Normen
ABGB §1151;
AVG §10 Abs2;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Ungarn 1978 Art1 Abs3;
VwRallg;
ABGB §1151;
AVG §10 Abs2;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Ungarn 1978 Art1 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 des Paßgesetzes 1969 begangen, weil er am 5. August 1990 um 22.20 Uhr an einer näher angeführten Grenzkontrollstelle ohne erforderlichen österreichischen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es stehe fest, daß der Beschwerdeführer (ein ungarischer Staatsbürger) in das Bundesgebiet eingereist sei, um hier zu arbeiten. "Ein Arbeitsverhältnis eingehen" im Sinne des Art. 1 Abs. 3 des österreichisch-ungarischen Sichtvermerksabkommens, BGBl. Nr. 481/1978, umfasse nicht nur die Aufnahme einer unselbständigen, sondern auch einer vom Beschwerdeführer konstruierten, sogenannten selbständigen Beschäftigung im Rahmen seiner Tätigkeit für eine (näher zitierte) Offene Handelsgesellschaft, weshalb der Beschwerdeführer nur mit einem Sichtvermerk hätte einreisen dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Zum Einwand des Beschwerdeführers, die Zustellungen im Verwaltungsverfahren seien zu Unrecht zu Handen des Beschwerdevertreters erfolgt, da "weder eine Vollmacht vorlag noch vom Beschwerdeführer oder dessen Vertreter ein Vollmachtsverhältnis behauptet wurde und für das Strafverfahren ein solches auch gar nicht bestand", ist zu bemerken: Im Akt befindet sich ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, wobei der Beschwerdevertreter unter Vorlage einer allgemeinen Vollmacht des Beschwerdeführers eingeschritten ist. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei der nachträglichen Durchführung des Strafverfahrens, wo die Frage der Sichtvermerkspflicht strittig war, um eine Angelegenheit dergestalt gehandelt hat, daß die Behörde nicht davon ausgehen konnte, der Beschwerdeführer sei auch im erwähnten Strafverfahren wegen Übertretung des Paßgesetzes vom selben Rechtsanwalt vertreten. Dies insbesondere deshalb, weil der Beschwerdevertreter selbst im Einspruch gegen die Strafverfügung und in der Berufung gegen das Straferkenntnis, die beide von ihm namens des Beschwerdeführers eingebracht wurden, auf ein entsprechendes Vertretungsverhältnis hingewiesen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/03/0044). Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher als mutwillig zu bezeichnen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Paßgesetz 1969 bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).
Nach Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, dürfen die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten. Art. 1 Abs. 3 dieses Abkommens bestimmt, daß die Berechtigung des Abs. 1 nicht für Staatsbürger gilt, die sich in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder dauernden Aufenthalt zu nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. September 1990, Zlen. 90/19/0193 bis 0199, zu dem in der letztzitierten Bestimmung enthaltenen Begriff "Arbeitsverhältnis" die Rechtsanschauung zum Ausdruck gebracht, daß damit ein Arbeitsvertrag gemeint ist. Im hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0038, findet sich unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung eine Definition des Arbeitsvertrages dahin, daß damit ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer begründet worden ist; als entscheidendes Merkmal eines solchen Arbeitsvertrages ist die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers anzusehen (vgl. unter anderem näher dazu Dungl, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechtes, 5. Auflage, Seite 22 ff).
Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Ansicht, "ein Arbeitsverhältnis eingehen" im Sinne des Art. 1 Abs. 3 des zitierten österreichisch-ungarischen Sichtvermerkabkommens umfasse auch die Aufnahme einer "selbständigen Beschäftigung", die Rechtslage verkannt. Ob es sich aber bei dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gesellschaftsvertrag zwischen ihm und anderen Personen zur Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft in Wahrheit um einen Arbeitsvertrag im Sinne des vorher Gesagten handelt, kann dahingestellt bleiben, weil die belangte Behörde diesbezügliche Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht getroffen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen.
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