VwGH 91/19/0187

VwGH91/19/018725.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des T, zuletzt in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. Mai 1991, Zl. St 54/91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Grenzkontrollgesetzes, des Paßgesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs1;
B-VG Art50 Abs2;
FlKonv Art31 Z1;
FrPolG 1954 §14;
FrPolG 1954 §2;
GrKontrG 1969 §15;
GrKontrG 1969 §2;
PaßG 1969 §23;
PaßG 1969 §40;
VStG §6;
AsylG 1968 §5 Abs1;
B-VG Art50 Abs2;
FlKonv Art31 Z1;
FrPolG 1954 §14;
FrPolG 1954 §2;
GrKontrG 1969 §15;
GrKontrG 1969 §2;
PaßG 1969 §23;
PaßG 1969 §40;
VStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde - unter Abweisung der vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck erhobenen Berufung - folgende Entscheidung:

"Gemäß § 64 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 1 mit S 200,--, zu Punkt 2 mit S 150,-- und zu Punkt 3 mit S 50,--, insgesamt S 400,-- festgesetzt. Die Verfahrenskosten betragen somit insgesamt S 800,-- (einschließlich erstinstanzlicher Verfahrenskosten).

Der Spruch des angefochtene Straferkenntnisses hat zu lauten:

1): T wird wegen Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.1 lit.a i. V.m. § 2 Abs.1 Grenzkontrollgesetz gemäß § 15 Abs.1 leg.cit. mit Geldstrafe von S 2.000,--, Ersatzarreststrafe 2 Tage, bestraft, weil er am 1.4.1990 in den Morgenstunden, genaue Zeit sowie genauer Ort unbekannt, den Grenzübertritt von Jugoslawien nach Österreich vorsätzlich außerhalb eines Grenzüberganges vorgenommen hat.

2): Der Fremde T wird wegen Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs.1 i.V.m. § 40 Abs.1 Paßgesetz gemäß § 40 Abs.1 leg.cit. mit Geldstrafe von S 1.500,--, Ersatzarreststrafe 1 Tag, bestraft, weil er am 1.4.1990 in den Morgenstunden, genauer Ort unbekannt, jedenfalls aber außerhalb eines Grenzüberganges (vgl. Punkt 1) aus Jugoslawien ohne erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist ist.

3): Der Fremde T wird wegen Verwaltungsübertretung nach § 14b Abs.1 Z.4 i.V.m. § 2 Abs.1 Z.2 Fremdenpolizeigesetz gemäß § 14b Abs.1 Z.4 leg.cit. mit Geldstrafe von S 500,--, Ersatzarreststrafe 20 Stunden, bestraft, weil er sich vom 1.4.1990 bis 10.4.1990 ohne erforderlichen Sichtvermerk, somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift ist für die Zeit vom 1.4.1990 bis 6.4.1990 § 2 Abs.1 i.V.m. § 14 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz i. d.F. VOR der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 und für die Zeit vom 7.4.1990 bis 10.4.1990 die zitierte Bestimmung des Fremdenpolizeigesetzes i.d.g.F."

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in "seinem Recht auf Straffreiheit bei illegaler Einreise und Anwesenheit gemäß Artikel 31 Genfer Flüchtlingskonvention verletzt". Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in bezug auf die ihm angelasteten Übertretungen - mit Ausnahme der Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes - nicht bestreitet. Er meint vielmehr, daß ein Sachverhalt vorliege, auf den Art. 31 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, zutreffe; dies mit der Folge, daß ihm Straffreiheit zu gewähren sei.

2.1. Die Z. 1 des mit "Flüchtlinge ohne gesetzliche Einreise" überschriebenen Art. 31 der Konvention lautet:

"1. Die vertragschließenden Staaten sollen keine Strafen wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit über Flüchtlinge verhängen, die, direkt aus einem Gebiet kommend, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne des Artikels 1 bedroht war, ohne Erlaubnis einreisen oder sich ohne Erlaubnis auf ihrem Gebiet befinden, vorausgesetzt, daß sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und gute Gründe für ihre illegale Einreise oder Anwesenheit vorbringen."

2.2. Primäre Voraussetzung dafür, um sich mit Erfolg auf diese unmittelbar anwendbare, auf Gesetzesstufe stehende Norm (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1966, Slg. Nr. 6948/A) berufen zu können, ist, daß der betreffende Fremde "direkt" aus einem Gebiet kommt, wo sein Leben oder seine Freiheit bedroht war. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall nicht gegeben. Der Beschwerdeführer ist nach den - durch die Aktenlage gedeckten - Feststellungen im bekämpften Bescheid aus Jugoslawien kommend nach Österreich eingereist. Als Gebiet, aus dem der Beschwerdeführer "direkt" kam, ist demnach Jugoslawien und nicht die Türkei anzusehen. Daß aber in Jugoslawien das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers (im Sinne des Art. 1 der Konvention) bedroht gewesen sei, wurde von ihm nie behauptet. Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, "direkte" Einreise müsse so verstanden werden, daß eine bloße Durchreise durch einen anderen Staat, auch wenn dieser Mitglied der Flüchtlingskonvention sei, nicht schade, steht mit dem insoweit klaren Wortlaut des Art. 31 Z. 1 der Konvention nicht im Einklang. Wenn in der Beschwerde des weiteren ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei direkt durch "diese Staaten" (im Hinblick auf den Akteninhalt gemeint: Bulgarien und Jugoslawien) hindurch gereist, um direkt nach Österreich zu gelangen, so übersieht sie, daß die in Rede stehende Konventions-Bestimmung nicht auf ein ohne Umwege und/oder Aufenthalte gestaltetes Durchreisen, sondern allein darauf abstellt, aus welchem Gebiet der Fremde "direkt" (unmittelbar) in einen Vertragsstaat (hier: Österreich) einreist.

Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung bedarf es keiner Prüfung der Frage, ob die weiteren im Art. 31 Z. 1 der Konvention genannten Voraussetzungen, die außer der eben dargestellten zu erfüllen sind, im Beschwerdefalll gegeben waren.

3.1. Gleichfalls verfehlt ist das Beschwerdevorbringen, daß die dem Beschwerdeführer angelasteten Gesetzesverstöße - ginge man davon aus, daß Art. 31 Z. 1 der Konvention nicht zum Tragen käme - "jedenfalls durch Notstand entschuldigt" seien.

3.2. Ein strafbefreiender Notstand ist nur dann gegeben, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer dem Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen erfolgt, die so groß ist, daß er sich aus ihr nur durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann (vgl. die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S. 736 f. wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Daß dem Beschwerdeführer aber Gefahren dieser Art unmittelbar gedroht hätten, wurde von ihm selbst in der Beschwerde nicht behauptet, geschweige denn dargetan.

4.1. Der Beschwerdeführer weist schließlich darauf hin, daß er rechtzeitig nach seiner Einreise am 1. April 1990 am 11. April 1990 einen Asylantrag gestellt habe. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, daß er sich illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe, "da der Antrag auf Asylgewährung sinnvollerweise rückwirkend gelten muß". Da zum Zeitpunkt seiner Einreise am 1. April 1990 nach dem damals geltenden § 2 des Asylgesetzes ein Asylantrag nur bei der Bezirksverwaltungsbehörde bzw. der Bundespolizeibehörde und nicht auch bei der Grenzkontrollstelle habe gestellt werden können, "mußte demnach also (der Beschwerdeführer) illegal einreisen, um überhaupt einen Asylantrag stellen zu können".

4.2. Was den letzteren Einwand anlangt, so ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß die Stellung eines Asylantrages im Hinblick auf die §§ 12 und 13 des Grenzkontrollgesetzes 1969 auch schon vor der Novelle zum Asylgesetz BGBl. Nr. 190/1990 bei der Grenzkontrollstelle möglich war, die ausdrückliche Nennung der Grenzkontrollstelle im durch diese Novelle eingefügten § 2a somit nur der Klarstellung diente (vgl. STEINER, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 11).

Mit seiner Ansicht, er habe sich von seinem Eintritt in das Bundesgebiet (1. April 1990) bis zur Einbringung des Asylantrages (11. April 1990) nicht illegal in Östereich aufgehalten, läßt der Beschwerdeführer § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes außer acht. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß ein Fremder, der einen Antrag auf Asylgewährung stellt und damit zum Asylwerber wird, erst ab dem Zeitpunkt der (rechtzeitigen) Antragstellung zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, nicht jedoch auch schon vor diesem Zeitpunkt. Um letzteres zu bewirken, hätte es einer entsprechenden gesetzlichen Normierung bedurft, was indes nicht geschehen ist. Von daher gesehen bestehen keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 1. April 1990 bis 10. April 1990 in Österreich ohne den erforderlichen Sichtvermerk als Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes gewertet hat.

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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