VwGH 93/03/0316

VwGH93/03/031619.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. Oktober 1993, Zl. 4/33-3/1993, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit (mündlich verkündetem) Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich einer "Alkotestverweigerung, Wachzimmer N, 10.7.1993, 13.42 Uhr" schuldig erkannt; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 11.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Oktober 1993 wurde über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wie folgt erkannt:

"Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs. 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 2.200,-- zu leisten.

Gemäß § 64 Abs. 3 VStG hat der Berufungswerber die mit S 42,-- bestimmten Barauslagen (Zeugengebühren von Bez. Insp. J anläßlich der Berufungsverhandlung vom 6.10.1993, Fahrtkosten Götzens-Innsbruck und retour) zu ersetzen.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat zu lauten wie folgt:

G, wohnhaft in H. hat sich am 10.07.1993 um 18.21 Uhr trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und beeidetes Organ der Straßenaufsicht im Wachzimmer N geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, indem er vier ungültige Blasversuche durchführte, wobei er unmittelbar zuvor ein Kraftfahrzeug auf der Rumer Straße in Höhe 'Arzler Bichel' gelenkt hat."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde hinreichend deutlich dargelegt, warum sie den Aussagen der Gendarmeriebeamten gefolgt ist und nicht den Angaben des Beschwerdeführers. Insoweit dieser behauptet, daß deren Aussagen "in sich widersprüchlich" gewesen seien und das Blasvolumen und die Blaszeit "bei mindestens drei Versuchen ausreichend" gewesen sei, bekämpft er die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden eingeschränkten Kontrollbefugnis (vgl. hiezu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) standhält. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer gegen die Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten keine stichhältigen Argumente vorzutragen in der Lage ist, ergibt sich auch aus dem der Anzeige angeschlossenen Protokoll über die Blasversuche des Beschwerdeführers, daß es sich bei sämtlichen um Fehlversuche gehandelt hat und die Atmung unkorrekt bzw. die Blaszeit zu kurz gewesen ist. Insoweit der Beschwerdeführer rügt, daß sich die belangte Behörde mit seinem Verschulden nicht näher auseinandergesetzt habe, ist ihm zu entgegnen, daß im Hinblick auf § 5 Abs. 1 erster Satz VStG für die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 die Schuldform der Fahrlässigkeit ausreicht und schon ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen der mittels Atemalkoholmeßgerät durchgeführten Untersuchung verhindert, als Verweigerung der Atemluftprobe anzusehen ist. Einem geschulten Organ der Straßenaufsicht ist auch die einwandfreie Beurteilung der Frage, wieso kein brauchbares Ergebnis zustande gekommen ist, zuzumuten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0074).

§ 44a Z. 1 VStG stellt das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auf. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird.

Die belangte Behörde hat zum Ausdruck gebracht, daß die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und damit das Straferkenntnis erster Instanz bestätigt wird. Wenn es weiter heißt, daß der Spruch dahin geändert werde, daß das Tatgeschehen in der eingangs ersichtlichen Weise modifiziert wurde, so kann dies bei verständiger Würdigung - auch unter der zur Deutung des Spruches zulässigen Heranziehung der Begründung des Bescheides - nur dahin verstanden werden, daß damit bloß die im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthaltene Beschreibung der Tat berichtigt, der übrige Teil des Schuldspruches jedoch unverändert gelassen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1987, Zl. 87/03/0128, mit weiterem Judikaturhinweis). Die belangte Behörde war hiezu nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.

Wenn in der Niederschrift der Erstbehörde vom 16. August 1993 über die Verkündung ihres Straferkenntnisses als Tatzeit "13.42 Uhr" angegeben ist, handelt es sich hiebei um einen offensichtlichen Irrtum, hervorgerufen durch den Umstand, daß im Meßprotokoll bei der Uhrzeit eines der Meßversuche - "18.42 Uhr" - die Ziffer "8" unvollständig ausgedruckt wurde. Durch den Vorhalt der Anzeige durch die Erstbehörde wurde jedenfalls die richtige Tatzeit rechtzeitig innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG verfolgt, weshalb durch eine Berichtigung der Tatzeit im Spruch des angefochtenen Bescheides keine Auswechslung der Tat erfolgte.

Dennoch kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu:

Das strafbare Verhalten bei einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 ist die Weigerung, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl eine rechtmäßige Aufforderung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 ergangen ist. Rechtmäßig ist eine solche Aufforderung u. a. unter der Voraussetzung, daß vermutet werden kann, daß sich die betreffende Person in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet und in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen oder diesbezügliche Versuche angestellt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1990, Zl. 89/02/0193, u.v.a.). Es bedarf daher in der Tatumschreibung des Spruchs des Straferkenntnisses auch eines Hinweises auf diese Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung, den die belangte Behörde unterlassen hat.

Dieser Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Im übrigen wird die belangte Behörde auch aufzuklären haben, wie sie in der Umschreibung des Tatgeschehens im Spruch des angefochtenen Bescheides zur Tatzeit "18.21 Uhr" gelangte. Aus der - dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vorgehaltenen - Anzeige, der auch das Protokoll über die "Blasversuche" angeschlossen ist, ergibt sich, daß die genannte Zeit die der Aufforderung zur Durchführung des Alkomattests war und der Beschwerdeführer in der Folge zwischen 18.40 Uhr und 18.43 Uhr insgesamt vier unzureichende Blasversuche unternahm. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die belangte Behörde auch diesem Umstand Bedeutung beizumessen haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1994, Zl. 93/03/0170, und vom 4. Februar 1994, Zl. 94/02/0033).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des gestellten Begehrens.

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