VwGH 93/18/0027

VwGH93/18/00273.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll,

Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 25. Februar 1992, Zl. Frb-4250/91, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §13a Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §13a Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 4. November 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Juni 1991 wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 5, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Dem Urteilsspruch zufolge habe er "am 17. und 18.4.1991 in L sowie am 18.4.1991 in X 1. S mit Gewalt, indem er sie vom Fahrrad riß, sie zu Boden

drückte, sie immer wieder schlug, wobei die Schläge die unter Punkt 2 des Strafantrages angeführten Folgen zeitigten, sie fesselte und unter Einwirkung der nachangeführten Drohung nach X in die Schweiz entführte und sie dort mehrere Stunden lang festhielt, weiters durch gefährliche Drohung mit dem Tode, indem er ein Messer immer wieder gegen sie richtete und ihr in Aussicht stellte, sie damit umzubringen, falls sie schreie, zu einer Handlung, nämlich zur Erteilung der Zustimmung zur Verehelichung, zu nötigen versucht,

2. S anläßlich der Verübung der vorbezeichneten Tat am Körper verletzt, wobei sie sich hiebei Kratzwunden am Halse und im Gesicht zuzog."

Ein Verstoß gegen strafgesetzliche Normen, die dem Schutz der körperlichen Integrität dienten, sei zweifelsfrei als gravierend zu werten. Dies treffe auch auf die versuchte schwere Nötigung zu. Dem Beschwerdeführer sei dies offensichtlich noch immer nicht bewußt, zumal er sich gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn dahingehend geäußert habe, daß die "Mädchenentführung" nach türkischem Brauch nichts Rechtswidriges darstelle. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer aufgrund des mangelnden Unrechtsbewußtseins wiederum einschlägige Rechtsbrüche begehen könnte. Damit, daß er seinen Forderungen mittels Schlägen und Drohungen mit dem Umbringen Nachdruck verleihen habe wollen, habe er ein besonders radikales Verhalten gegen eine von ihm angeblich geliebte Person gezeigt. Es sei daher zu befürchten, daß er die genannten Mittel umso rascher und unbedachter auch zur Lösung anderer Probleme bzw. Konfliktsituationen anwenden könnte. Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle somit eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar. An persönlichen Einwendungen sei zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben am 15. März 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Am 25. März 1991 habe er um Asyl angesucht. Er sei bei einer Schwester in L wohnhaft und gehe keiner Berufstätigkeit nach. "Dem" stünden die obgenannte gerichtliche Verurteilung sowie weitere verwaltungsbehördliche Übertretungen gegenüber, nämlich eine illegale Einreise nach Österreich am 15. März 1991, in einem LKW versteckt, sowie eine illegale Ausreise in die Schweiz am 18. April 1991. An diesen Rechtsbrüchen gemessen seien die persönlichen Einwendungen von geringem Gewicht. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen daher unverhältnismäßig schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 29. September 1992, B 363/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof mit dem weiteren Beschluß vom 16. Dezember 1992 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß das seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten die in § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme rechtfertige, sondern wendet sich gegen die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommene Interessenabwägung.

Seiner Meinung nach sei es nicht nachvollziehbar, "weshalb die Nichterlassung eines Aufenthaltsverbotes UNVERHÄLTNISMÄßIG SCHWERER wiegen soll, als die politischen Verfolgungen in der Türkei (vor allem Folter)". Dem ist zu entgegnen, daß über die Frage, wohin der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben wird, bei der Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht abzusprechen ist (vgl. neben vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0452); die Frage, ob und welche Nachteile dem Beschwerdeführer in der Türkei drohen, wurde daher von der belangten Behörde mit Recht nicht in die Interessenabwägung einbezogen. Damit erübrigte sich auch die vom Beschwerdeführer beantragte Beischaffung seines "Asylaktes".

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihm rechtswidrig die illegale Einreise nach Österreich am 15. März 1991 und die illegale Ausreise in die Schweiz am 18. April 1991 als weitere Verwaltungsübertretungen vorgeworfen, entbehrt gleichfalls der Berechtigung. Bezüglich der Einreise nach Österreich konnte die belangte Behörde von den Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift am 29. März 1991 ausgehen, denen zufolge er den Grenzübertritt ohne den erforderlichen Sichtvermerk aus Ungarn kommend, im Kleiderkasten der Fahrerkabine eines LKWs versteckt, vorgenommen habe. Damit verstieß er gegen das Grenzkontrollgesetz (Übertretung nach § 15 Abs. 1 lit. b) und gegen das Paßgesetz 1969 (Übertretung nach § 40 Abs. 1). Die illegale Ausreise in die Schweiz, nämlich der entgegen der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Grenzkontrollgesetz vorgenommene Grenzübertritt, geht aus den Ergebnissen des mit dem oben angeführten Strafurteil abgeschlossenen Verfahrens hervor. Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Vorwurf dieser Verstöße eine Verletzung des Parteiengehörs rügt, vermag er nicht aufzuzeigen, in welcher Weise dem geltend gemachten Verfahrensmangel rechtserhebliche Bedeutung zukommen könnte. Die Berufung auf Art. 31 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, schlägt nicht durch, weil der Beschwerdeführer aus Ungarn, somit nicht "direkt" aus dem Gebiet, wo nach seinen Behauptungen sein Leben oder seine Freiheit bedroht war (Türkei), kommend nach Österreich eingereist ist. Daß dem Beschwerdeführer unmittelbar so große Gefahren für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen gedroht hätten, daß er sich daraus nur durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten konnte, wurde von ihm nicht dargetan, weshalb auch ein strafbefreiender Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht in Betracht kommen kann (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0187).

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ist die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der nach dem Beschwerdevorbringen bei der Interessenabwägung unberücksichtigt gebliebene langjährige Aufenthalt von nahen Angehörigen (Schwester des Beschwerdeführers "und weitere Verwandte") in Österreich vermag nicht entscheidend ins Gewicht zu fallen. Daß dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei, ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof dargelegten Gründe bezieht, genügt es, ihn auf den Ablehnungsbeschluß dieses Gerichtshofes vom 29. September 1992 zu verweisen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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