VwGH 93/04/0124

VwGH93/04/012426.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des X in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Mai 1993, Zl. 311.899/4-III/A/2a/93, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1.) Franz A in L, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, 2.) Johann B und 3.) Auguste B, beide in L, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art89 Abs2;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art89 Abs2;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 6. August 1986 suchte der Beschwerdeführer um die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage durch "Erweiterung seines zu klein gewordenen Betriebsareals, zwecks Lagerung von Transportmitteln und Abstellen von LKWs und Anhängern" auf den Grundstücken Nr. 185/1 und 185/2 (nunmehr vereinigt zu Grundstück Nr. 185/1), je KG L, an.

Mit dem nach Aufhebung des Ersatzbescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Februar 1992 durch das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0146-13, - auf dessen Darlegungen und Verweise auf das hg. Vorerkenntnis vom 28. Mai 1991, Zlen. 91/04/0008, 0021, bezüglich der bisherigen Verwaltungsvorgänge hingewiesen wird - nunmehr ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Mai 1993 wurde wie folgt abgesprochen:

"Der angefochtene Bescheid wird mit Ausnahme der Spruchteile II. b) und III. sowie der Vorschreibung der Kommissionsgebühren und Barauslagen im Spruchteil V. behoben und das Ansuchen vom 6. August 1986 um Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage im Standort C-Straße 46, L, durch Erweiterung der Betriebsanlage um die Gp. 185/1 der KG L und Errichtung und Betrieb von neun zusätzlichen LKW-Abstellplätzen gemäß § 81 GewO 1973 in Verbindung mit § 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973, abgewiesen.

Die Behebung des Spruchteiles IV. des angefochtenen Bescheides erfolgt gemäß § 81 GewO 1973 in Verbindung mit § 79 leg. cit. Die Behebung der Vorschreibung der Gebühren für das Lärmgutachten der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt vom 9.5.1988 und der Verwaltungsabgabe sowie der Kosten für die Verlautbarung im Amtsblatt erfolgte gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 76 leg. cit."

Zur Begründung wurde ausgeführt, gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 19. Dezember 1988 erteilte Genehmigung hätten sowohl der Konsenswerber (Beschwerdeführer) als auch Nachbarn der Betriebsanlage beim Landeshauptmann von Niederösterreich berufen. Dieser habe über die Berufung nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG entschieden. Mit Schriftsatz vom 18. August 1989 habe der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gestellt. Der Bundesminister habe mit Bescheid vom 11. Oktober 1990 den erstbehördlichen Bescheid abgeändert, habe jedoch im wesentlichen die Genehmigung der beantragten Änderung aufrechterhalten. Der Verwaltungsgerichtshof habe auf Grund einer Beschwerde der mitbeteiligten Parteien diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 28. Mai 1991, Zlen. 91/04/0008, 0021, behoben, weshalb neuerlich über die Berufung zu entscheiden gewesen sei. Im wesentlichen sei in diesem Erkenntnis begründend ausgeführt worden, daß es die Behörde rechtswidrigerweise unterlassen habe, den Inhalt des der Genehmigung zugrundeliegenden Antrages, dem es an der nötigen Bestimmtheit gefehlt habe, zu ermitteln. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe daher in der Folge den Konsenswerber zur Präzisierung seines Genehmigungsantrages hinsichtlich der genauen Lage und Anzahl der beantragten LKW-Abstellplätze, der innerbetrieblichen Zufahrtswege und der Betriebszeit aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1991 habe der Beschwerdeführer sein Genehmigungsansuchen wie folgt präzisiert:

"1) In Ergänzung des bereits im Gutachten des Dipl.Ing. Z vom 28.1.1988 erliegenden Lageplanes erfolgt nun wunschgemäß Vorlage eines Lageplanes (Maßstab 1 : 500) in vierfacher Ausfertigung. Dabei wird noch darauf verwiesen, daß die Parzellen 185/1 und 185/2 grundbücherlich zu einer Parzelle 185/1 der EZ. 1240 Grundbuch L vereinigt wurden. Eine Absperrung der Ausfahrt durch Schubtor vom Grundstück 185/1 ist derzeit nicht vorgesehen. Die Situierung und Anzahl der Abstellplätze geht aus dem Lageplan eindeutig hervor.

2) Die auf der Erweiterungsfläche nunmehr beantragten Standplätze sollen als zusätzliche Abstellmöglichkeiten für die insgesamt von der Betriebsanlage eingesetzten neun LKW (davon, wie aus dem bisherigen Verfahren hervorgeht, bereits fünf lärmarm), dienen. Die innerbetriebliche Zufahrt auf Grundstück 185/1 soll hauptsächlich über die gemeinsame Grundstücksgrenze zu 182/1 erfolgen, fallweise auch über die nördliche Aus-/Einfahrt, über welche die Abfahrt erfolgt. Eine Einschränkung der Betriebszeiten für den beantragten, zusätzlichen Arbeitsplatz, soll nicht vorgenommen werden, es verbleibt vielmehr bei den bisherigen genehmigten Betriebszeiten."

Mit Ersatzbescheid vom 29. Februar 1992 habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten das Genehmigungsansuchen wegen des Vorliegens eines Standortverbotes (§ 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973) abgewiesen. Der Bundesminister habe seine Entscheidung dabei im wesentlichen auf den versagenden Baubewilligungsbescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991, Zl. IV-436/87, gestützt. Mit Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0146, habe der Verwaltungsgerichtshof diesen Ersatzbescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben und ausgeführt, daß es die Behörde verabsäumt habe, die Identität der antragsgegenständlichen Gewerbesache mit der dem versagenden Baurechtsbescheid zugrundeliegenden Sache begründend darzulegen.

Im weiteren wird - unter Annahme der Erfüllung der Voraussetzungen für einen Übergang der Entscheidungspflicht an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 73 Abs. 2 AVG - ausgeführt, der Genehmigungsfähigkeit des gegenständlichen Projektes stehe das Standortverbot im Sinne des § 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973 auf Grund des Bescheides der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991, Zl. IV-436/87, entgegen, mit welchem das Ansuchen des Beschwerdeführers um Bewilligung der Errichtung einer befestigten Verkehrsfläche samt Entwässerungskanal auf den Grundstücks-Nummern 185/1 und 185/2 der KG L gemäß § 100 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, versagt worden sei. Die Stadtgemeinde L habe als Behörde zweiter Instanz ihre

Entscheidung u.a. wie folgt begründet:

"Aus den vorhandenen Unterlagen stellt sich der Betrieb

Sperrer folgendermaßen dar:

Der Fuhrpark umfaßt 8 LKW-Züge und einen Solo-LKW, welche im Güterfernverkehr eingesetzt werden. Fünf Fahrzeuge sind bereits Flüster-LKW. Wochentags sind die Fahrzeuge vorwiegend im Überland-Verkehr oder im Ausland, sodaß z.B. zumindest Nachtfahrbewegungen zwar fallweise möglich, aber untypisch sind. In der Regel kehren die Fahrzeuge am Freitag nachmittag oder am Samstag in den Betrieb zurück. Hier werden sie gereinigt und aufgetankt, erforderlichenfalls in der bestehenden Halle gewartet oder repariert und sodann auf dem Abstellplatz betankt. Dafür kann aufwendiges Rangieren notwendig sein, was jedoch auf den bewilligten Abstellplatz beschränkt werden soll.

Auf die Erweiterungsfläche werden die fahrbereiten Fahrzeuge ohne weitere Rangierbewegungen abgestellt....

Die LKW-Abstellfläche auf den Parzellen Nr. 185/1 und 185/2, KG L, soll an der östlichen Grundgrenze mit einer 3 m hohen Schallschutzwand abgeschlossen werden....

Im Textteil zur Verordnung des Gemeinderates wurde die Widmung "Bauland - Betriebsgebiet" für jenen Ortsbereich, in welchem die Errichtung der Verkehrsfläche der Firma Sperrer vorgesehen ist, dahin eingeschränkt, daß für dieses Betriebsgebiet im besonderen auf die Niederlassung von emissionsfreien, lärmfreien und umweltfreundlichen Betrieben zu achten sei, um die bereits bestehenden Wohnhäuser im Bereich dieses Gebietes zu schützen.

Da eine Widmung "Betriebsgebiet mit den vorgenannten Einschränkungen" einer Widmung "Bauland - Kerngebiet" ... gleichzusetzen ist, gemäß Betriebstypengutachten der Abteilung B/10 des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung aber festgestellt wird, daß eine Betriebstype "LKW-Abstellplatz" im Bauland-Kerngebiet unzulässig ist, war die Bewilligung gemäß § 100 Z. 2 Niederösterreichische Bauordnung 1976 zu versagen."

Zum Rechtsbestand dieses Bescheides habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten festgestellt, daß die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Dezember 1991, Zl. R/1-V/88.204/03, abgewiesen worden sei. Laut Vorbringen des Beschwerdeführers sei gegen den letztgenannten Bescheid Beschwerde an den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof erhoben worden, wobei die diesbezüglichen Entscheidungen noch nicht ergangen seien. Da somit durch den rechtskräftig bestehenden, versagenden Baubescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991, Zl. IV-436/78, ein Standortverbot im Sinne des § 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973, hinsichtlich der Errichtung und des Betriebes der verfahrensgegenständlichen LKW-Abstellflächen auf den Grundstücken Nr. 185/1 und 185/2 (nunmehr vereint zu 185/1) der KG L vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach für die Errichtung einer Schallschutzmauer auf dem Gelände des geplanten LKW-Abstellplatzes eine baubehördliche Bewilligung vorliege, sei irrelevant, da eine Schallschutzmauer - wie oben dargestellt - gar nicht Gegenstand des vorliegenden gewerberechtlichen Projektes sei. Auch die Tatsache der auflagenmäßigen Vorschreibung einer Schallschutzmauer im - zwischenzeitig durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis Zl. 91/04/0008, 0021, aufgehobenen - Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Oktober 1990 habe jedenfalls keinen Einfluß darauf, daß die Schallschutzmauer nicht vom antragsgegenständlichen Projekt umfaßt gewesen sei. Das Standortverbot sei nach der geltenden Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29, jedenfalls zu beachten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht "auf Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, insbesondere durch die gesetzwidrige Anwendung der §§ 81 und 77 GewO 1973, sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften," verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der Bescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991 sei nicht in Rechtskraft erwachsen, da der Antragsteller fristgerecht Rechtsmittel (Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof) erhoben habe. Die diesbezüglichen Entscheidungen seien noch nicht ergangen. Ein Bescheid könne keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 sein. Wäre dies der Fall, wäre der Beschwerdeführer nach Aufhebung des abweisenden Baubescheides auf den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme oder auf die neuerliche Antragstellung verwiesen. Die Bestimmung des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 sei mit 1. Juli 1993 außer Kraft getreten. Es liege keine Identität zwischen dem gewerberechtlichen Projekt und dem Bauprojekt vor. Mit dem Bescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991 sei "die beantragte Bewilligung für die Herstellung einer befestigten Verkehrsfläche samt Errichtung eines Entwässerungskanals auf Grundstück Nr. 185/1 und 185/2 der KG L versagt worden. Verfahrensgegenständlich bei der gewerberechtlichen Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage sei jedoch die Errichtung einer Schallschutzmauer. Daß die Schallschutzmauer im ursprünglichen Antrag des Beschwerdeführers nicht beinhaltet gewesen sei, sondern über Wunsch der Anrainer miteinbezogen worden sei, sei irrelevant, da diese Vorschreibung der Auflage durch den Antragsteller jedenfalls akzeptiert worden sei. Bezüglich dieser verfahrensgegenständlichen Schallschutzmauer liege jedenfalls ein bewilligender Bescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Juli 1992, Zl. IV-1812/92, vor.

Aus den in der Folge vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden ergibt sich folgender weiterer Sachverhalt:

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1995, Zl. V 248/94-7, wurde der Satz der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde L vom 28. April 1976, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm für den Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird, "für dieses Gebiet ist aber im besonderen auf die Niederlassung von emissionsfreien, lärmfreien, umweltfreundlichen Betrieben zu achten, um die bereits bestehenden Wohnhäuser im Bereich dieses Gebäudes zu schützen." als gesetzwidrig aufgehoben.

Mit Erkenntnis vom 2. März 1995, Zl. B 82/92-16, wurde der vom Beschwerdeführer angefochtene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Dezember 1991, Zl. R/1-V/88.204/03, mit welchem die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991, Zl. VI-436-87, als unbegründet abgewiesen wurde, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom gleichen Tag, Zl. V 248/94-7, aufgehoben.

Mit Bescheid vom 11. Mai 1995, Zl. R/1-V-88.204/04, hat die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991 im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1995, Zl. B 82/92-16, stattgegeben, den angefochtenen Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde L verwiesen. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 15. Mai 1995 zugestellt.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1973, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

Gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist (auf Grund Art. VI Abs. 1 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399/1988, ist diese Vorschrift auch auf das gegenständliche, vor dieser Gewerberechtsnovelle anhängig gewordene Genehmigungsverfahren anzuwenden).

Nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 bedarf, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorherstehenden Bestimmungen.

Aus der sich so darstellenden Gesetzeslage folgt, daß auch im Falle einer einem Genehmigungsverfahren im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO 1973 zu unterziehenden Änderung einer gewerberechtlichen Betriebsanlage seitens der erkennenden Behörde auf die Bestimmungen des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1993, Zl. 91/04/0127, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung hat die Gewerbebehörde in Ansehung der konkret vom Antrag erfaßten Betriebsanlage, und zwar bezogen auf den in Betracht kommenden Standort, zu prüfen, ob sich aus einer Rechtsvorschrift ein Verbot des Errichtens oder Betreibens dieser Anlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag ergibt. Derartige "Rechtsvorschriften", die genereller oder individueller Art sein können, sind aber von der Verwaltungsbehörde nicht zu vollziehen, sondern von ihr - ohne daß es sich hiebei um die Beurteilung einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG handelt - im Sachverhaltsbereich zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/04/0146, bezogen auf den Beschwerdefall hiezu ausgeführt hat, ist es erforderlich, daß die Frage der Identität bzw. der untrennbare Zusammenhang eines negativ beschiedenen Bauvorhabens an Hand eines zur Einleitung eines Verfahrens nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 geeigneten und seinem relevanten Inhalt nach unzweifelhaft feststehenden Antrages des Genehmigungswerbers einer Überprüfung unterzogen und beantwortet werden kann.

Die belangte Behörde beruft sich bezüglich des in § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 angeordneten Standortverbotes im Beschwerdefall auf den in Rechtskraft erwachsenen baubehördlichen Bescheid der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991. Dieser Bescheid wurde aber - wie oben ausgeführt - mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Mai 1995 gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 aufgehoben.

Mangels einer ausdrücklichen Regelung der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 über die Wirkung der Aufhebung eines gemeindebehördlichen Bescheides durch die Vorstellungsbehörde ist zur Klärung dieser Wirkung im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Entscheidungsbefugnisse der Vorstellungsbehörde und des Verwaltungsgerichtshofes § 42 Abs. 3 VwGG als vergleichbare Regelung heranzuziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0174; auch Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, S. 257 ff., insbesondere S 261, m.w.N.). § 42 Abs. 3 VwGG normiert eine ex-tunc-Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1993, Zl. 93/04/0019, m.w.N.). Dies bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Allen Rechtsakten, die während der Geltung des dann vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, wurde damit im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen.

Angewendet auf den gegenständlichen Beschwerdefall bedeutet dies, daß auf Grund der Aufhebung des Bescheides der Stadtgemeinde L vom 1. Oktober 1991 durch die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 11. Mai 1995 das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommene Standortverbot des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 nicht vorliegt. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2 VwGG.

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