VwGH 92/05/0156

VwGH92/05/015628.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache der Gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaft "X" reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 2. Juni 1992, Zl. MD-VfR - B XIV- 26/92, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §126 Abs4 idF 1976/018;
BauO Wr §134 Abs5 idF 1976/018;
BauRallg;
VVG §1 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §126 Abs4 idF 1976/018;
BauO Wr §134 Abs5 idF 1976/018;
BauRallg;
VVG §1 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des von ihr errichteten Gebäudes an der Adresse H-Straße 151 in Wien; die Kamine auf dem niedrigeren Gebäude der Nachbarliegenschaft M-Gasse 44 befinden sich innerhalb der Grenzen des § 114 Abs. 4 der Bauordnung für Wien (i.d.F. der Bauordnungsnovelle

LGBl. Nr. 18/1976; im folgenden: BO). Der Nachbar weigerte sich, entsprechend § 126 Abs. 4 erster Satz BO seine Kamine hochzuziehen. Deshalb stellte die Beschwerdeführerin am 19. August 1991 beim Magistrat der Stadt Wien, MA 37 ,den Antrag, die Behörde wolle bescheidmäßig den Antragsgegner zur Hochführung der Rauch- und Abgasfänge im Sinne des vorgelegten Einreichplanes verpflichten.

Am 24. März 1992 richtete die Beschwerdeführerin an die belangte Behörde einen Devolutionsantrag; diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 73 Abs. 2 AVG und § 134 Abs. 5 BO zurück. Begründend führte sie aus, die Bauordnung für Wien sehe einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 126 BO nicht vor. Eine derartige Hochführung könne nur duch einen von Amts wegen zu erlassenden Bescheid angeordnet werden. Gemäß § 134 Abs. 5 BO sei nur die Person Partei, die hiedurch zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werde. Alle sonstigen Personen, die hiedurch in ihren Privatrechten oder Interessen betroffen werden, seien Beteiligte.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, daß gegen Ersatz der unbedingt notwendigen Kosten ihrem Nachbarn aufgetragen werde, entweder die Rauch- und Abgasfänge entsprechend über das Niveau ihres höheren Hauses hochzuführen oder daß den Nachbarn gegen Ersatz der unbedingt notwendigen Kosten aufgetragen werde, durch die Wahl einer anderen Heizungsart eine Gefährdung der Bewohner oder der Benützer beider Gebäude auszuschließen. Die Beschwerdeführerin erachtet sich darin beschwert, daß ihr die Parteistellung und ein Antragsrecht betreffend die Kaminhochführung abgesprochen worden sei, sie daher bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Bauoberbehörde die Untätigkeit der Behörde erster Instanz nicht durch Devolutionsantrag oder Säumnisbeschwerde bekämpfen könne. Ohne entsprechendes Recht auf eine Entscheidung erhielte sie nicht die Benützungsbewilligung für das oberste Stockwerk ihres Hauses. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor. Daraus ergibt sich, daß die MA 37 von Amts wegen ein Verfahren zur Verpflichtung der Rauchfangerhöhung auf der Liegenschaft M-Gasse 44 einleitete; es fand eine Verhandlung statt und in der Folge erging am 11. August 1992 nachstehender, in Rechskraft erwachsener Bescheid:

"Der Magistrat erteilt gemäß § 126 Abs. 4 der Bauordnung für Wien den Eigentümern des Hauses der Liegenschaft, M-Gasse ONr 44, EZ. 857 nachstehenden Auftrag:

Binnen drei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides sind jene beiden Rauchfanggruppen in der Feuermauer des Seitentraktes an der linken Grundgrenze im Bereich südlich des Lichthofes, enthaltend insgesamt 7 Rauchfänge, derart hochzuführen, daß gemäß § 114 Abs. 4 BO für Wien die Ausmündungen um mindestens 3 m höher als der Fenstersturz nahe geleger Aufenthaltsräume im Nachbargebäude H-Straße 151 sind und daß eine Gefährdung der Bewohner dieses Hauses durch Abgase aus diesen Rauchfängen ausgeschlossen ist. Die Hochführung der Rauchfänge hat durch Anbringen von isolierten Aufsatzrohren gemäß den entsprechenden Zulassungen zu erfolgen.

Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn eine Heizung hergestellt wird, durch die gewährleistet wird, daß eine Gefährdung der Bewohner oder Benützer beider Gebäude ausgeschlossen ist.

Gleichzeitig wird der Eigentümer des Gebäudes H-Straße 156 unter Hinweis auf § 126 Abs. 4 BO in Kenntnis gesetzt, daß er den Eigentümern des Gebäudes M-Gasse 44 die unbedingt notwendigen Kosten für die Höherführung der Rauchfänge bzw. die für die Einrichtung einer anderen Heizungsart entstehenden Kosten bis höchstens zum Betrag der für die Höherführung geschätzten Kosten zu ersetzen hat.

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wird gemäß § 64 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1991) ausgeschlossen."

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994 wurde der Beschwerdeführerin dieser Bescheid, der ihr seinerzeit zugestellt worden war, mit der Aufforderung vorgehalten, sich zur allfälligen Frage einer Klaglosstellung zu äußern. Die Beschwerdeführerin gab dazu an, daß sie sich nicht klaglos gestellt fühle. Die MA 37 setze die Rechte aus diesem Bescheid nicht effektiv durch; mehr als 20 Monate nach Bescheiderlassung sei die Höherführung noch immer nicht abgeschlossen. Außerdem sei keine Entscheidung über die Frage ihrer Parteistellung erfolgt. Wegen der unterlassenen Höherführung sei die Benützungsbewilligung für ihr Gebäude nicht zur Gänze erteilt worden; schon um dieses subjektive Recht durchsetzen zu können, bedürfe es eines effektiven Rechtsschutzes im Verfahren gemäß § 126 Abs. 4 BO.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung tritt Klaglosstellung nur dann ein, wenn der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid - während des laufenden Beschwerdeverfahrens - formell aufgehoben wird; zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann jedoch auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061, mwN). Das Beschwerdeverfahren ist in einem solchen Fall in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG durch einen nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat einzustellen (vgl. den hg. Beschluß vom 21. März 1990, Zl. 89/02/0175 mwN).

Oberndorfer (Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 91 f) zeigt zutreffend auf, daß auch ohne ausdrückliche Erwähnung durch den Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers Voraussetzung für das Eingehen des Verwaltungsgerichtshofes in eine Beschwerde ist. Das Rechtsschutzbedürfnis bestehe im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Vewaltungsaktes; das objektive Interesse des Beschwerdeführers an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründet in dessen Beschwer. Eine derartige Beschwer liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag des Beschwerdeführers an die Verwaltungsbehörde zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrag die Verwaltungsbehörde den Beschwerdeführer durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer).

Im Bescheid vom 11. August 1992 traf die Behörde genau jene Anordnung, die der Beschwerdeführer mit seinem Antrag (bzw. Anregung, wie die belangte Behörde meint) vom 19. August 1991 erreichen wollte. Auch in ihrer zuletzt erstatteten Äußerung bringt die Beschwerdeführerin nicht vor, daß dieser Bescheid ihr Begehren nicht vollinhaltich abgedeckt hätte; vielmehr wurde genau der Auftrag dem Nachbarn erteilt, den die Beschwerdeführerin wünschte.

Die Beschwerdeführerin meint, die MA 37 setze die Rechte aus dem Bescheid vom 11. August 1992 nicht effektiv durch. Aber auch die Beschwerdeführerin hätte, wäre ihre Parteistellung anerkannt worden, nur einen Titelbescheid erringen können. Das anschließende Vollstreckungsverfahren ist ja jedenfalls von Amts wegen einzuleiten (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, Rz. 987), ein Rechtsanpruch einer Partei besteht regelmäßig nicht (Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1106). Der Ausnahmefall, den Walter Mayer aaO angeben, daß dann, wenn der Exekutionstitel in einem Verfahren geschaffen wurde, das ausschließlich aufgrund eines Parteienantrages eingeleitet werden durfte, auch die Vollstreckung nur auf Antrag zu erfolgen habe, liegt hier keinesfalls vor.

Im allgemeinen kann die Einleitung eines Verfahrens durch Parteiantrag oder aber von Amts wegen erfolgen; die beiden Formen können aber auch nebeneinander bestehen. Ob ein Verfahren auf Antrag oder/und von Amts wegen einzuleiten ist, ist den Verwaltungsvorschriften zu entnehmen (Walter Mayer aaO Rz. 261 und 265). Daß ein Einschreiten der Behörde aufgrund des § 126 Abs. 4 BO jedenfalls auch von Amts wegen erfolgen könne, bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht (Punkt 2 lit. f ihrer Replik). Damit ist klargestellt, daß sie selbst aufgrund eines über ihren Antrag ergangenen Bescheides Rechte aus diesem Bescheid nicht effektiver durchsetzen könnte.

Das Verwaltungsverfahren, betreffend die Verpflichtung des Nachbarn zur Kaminhochführung, wurde durch Bescheid vom 11. August 1992 rechtskräftig abgeschlossen. Ein Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin, abstrakt ihre Parteistellung zu klären, besteht nicht.

Jedenfalls wurde während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein dem Begehren der Beschwerdeführerin entsprechender, rechtskräftig gewordener Bescheid erlassen, sodaß dieser Wegfall der Rechtsverletzungsmöglichkeit zur Gegenstandslosigkeit der zum Zeitpunkt der Einbringung zulässigen Beschwerde führte. Gemäß § 58 VwGG haben die Parteien den ihnen jeweils erwachsenen Aufwand selbst zu tragen; ein Aufwandersatz kommt entsprechend der ständigen hg. Rechtsprechung in diesen Fällen nicht in Betracht (siehe die Nachweise bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 719).

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