. Juni 1993 Berufung, erhob darin gleichzeitig Einwendungen - falls der "angefochtene Bescheid auch eine Rechtsbelehrung im Sinne des AVG darstellen und dadurch eine Frist zur Erhebung von Einwendungen zu laufen beginnen" sollte - und beantragte:
"Die Berufungsbehörde möge
- meiner Berufung stattgeben und die Gewerbebehörde erster Instanz dazu zu veranlassen, eine weitere gewerberechtliche Verhandlung unter meiner ordnungsgemäßen Einbeziehung abzuhalten, oder ihr meine oben gemachten Einwendungen übermitteln,
- falls ein gewerbebehördlicher Bescheid bereits ergangen ist, eine Zustellung des Bescheides an mich veranlassen oder diesen für nichtig erklären und die Gewerbebehörde erster Instanz zu einem neuerlichen Verfahren unter meiner ordnungsgemäßen Einbeziehung anhalten."
Daraufhin erging der Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 18. Oktober 1993, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Der Frau Dr. P zugestellte Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 27.5.1993, Zl: GW-300/924/92, (Zurückweisung von Anträgen zur Begründung der Parteistellung) und der Frau Dr. P nicht zugestellte Bescheid vom 27.5.1993, Zl: GW-300/924/92 (Betriebsanlagengenehmigung für ein Fahrzeugpflege- bzw. -waschcenter in Klagenfurt, A-Straße 2-4), werden behoben und die Angelegenheit (Antrag der C-Ges.m.b.H. vom 7.9.1992) zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt verwiesen."
Über die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 1994 wie folgt:
"I. Der angefochtene Bescheid wird im Grunde des § 63 AVG insoweit behoben, als dieser seinerseits jenen Bescheid des Bürgermeisters von Klagenfurt vom 27.5.1993, Zl. GW-300/924/92, behebt, mit welchem die Betriebsanlagengenehmigung für ein Fahrzeugpflege- und Fahrzeugwaschcenter in Klagenfurt, A-Straße 2-4, erteilt wurde.
II. Der angefochtene Bescheid wird insoweit bestätigt und die dagegen erhobene Berufung gemäß § 356 Abs. 3, 2. Satz GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 iVm.
§ 13a AVG als unbegründet abgewiesen, als durch ihn jener Bescheid des Bürgermeisters von Klagenfurt vom 27.5.1993, Zl. GW-300/924/92, behoben wird, mit welchem das Ansuchen der Dr. P um neuerliche Ausschreibung einer gewerberechtlichen Verhandlung in der unter Punkt I. genannten Sache als unzulässig zurückgewiesen wurde."
Zur Begründung führte die belangte Behörde (zum Spruchpunkt II.) im wesentlichen aus, auf Grund der Aussage des technischen Sachverständigen sei eine Gefährdung bzw. Belästigung der mitbeteiligten Partei als Nachbarin im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 denkmöglich, sodaß die mitbeteiligte Partei jedenfalls als Nachbarin im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sei. Darüber hinaus ergebe sich auf Grund der Einreichunterlagen, daß das Haus der mitbeteiligten Partei in der A-Straße 5 eines jener Häuser sei, das der Betriebsanlage am nächsten liege, und somit unmittelbar benachbart sei. Da die Verständigung von der Abhaltung der Augenscheinsverhandlung somit rechtswidrigerweise nicht im Hause der mitbeteiligten Partei angeschlagen worden sei, sei diese ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, bis zur Augenscheinsverhandlung Einwendungen zu erheben und habe nur mehr "durch rechtzeitige Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3,
2. Satz GewO (binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses) Parteistellung erlangen" können. Erst durch die mit dem antragszurückweisenden Bescheid des Bürgermeisters von Klagenfurt erfolgte Begründung habe die mitbeteiligte Partei von den Voraussetzungen zur Erlangung der Parteistellung erfahren. "Da sie sodann rechtzeitig (§ 356 Abs. 3 GewO) innerhalb von zwei Wochen (mit ihrer dagegen erhobenen Berufung) gleichzeitig Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 erhob, hat sie Parteistellung im gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren erlangt." Wenngleich die gegenständliche Betriebsanlagengenehmigung gegenüber der Beschwerdeführerin bereits rechtskräftig geworden sei, so gelte dies nicht gegenüber der als Partei zu behandelnden mitbeteiligten Partei. Auf Personen, die als Parteien beizuziehen gewesen wären, aber übergangen worden seien, bezögen sich die Bescheidwirkungen nicht (Hinweis auf "VwSlg. N.F. 4368/A, und Folgeerkenntnisse"). Die Behebung des den Antrag der mitbeteiligten Partei zurückweisenden Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt durch den nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten sei somit rechtmäßig und die diesbezügliche Berufung der Beschwerdeführerin daher abzuweisen gewesen. Im fortgesetzten Verfahren werde sich die Behörde erster Instanz mit den - in der Berufung der mitbeteiligten Partei erhobenen - Einwendungen auseinanderzusetzen haben und ihr gegenüber erstmals eine Entscheidung über das gegenständliche Genehmigungsansuchen zu erlassen haben. Sollte diese Entscheidung von der bereits gegenüber der Beschwerdeführerin erlassenen Entscheidung abweichen, so sei diese Entscheidung auch der Beschwerdeführerin gegenüber zu erlassen.
Gegen diesen Bescheid - und zwar ausschließlich gegen dessen Spruchpunkt II. - richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht als Beschwerdepunkt geltend:
"Durch den angefochtenen Bescheid, Spruchteil II., erachtet sich die BF in ihrem im § 77 GewO 1973 in der Fassung seit der Novelle 88 verbrieften Recht auf den Betrieb ihrer Betriebsanlage bei Einhaltung der am 27.5.1992 festgelegten Auflagen dadurch verletzt, daß im Verhältnis zur mbP mit der Gewährung von Parteirecht in die Rechtskraft des Bescheides eingegriffen wird."
Sie bringt hiezu u.a. vor, es ergebe sich die wesentliche Rechtsfrage, ob das Versäumnis rechtzeitiger Einwendungen binnen vierzehn Tagen seit 20. April 1993 durch Heranziehung des § 13a AVG saniert werden könne. Dagegen spreche "das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das zumal nach Eintritt der Rechtskraft starke Gewichtung zugunsten des Genehmigungswerbers verlangt". Sonst würde "über Umwege eine materielle Frist zum Gegenstand einer dafür nicht vorgesehenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um die die mbP obendrein gar nicht selbst angesucht hat".
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 (identisch mit § 356 Abs. 3 GewO 1994) sind im Verfahren gemäß Abs. 1, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert wurde, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an, Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu ihrer Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Ansehung eines Genehmigungsbescheides (unter Erfassung des diesem zugrundeliegenden Genehmigungsansuchens) gestellt wurde, der nach der Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1988 erging.
Ausgehend davon fehlte aber im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 die rechtliche Grundlage für eine behördliche Vorgangsweise im Sinne des
hg. Erkenntnisses vom 30. September 1983, Slg. N.F. Nr. 11.169/A, das zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988 erging (vgl. hiezu u.a. die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0139, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Auf Grund der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage konnte daher die mitbeteiligte Partei nur durch Erhebung von Einwendungen - im Rahmen der Präklusionsregelung des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 - Parteistellung erlangen. Die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen nach dieser Gesetzesstelle ist in zeitlicher Hinsicht (schon) dadurch limitiert, daß der "übergangene Nachbar" seine Einwendungen binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung vorbringen muß. Nach dem Inhalt des Schreibens der mitbeteiligten Partei vom 20. April 1993 hat sie (spätestens) an diesem Tag Kenntnis von der Berührung ihrer nachbarlichen Interessen durch das Vorhaben, das Gegenstand der bereits durchgeführten Augenscheinsverhandlung war, erhalten. Die erst im Schriftsatz vom 14. Juni 1993 erhobenen Einwendungen waren somit im Grunde des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 verspätet.
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vermeint, eine schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften könne und dürfe nicht dazu führen, daß Nachbarn von einem Betriebsanlagenverfahren ausgeschlossen würden bzw. es würden die diesbezüglichen Normen des Betriebsanlagenrechtes damit "konterkariert", so verkennt sie Wortlaut und Zweck der durch die Gewerberechtsnovelle 1988 geschaffenen (neuen) Regelung des § 356 Abs. 3 und damit dessen Präklusionswirkungen. Es soll eben damit - nach dem Vorbild des § 107 Abs. 2 WRG - der endgültige Ausschluß auch solcher Nachbarn verbunden sein, die ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, früher Einwendungen vorzubringen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid in Ansehung des für die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof relevanten Beschwerdepunktes in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
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