VfGH V248/94

VfGHV248/942.3.1995

Nö ROG 1976 als Maßstab für die Beurteilung der inhaltlichen Gesetzmäßigkeit eines vor Inkrafttreten des Nö ROG 1976 erlassenen Flächenwidmungsplanes infolge nachträglicher Änderung; Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen eines Flächenwidmungsplanes betreffend den Ausschluß der Errichtung von Lärm- oder Geruchsbelästigungen verursachenden Baulichkeiten in einem Betriebsgebiet wegen inhaltlicher Veränderung der nach dem Nö ROG 1976 mit einer bestimmten Nutzungsart verbundenen Beschränkungen für die Errichtung von Baulichkeiten

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28.04.76, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird
Nö ROG 1976 §16 Abs1 Z3
Nö ROG 1976 §30 Abs3
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28.04.76, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird
Nö ROG 1976 §16 Abs1 Z3
Nö ROG 1976 §30 Abs3

 

Spruch:

In der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. November 1976, GZ II/2-K-122-1976, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 10. bis 27. Dezember 1976, wird der Satz "Für dieses Betriebsgebiet ist aber im besonderen auf die Niederlassung von emissionsfreien, lärmfreien, umweltfreundlichen Betrieben zu achten, um die bereits bestehenden Wohnhäuser im Bereich dieses Gebietes zu schützen." als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B82/92 eine Beschwerde gegen einen Bescheid der NÖ Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Gloggnitz hatte dem Beschwerdeführer, einem Transportunternehmer, die Baubewilligung zur Herstellung einer befestigten Verkehrsfläche samt Entwässerungskanal auf den Grundstücken Nr. 185/1 und 185/2, KG Gloggnitz, erteilt. In Erledigung der gegen diesen Bescheid von den (Mit-)Eigentümern eines benachbarten Grundstückes - den beteiligten Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens - eingebrachten Berufung änderte der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz den erstinstanzlichen Bescheid (insbesondere durch Vorschreibung weiterer Auflagen) ab. Die Vorstellung der Nachbarn gegen den Bescheid des Gemeinderates blieb erfolglos. Der von den Nachbarn angerufene Verwaltungsgerichtshof hob den Vorstellungsbescheid der NÖ Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Mit dem sodann erlassenen (Ersatz-)Bescheid hob die NÖ Landesregierung den Berufungsbescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat, worauf dieser der Berufung der Nachbarn Folge gab, den Bescheid des Bürgermeisters behob und die beantragte Baubewilligung versagte, und zwar der Sache nach mit der Begründung, daß das Vorhaben einer Bestimmung im Textteil des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976 widerspreche. Die Vorstellung des Bauwerbers gegen den Bescheid des Gemeinderates wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung als unbegründet abgewiesen.

II. Aus Anlaß der gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung gerichteten Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Satzes "Für dieses Gebiet ist aber im besonderen auf die Niederlassung von emissionsfreien, lärmfreien, umweltfreundlichen Betrieben zu achten, um die bereits bestehenden Wohnhäuser im Bereich dieses Gebietes zu schützen."

in der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird, genehmigt mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 29. November 1976, GZ II/2-K-122/1976, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom

10. bis 27. Dezember 1976. Hiefür waren folgende Bedenken maßgebend:

"b) Die belangte Behörde begründet gleich der letztinstanzlichen Gemeindebehörde ihren die Vorstellung als unbegründet abweisenden Bescheid der Sache nach allein damit, daß die geplante, einer Baubewilligung bedürfende Maßnahme auf einer Fläche vorgenommen werden soll, die nach dem - einen Bestandteil des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976 bildenden - Flächenwidmungsplan als "Bauland-Betriebsgebiet" ausgewiesen ist und für die im Textteil dieses Flächenwidmungsplanes überdies die Festlegung getroffen wurde, daß auf ihr nur die Errichtung von "emissionsfreien, lärmfreien, umweltfreundlichen Betrieben" zulässig ist.

c) Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß diese Festlegung in folgendem normativen Zusammenhang steht:

aa) Die Verordnung des Gemeinderates vom 28. April 1976, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird, hat ihre gesetzliche Grundlage im NÖ Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. 8000-0, an dessen Stelle mit Wirkung vom 1. Jänner 1977 das NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000-0, getreten ist. Nach §10 Abs1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 hatte jede Gemeinde durch Verordnung ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen. Ausgehend von den Ergebnissen der Grundlagenforschung (§2 Abs3) hatte das örtliche Raumordnungsprogramm die angestrebten Ziele (§1 Abs3) festzulegen und die zu ihrer Erreichung erforderlichen behördlichen Maßnahmen zu bezeichnen (§10 Abs2). Das örtliche Raumordnungsprogramm hatte als behördliche Maßnahme jedenfalls die Erlassung eines Flächenwidmungsplanes (§11) vorzusehen (§10 Abs3).

bb) §2 der Verordnung vom 28. April 1976 hat folgenden Wortlaut:

"§2

Die angestrebten und auf dem Ergebnis der Grundlagenforschung im Sinne des §1 Abs3 des Raumordnungsgesetzes beruhenden Ziele des örtlichen Raumordnungsprogrammes sowie die zu ihrer Erreichung vorgesehenen Maßnahmen sind im Textteil zum Entwurf des Flächenwidmungsplanes, welcher einen wesentlichen Bestandteil dieses Planes bildet, ausgeführt."

In der planlichen Darstellung des Flächenwidmungsplanes ist ua. das südlich der Wiener Straße gelegene, durch die Bergwerksstraße, die Grenze zwischen der Stadtgemeinde Gloggnitz und der Gemeinde Enzenreith und die Bundesstraße B 17 begrenzte, die - planlich abgegrenzten und mit der Grundstücksnummer gekennzeichneten - Grundstücke Nr. 185/1 und 185/2, KG Gloggnitz, einschließende Gebiet als "Bauland-Betriebsgebiet" ausgewiesen.

Der durch §2 der Verordnung vom 28. April 1976 zu einem wesentlichen Bestandteil des Flächenwidmungsplanes erklärte Textteil zum Entwurf des Flächenwidmungsplanes enthält (ua.) in bezug auf diese als "Bauland-Betriebsgebiet" ausgewiesene Fläche folgende Aussagen (der in Prüfung gezogene Satz ist hervorgehoben):

"Bauland-Betriebsgebiet.

Neben der Bereitstellung von Grundstücken zur Errichtung von Betrieben östlich des Bahnhofes, in der KG. Stuppach erschien es notwendig, auch im Süden der Wiener Straße, zwischen Bergwerksstraße, Umfahrungsstraße (B 17) und Gemeindegrenze Enzenreith ein Betriebsgebiet zu errichten.

Für dieses Betriebsgebiet ist aber im besonderen auf die Niederlassung von emissionsfreien, lärmfreien, umweltfreundlichen Betrieben zu achten, um die bereits bestehenden Wohnhäuser im Bereich dieses Gebietes zu schützen. Gleiches gilt für die Betriebsgebiete im SO des Gemeindeamtes, zwischen B 17 und Gemeindegrenze Enzenreith."

cc) Es hat den Anschein, daß der erste Satz des zweiten Absatzes nicht (iS des §10 Abs2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974) eine bloße Bezeichnung einer erst zu treffenden behördlichen Maßnahme darstellt, sondern auf Grund seiner imperativen Fassung gemäß §2 der Verordnung vom 28. April 1976 einen "wesentlichen Bestandteil" des Flächenwidmungsplanes bildet und demnach die rechtliche Qualität einer Verordnung hat, die besagt, daß in dem in Rede stehenden, als "Bauland-Betriebsgebiet" ausgewiesenen Gebiet nur Betriebe zulässig sind, die keinerlei Beeinträchtigungen der Umgebung durch Lärm- oder Geruchsbelästigung oder durch sonstige Einwirkungen verursachen.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß der angefochtene Bescheid (auch) auf dieser Bestimmung des Flächenwidmungsplanes beruht, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr. 185/1 und 185/2, KG Gloggnitz, bezieht. Der Verfassungsgerichtshof geht deshalb davon aus, daß auch er bei der Entscheidung über die Beschwerde diese Verordnungsbestimmung in diesem Umfang anzuwenden hätte. Da jedoch diese Bestimmung keine ausdrückliche Beziehung zu diesen Grundstücken herstellt, scheint es nicht möglich zu sein, sie lediglich insoweit zu prüfen, als sie sich auf diese Grundstücke bezieht.

d) Das Verordnungsprüfungsverfahren dürfte daher, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorzuliegen scheinen, zulässig sein.

2. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung aus folgenden Gründen Bedenken:

a) Die vom Gemeinderat in seiner Sitzung am 28. April 1976 beschlossene Verordnung, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm mit dem Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet erlassen wird, hatte ihre gesetzliche Grundlage im NÖ Raumordnungsgesetz 1974. Sie wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 29. November 1976, GZ II/2-K-122-1976, iS des §17 Abs4 dieses Gesetzes genehmigt und in der Zeit vom 10. bis 27. Dezember 1976 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht. Gemäß §59 Abs1 letzter Satz der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-0, idF des Gesetzes LGBl. 1000-3, ist sie mit 28. Dezember 1976 in Kraft getreten.

b)aa) Das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 ist mit dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 - gemäß §31 Abs1 dieses Gesetzes mit 1. Jänner 1977 - außer Kraft getreten. Im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 stand mithin das in Rede stehende örtliche Raumordnungsprogramm bereits in Geltung.

Aus der Übergangsbestimmung des §30 Abs3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 - danach gelten ua. die nach den bisherigen Bestimmungen aufgestellten örtlichen Raumordnungsprogramme als örtliche Raumordnungsprogramme nach diesem Gesetz - hat der Verfassungsgerichtshof abgeleitet, daß die Rechtswirkungen der mit dieser Bestimmung übergeleiteten örtlichen Raumordnungsprogramme nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zu beurteilen sind (VfSlg. 8463/1978, S. 494), daß jedoch Maßstab für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit solcher örtlicher Raumordnungsprogramme (weiterhin) das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 ist (VfSlg. 8463/1978, S 496; 8885/1980, 10207/1984; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Judikatur zur Übergangsbestimmung des §31 Abs3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, etwa VfSlg. 11642/1988 mit Hinweisen auf Vorjudikatur).

bb) Nach §30 Abs1 erster Satz des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 haben die Gemeinden innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten eines sie betreffenden rechtswirksamen regionalen Raumordnungsprogrammes ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen oder dieses zu ändern. Der Verfassungsgerichtshof geht im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen Beurteilung davon aus, daß übergeleitete örtliche Raumordnungsprogramme, die nicht im Sinne der eben angeführten Übergangsbestimmung geändert werden müssen, zwar unverändert in Geltung belassen werden können und, wenn dies der Fall ist, weiterhin an Hand des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 auf ihre Gesetzmäßigkeit zu beurteilen sind, daß sie aber, falls sie nach dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 - wenn auch nur geringfügig - geändert werden, zur Gänze an den Vorschriften dieses Gesetzes zu messen sind (vgl. in diesem Zusammenhang, was die Rechtslage nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz betrifft, etwa VfSlg. 11849/1988). Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher, da das hier in Rede stehende örtliche Raumordnungsprogramm, soweit aus den dem Verfassungsgerichtshof bisher vorgelegten Akten ersichtlich ist, nach dem 1. Jänner 1977 bereits geändert wurde (die vorgelegte Plandarstellung etwa enthält einen Hinweis auf eine vom Gemeinderat in seiner Sitzung am 14. Dezember 1979 beschlossene Änderung), an, daß nunmehr das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 den Maßstab für die Beurteilung seiner inhaltlichen Gesetzmäßigkeit bildet (so offenbar auch VwGH 15.5.1990, 89/05/0183).

cc) Nach §16 Abs1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 ist das Bauland entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in die unter den Ziffern 1. bis 6. taxativ aufgezählten Nutzungsarten zu gliedern. In der Z3 ist die Nutzungsart "Betriebsgebiete" folgendermaßen umschrieben.

"3. Betriebsgebiete, die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die keine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung und keine schädlichen störenden oder gefährlichen Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können und sich in ihrer Erscheinungsform in das Ortsbild eines Wohn- oder Kerngebietes einfügen;".

Nach dieser Bestimmung sind somit in Betriebsgebieten auch Baulichkeiten von Betrieben zulässig, die eine Lärm- oder Geruchsbelästigung verursachen können, sofern diese nur nicht "übermäßig" ist; ferner Baulichkeiten von Betrieben, die Einwirkungen auf die Umwelt verursachen können, sofern diese nicht schädlich, störend oder gefährlich sind.

Demgegenüber dürfte die in Prüfung gezogene Bestimmung des örtlichen Raumordnungsprogrammes die Errichtung von Baulichkeiten für Betriebe ausschließen, die irgendwelchen - also auch nicht störenden - Lärm verursachen oder die irgendwelche Einwirkungen - demnach auch nicht schädliche, störende oder gefährliche - auf die Umgebung verursachen können. Es scheint mithin, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung die Errichtung von Baulichkeiten in Gebieten, die als "Bauland-Betriebsgebiet" ausgewiesen sind, in weitergehendem Maße beschränkt als dies nach dem Gesetz der Fall ist. Es dürfte somit die in Prüfung gezogene Bestimmung mit §16 Abs1 Z3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 in Widerspruch stehen. Dabei geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die - gemäß §13 Abs1 zur Aufstellung des örtlichen Raumordnungsprogrammes berufenen - Gemeinden verpflichtet sind, im örtlichen Raumordnungsprogramm unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Planungsrichtlinien entsprechend ihren Planungszielen die im Gesetz vorgesehenen Widmungs- und Nutzungsarten festzulegen, daß sie aber durch keine gesetzliche Vorschrift ermächtigt sind, die nach dem Raumordnungsgesetz mit einer bestimmten Widmungs- und Nutzungsart verbundenen Beschränkungen für die Errichtung von Baulichkeiten inhaltlich zu verändern.

dd) Es scheint zu keinem anderen Ergebnis zu führen, wenn man entgegen der vorstehend dargelegten vorläufigen Annahme davon ausgeht, daß nicht das NÖ Raumordnungsgesetz 1976, sondern das bis zu dessen Inkrafttreten in Geltung gestandene NÖ Raumordnungsgesetz 1974 den Maßstab für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976 bildet:

Nach §13 Abs1 Z3 dieses Gesetzes waren Betriebsgebiete für Gebäude, Bauwerke und Anlagen gewerblicher Betriebe einschließlich der erforderlichen Geschäfts- und Verwaltungsgebäude bestimmt. Wohngebäude durften in solchen Gebieten nur insoweit errichtet werden, als sie mit Rücksicht auf die Nutzung vorhanden sein müssen (§13 Abs3). Hingegen dürfte die Möglichkeit, in Betriebsgebieten die Errichtung von Baulichkeiten für Betriebe auf "emissionsfreie, lärmfreie, umweltfreundliche" Betriebe zu beschränken, im Gesetz nicht vorgesehen gewesen sein. Dies um so weniger, als gemäß §13 Abs2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 selbst in Wohngebieten und in Kerngebieten ua. die Errichtung von Gebäuden, Bauwerken und Anlagen zulässig war, durch deren Nutzung aller Voraussicht nach das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß an Beeinträchtigung der Umgebung nicht überschritten wird.

Es hat demnach den Anschein, daß auch das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 keine rechtliche Grundlage dafür bot, durch ein örtliches Raumordnungsprogramm die Errichtung von Baulichkeiten in Betriebsgebieten auf Baulichkeiten für Betriebe zu beschränken, von denen keinerlei Auswirkungen auf die Umgebung durch Lärm oder sonstige Emissionen ausgehen. Es dürfte demnach die in Prüfung gezogene Bestimmung des örtlichen Raumordnungsprogrammes auch bei Beurteilung am Maßstab des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 als gesetzwidrig anzusehen sein."

III. Die NÖ Landesregierung hat in

ihrer Sitzung am 20. Dezember 1994 beschlossen, im Verordnungsprüfungsverfahren keine Äußerung abzugeben.

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Gloggnitz hat im Verordnungsprüfungsverfahren gleichfalls keine Äußerung abgegeben.

IV. 1. Das eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren erweist sich, da ihm Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, als zulässig.

2. Das Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Gloggnitz vom 28. April 1976, das zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens geführt hat, ist begründet.

a) Wie in dem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß dargestellt, ist dieser - gemäß §10 Abs3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 bzw. §13 Abs3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 einen Teil des örtlichen Raumordnungsprogrammes bildende - Flächenwidmungsplan mit 28. November 1976 und somit noch während der Geltung des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 in Kraft getreten. Seit dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (gemäß dessen §31 Abs1) mit 1. Jänner 1977 gilt er gemäß der Übergangsbestimmung des §30 Abs3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 als Flächenwidmungsplan iS dieses Gesetzes. Nach §30 Abs1 erster Satz des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 haben die Gemeinden innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten eines sie betreffenden rechtswirksamen regionalen Raumordnungsprogrammes ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen oder dieses entsprechend zu ändern. Gemäß §30 Abs3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 übergeleitete Raumordnungsprogramme (und damit auch Flächenwidmungspläne), die nicht iS des §30 Abs1 dieses Gesetzes geändert werden müssen, können demnach auch noch nach dem Inkrafttreten des Raumordnungsgesetzes 1976 unverändert in Geltung belassen werden; sie sind, solange dies der Fall ist, inhaltlich am NÖ Raumordnungsgesetz 1974 zu messen. Wird jedoch ein Flächenwidmungsplan nach dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 geändert, so ist die inhaltliche Gesetzmäßigkeit aller Festlegungen des geänderten Flächenwidmungsplanes ausschließlich nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu beurteilen (vgl. dazu das zum Tiroler Raumordnungsrecht ergangene Erkenntnis VfSlg. 11849/1988). Da der hier in Rede stehende Flächenwidmungsplan nach dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 geändert wurde, bildet das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 den Maßstab für die Beurteilung seiner inhaltlichen Gesetzmäßigkeit (so auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.5.1990, 89/05/0183, mit dem auf Grund einer von Nachbarn der beschwerdeführenden Gesellschaft erhobenen Beschwerde der im ersten Rechtsgang erlassene Vorstellungsbescheid der NÖ Landesregierung aufgehoben wurde).

b) Die Gemeinden haben durch Verordnung ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen (§13 Abs1 des Nö Raumordnungsgesetzes 1976), das gemäß §13 Abs3 einen Flächenwidmungsplan zu enthalten hat. Der Flächenwidmungsplan hat das Gemeindegebiet entsprechend den angestrebten Zielen zu gliedern und die Widmungs- und Nutzungsarten für alle Flächen festzulegen oder - worauf hier nicht weiter einzugehen ist - nach Maßgabe des §15 Abs2 kenntlich zu machen (§14 Abs1). Im Flächenwidmungsplan sind die Widmungsarten Bauland, Verkehrsflächen und Grünland festzulegen (§15 Abs1). Die Nutzungsarten, in die das Bauland zu gliedern ist, sind in §16 Abs1 (abschließend) aufgezählt und zugleich inhaltlich in der Weise umschrieben, daß aus dieser Umschreibung zu ersehen ist, welche Art von Baulichkeiten auf einer Fläche mit bestimmter Nutzungsart jeweils rechtlich zulässig ist. Die Gemeinde ist zwar (durch §14 Abs1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976) ermächtigt, die - gesetzlich vorgesehenen - Nutzungsarten für die im Bauland gelegenen Flächen festzulegen, nicht aber auch dazu, die mit einer bestimmten Nutzungsart verbundenen gesetzlichen Beschränkungen für die Errichtung von Baulichkeiten inhaltlich zu verändern.

Nach §16 Abs1 Z3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 sind Betriebsgebiete für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt, die keine übermäßige Lärm- oder Geruchsbelästigung und keine schädlichen, störenden oder gefährlichen Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können und sich in ihrer Erscheinungsform in das Ortsbild eines Wohn- oder Kerngebietes einfügen.

Während nach dieser Bestimmung in Betriebsgebieten auch Baulichkeiten von Betrieben zulässig sind, die eine Lärm- oder Geruchsbelästigung verursachen können, sofern diese nur nicht übermäßig ist, des weiteren Baulichkeiten von Betrieben, die Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können, sofern diese nur nicht schädlich, störend oder gefährlich sind, schließt die in Prüfung gezogene Bestimmung des Flächenwidmungsplanes für ein bestimmtes, die Betriebsanlage der beschwerdeführenden Gesellschaft einschließendes Betriebsgebiet die Errichtung von Baulichkeiten selbst für solche Betriebe aus, die irgendwelchen - somit auch nicht störenden - Lärm verursachen können oder die irgendwelche - demnach auch weder schädliche, störende oder gefährliche - Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können.

Da diese Verordnungsbestimmung die Errichtung von Baulichkeiten in dem in Rede stehenden Betriebsgebiet in weitergehendem Maße beschränkt als dies in §16 Abs1 Z3 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 vorgesehen ist, erweist sie sich als gesetzwidrig.

Der in Beschwerde gezogene Bescheid beruht insoweit (auch) auf der in Prüfung gezogenen Bestimmung des Flächenwidmungsplanes, als sich diese auf die Grundstücke Nr. 185/1 und 185/2, KG Gloggnitz, bezieht.

Da diese - im Textteil des Flächenwidmungsplanes enthaltene - Bestimmung jedoch keine ausdrückliche Beziehung zu diesen Grundstücken herstellt, ist es nicht möglich, die Aufhebung dieser Bestimmung nur insoweit auszusprechen, als sie sich auf diese Grundstücke bezieht.

Die geprüfte Verordnungsbestimmung war somit zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art139 Abs5 B-VG.

V. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

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