VwGH 92/13/0051

VwGH92/13/005127.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der A-Gesellschaft mbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 7. Jänner 1992, GZ 6/3-3423/91-05, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Kommanditisten der beschwerdeführenden GmbH & Co KG - die den Handel mit Haushaltsgeräten betreibt - sind Dkfm. Reinhard A. (Einlage S 350.000,--) und Anna A. (Einlage S 200.000,--). Komplementär ist die A. Haushaltsgeräte GmbH.

Am 6. März 1979 wurde die F. GmbH gegründet.

Betriebsgegenstand der F. GmbH war die Erzeugung von Haushaltsgeräten. Gesellschafter waren Erika A. (Ehegattin des Dkfm. Reinhard A.) und Evelyn A. (nunmehr P., Tochter der Ehegatten A.).

Im Jahre 1990 wurde bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich der Streitjahre 1986 bis 1988 vorgenommen. Nach den Ausführungen im Prüfungsbericht wurde zum 31. Jänner 1986 eine Rückstellung mit der Bezeichnung "Schadensfall F." in Höhe von S 1,914.000,-- eingestellt. Eine im Wirtschaftsjahr 1987/1988 erfolgte Zuteilung eines von der B-Bank gewährten Darlehens in Höhe von S 2,000.000,-- sei zur Gänze als Schadensfall erfaßt worden. Zum 31. Jänner 1988 wurde neuerlich eine Rückstellung "Schadensfall F." mit dem Betrag von S 114.486,-- gebildet.

Am 29. März 1979 sei mit der F. GmbH eine Liefervereinbarung abgeschlossen worden, in welcher der Beschwerdeführerin das Alleinverkaufsrecht sämtlicher Produkte der F. GmbH übertragen worden sei. In einer gegenüber der B-Bank am 15. Jänner 1981 abgegebenen "Kontoübertragserklärung" hätten sich die F. GmbH und die Beschwerdeführerin einverstanden erklärt, daß ein auf dem Konto des einen Unternehmens aushaftender Debetsaldo jederzeit auf das Konto des anderen übertragen werden könne. Nach einer am 15. Juli 1986 abgegebenen "Aufrechnungserklärung" sei ein Kontoausgleich auch dann möglich gewesen, wenn kein oder kein entsprechend hoher Debetsaldo vorhanden sein sollte.

Mit einem Schreiben vom 28. November 1986 habe die F. GmbH der Beschwerdeführerin die Einstellung der Produktion angekündigt. Die F. GmbH sei jedoch bereit, die Produktion unter der Bedingung der vollen Kostenübernahme zuzüglich eines Pauschales von S 15.000,-- monatlich bis 28. Februar 1987 fortzuführen. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1986 sei dieses Anbot von der Beschwerdeführerin angenommen worden.

Nach Meinung des Prüfers sei aus dem Inhalt der "Kontoübertragserklärung" nicht auf eine Haftungsübernahme bzw. Bürgschaft zu schließen, "da von der Prämisse eines Debetsaldos ausgegangen" werde. "Es wäre daher ein Leichtes gewesen, die Inanspruchnahme der Haftung durch die vorherige Abschöpfung eines eventuell vorhandenen Guthabens auszuschließen." Da auch eine betragsmäßige Begrenzung aus der Erklärung nicht hervorgehe, hätte diese Vereinbarung nur auf Grund des familiären Naheverhältnisses der Gesellschafter zustande kommen können. Es erscheine undenkbar, daß einander fremde Geschäftspartner ähnlich wirtschaftlich verknüpfter Unternehmen eine derartige Vereinbarung treffen, die einen Mißbrauch durch den anderen Geschäftspartner in keiner Weise eingrenze. Der geltend gemachte Aufwand sei daher nicht durch den Betrieb veranlaßt gewesen. Über Jahre angesammelte Verluste der F. GmbH könnten durch die von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgangsweise nicht zu Betriebsausgaben der Beschwerdeführerin werden.

In der Berufung gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide wurde ausgeführt, die F. GmbH habe die Erzeugung von Küchengeräten ausschließlich für die Beschwerdeführerin betrieben. Aus "marktwirtschaftlichen sowie absatzpolitischen Gründen" hätten nach außen Erika A. und Evelyn P., zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe, die Anteile der F. GmbH gehalten. Die beiden Gesellschafterinnen hätten als Treuhänder für die Beschwerdeführerin fungiert. Sämtliche Entscheidungen der F. GmbH seien von Dkfm. Reinhard A., dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, getroffen worden. Bei der F. GmbH habe es sich um einen Erzeugungsbetrieb der Beschwerdeführerin gehandelt, der von der Beschwerdeführerin "sowohl geschäftspolitisch als auch finanziell" abhängig gewesen sei. Von der Beschwerdeführerin wurde beantragt, die Gesellschafterzuschüsse von S 1,914.000,-- (Wirtschaftsjahr 1985/1986), S 86.000,-- (1986/1987) und S 114.486,-- (1987/1988) als Beteiligung zu aktivieren und im Wege einer Teilwertabschreibung als Aufwand anzuerkennen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden schriftliche Erklärungen der Gesellschafterin der F. GmbH darüber beigebracht, daß sie nur als Treuhänder fungiert hätten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen folgendermaßen:

"Der fiskalische Sinn des "Schadensfalles F." liegt klar auf der Hand, was auch schon die BP aufgezeigt hat: Die "F."

hat in den letzten Jahren Verluste "gesammelt" (rund S 2,000.000,--), die steuerlich, wegen der Notlage der "F."

- sie ist ja seit 22. März 1989 über Betreiben des Handelsgerichtes Wien in Liquidation -, "verlorengegangen" wären, und nur über den Umweg des hier strittigen "Schadensfalles" für die Familie A. rettbar erschienen.

Es soll trotzdem die seitens der Bw. behauptete enge wirtschaftliche Verflechtung mit der "F." gar nicht geleugnet werden, unglaubwürdig jedoch ist das von den Gesellschafterinnen der "F." "bestätigte" Treuhandverhältnis. Seit wann gilt es denn? Seit Anbeginn der F.? Oder erst seit dem Augenblick, als erkennbar war, daß die "F." anfing, hohe Verluste zu erwirtschaften? Warum wurden, bei behauptetem Treuhandverhältnis, nicht die Verluste der "F." bei der Bw. miterklärt? Gerade dieser Umstand läßt darauf schließen, daß das behauptete Treuhandverhältnis erst nach dem Ausscheiden des "Schadensfalles F." durch die BP "entstanden" ist. Hätte die Bw., wenn die "F." hohe Gewinne erzielt hätte, auch dann das Treuhandverhältnis in"s Spiel gebracht, um so einer entsprechenden Steuerprogression teilhaftig zu werden?

Genau diese hier zweifellos, eben aus Familienzusammenhang gegebene Möglichkeit, steuerlich zu jonglieren, verpflichtet und verpflichtete die Bw., und dies ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend, der Abgabenbehörde gegenüber RECHTZEITIG, und nicht erst Jahre im Nachhinein, ein eventuelles Treuhandverhältnis im Zusammenhang mit der "F."

bekanntzugeben, um so willkürliche steuerliche Manipulationsmöglichkeiten von vornherein hintanzuhalten.

Unter diesen Umständen kann der Berufungssenat die beiden oben genannten, ein Treuhandverhältnis bezeugen sollenden Schriftstücke nur als familienhaft bedingte, nachträglich erbrachte Gefälligkeitsäußerungen betrachten, und annehmen, daß, um steuerliche Progression zu vermeiden, zwei getrennte und insoweit voneinander unabhängige Betriebe geplant und errichtet worden waren, weshalb den Vorbringen von der berufungswerbenden Seite ein Erfolg versagt sein muß, weshalb die Berufung nur abzuweisen war, zumal der stets und gemeinsam mit der "F." steuerlich vertretenen Bw. auch ein diesbezügliches Nichtwissen nicht unterstellt werden kann."

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 90/13/0010, mit weiterem Hinweis). Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht.

Die belangte Behörde beschränkte sich darauf, anstelle einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung auf das "bekannte Aktenmaterial" zu verweisen und den Betriebsprüfungsbericht sowie die Berufung der Beschwerdeführerin wörtlich wiederzugeben. Auch aus dem Erwägungsteil ist nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt die Behörde als erwiesen angenommen hat. Dieser Teil des angefochtenen Bescheides beschäftigt sich im wesentlichen mit der Glaubwürdigkeit des behaupteten Treuhandverhältnisses, wobei die belangte Behörde in ihrer Argumentation die Grenzen der Sachlichkeit überschritten hat.

Insbesondere erweist sich die Begründung des angefochtenen Bescheides aber dadurch als mangelhaft, daß sich die belangte Behörde in keiner Weise mit dem Berufungsbegehren - das auf eine sowohl von der vorherigen steuerlichen Behandlung durch die Beschwerdeführerin als auch von der Vorgangsweise des Prüfers abweichende rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes abzielte - auseinandergesetzt hat. Dabei kommt dem von der belangten Behörde hervorgehobenen Umstand, daß eine Beteiligung der Beschwerdeführerin an der F. GmbH "aus den Unterlagen" der Beschwerdeführerin nicht hervorgegangen sei, keine Bedeutung zu. Gehört eine solche Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen - was bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht auszuschließen ist -, so ist eine Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1972 unabhängig vom Stadium des Abgabenverfahrens vorzunehmen.

Wie aus § 289 Abs. 1 und 2 BAO ersichtlich ist, hat die Berufungsbehörde - abgesehen von der ihr weiters obliegenden Verpflichtung zur allfälligen Abänderung des angefochtenen Bescheides - in ihrer Entscheidung in erster Linie über das Berufungsbegehren selbst abzusprechen. Ein solcher Abspruch über die Sache des Berufungsverfahrens, nämlich über das Begehren um Ansatz einer Beteiligung an der F. GmbH und Abschreibung der Anschaffungskosten der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert - welches Berufungsbegehren allerdings nur unzureichend ausgeführt erscheint - ist aber im angefochtenen Bescheid nicht erfolgt. Durch diese Begründungslücke kann aber der angefochtene Bescheid auf seine Gesetzmäßigkeit nicht überprüft werden, zumal auch die Verwaltungsakten nicht vollständig vorgelegt wurden. (So fehlen insbesondere jene Schriftsätze, auf die sich der Prüfer in seinem Bericht berufen hatte.)

Zur Klarstellung ist überdies darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde das von der Beschwerdeführerin behauptete Treuhandverhältnis allein mit der Sache nicht dienlichen spekulativen Überlegungen und ihrer Ansicht nach unbeantworteten Fragen im Sachverhaltsbereich nicht anerkannt hat. Bei dieser "Sachverhaltswürdigung" hat die belangte Behörde aber das umfangreiche Vorbringen der Beschwerdeführerin über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Vorgangsweise und über die Entstehungsgeschichte der F. GmbH - als Auffanggesellschaft nach einer Insolvenz der vormaligen Produktionsgesellschaft - völlig außer acht gelassen. Da die belangte Behörde bei der Würdigung der Behauptungen über das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses also wesentliche Sachverhaltselemente unberücksichtigt gelassen und ihr allenfalls notwendig erscheinende Ermittlungen im Sachverhaltsbereich unterlassen hat, hat sie das Ergebnis ihrer Beweiswürdigung nicht in einem von Mängeln freien Verfahren gewonnen.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin näher einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die angefochtene Berufungsentscheidung nur in einer Ausfertigung vorzulegen ist, beschränkt sich der Ersatz der Beilagengebühr auf den Betrag von S 90,--.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte