VwGH 91/13/0194

VwGH91/13/019414.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der B-GmbH in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, 1.) gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld Berufungssenat III, vom 25. Juni 1991, GZ 6/2-2702/87-09, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1979 bis 1981 sowie 1983 und 1984 und 2.) gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 25. Juni 1991, GZ 6/2-2702/87-09, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für 1979 bis 1981 sowie 1983 und 1984, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §983;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1972 §27 Abs1 Z1;
KStG 1966 §8 Abs1;
ABGB §983;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1972 §27 Abs1 Z1;
KStG 1966 §8 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Christa K. ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Ein-Personen-GmbH. Bei einer die Jahre 1979 bis 1984 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, daß die Gesellschafterin neben ihrem Geschäftsführerbezug Geldbeträge erhalten hat, die sie zur Deckung von Kosten der privaten Lebensführung verwendete. Nach den Ausführungen im Prüfungsbericht wurden die "Entnahmen" auf einem Verrechnungskonto verbucht; die Verbindlichkeiten auf diesem Konto seien verzinst worden. Schriftliche Vereinbarungen, insbesondere über Kreditrahmen, Fälligkeit der Zinsen, Rückzahlungstermin und Sicherheiten, seien nicht getroffen worden. Auch gelegentliche Rückzahlungen an die Beschwerdeführerin ließen eine Ernstlichkeit der Rückzahlungsabsichten nicht erkennen.

Das genannte Verrechnungskonto wies jeweils zum 31. Dezember eines Jahres folgenden Stand auf:

1978 S 42.051,21

1979 S 126.412,--

1980 S 273.738,--

1981 S 504.419,--

1982 S 509.847,--

1983 S 813.169,--

1984 S 1,165.356,--

Der Prüfer löste das Verrechnungskonto auf und setzte die jährlichen Belastungen abzüglich der Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttungen an. Folgende Beträge wurden daher als verdeckte Gewinnausschüttung angesetzt:

1979 S 77.206,--

1980 S 137.492,--

1981 S 193.317,--

1983 S 250.495,--

1984 S 306.859,--

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1979 bis 1981 sowie 1983 und 1984 und über die Heranziehung zur Haftung für Kapitalertragsteuer hinsichtlich dieser Zeiträume. In der Berufung gegen diese am 20. Oktober 1986 erlassenen Bescheide wird insbesondere ausgeführt, die unregelmäßig von der Gesellschafterin entnommenen Beträge seien keinesfalls einem Gewinn gleichzusetzen. Gerade die Einrichtung eines Verrechnungskontos, das diese Entnahmen anführe und welches regelmäßig verzinst werde, lasse am Bestehen einer Darlehensschuld keinen Zweifel offen. Es treffe nicht zu, daß es an Sicherheiten (für die in Rede stehende Verbindlichkeit) fehlt. Für den seit vielen Jahren bestehenden Bankkredit hafte Christa K. als persönlicher Bürge. Anläßlich einer Kreditaufstockung im Mai 1982 sei ein Aktenvermerk verfaßt worden, dem einerseits die Haftung der Gesellschafterin und andererseits die Möglichkeit, "fallweise" die "monatlichen Einnahmen zu überziehen", zu entnehmen sei. Die Höhe des Darlehens habe nicht "im voraus" festgelegt werden können, da dieses nicht mit einem durch Banken gewährten Darlehen gleichgesetzt werden könne. Vielmehr hätte eine solche Vereinbarung eine Gefährdung des Unternehmens nach sich ziehen können, wenn sie "in einem negativen Verhältnis zur Umsatzentwicklung" stehe. Eine Rückzahlungsverpflichtung habe nicht "vorliegen" können, "weil es ja keinen Darlehensvertrag gegeben" habe.

Der Berufung waren ein von Christa K. unterfertigter "Aktenvermerk" vom 26. Mai 1982 sowie eine gleichfalls von der Gesellschafterin unterfertigte "Verpflichtungserklärung" vom 24. Oktober 1986 angeschlossen.

Der Aktenvermerk vom 26. Mai 1982 lautet:

"Auf Grund geänderter Zahlungsbedingungen seitens unseres

Lieferanten ... ist es erforderlich geworden, den bestehenden

Kreditrahmen mit ... zu erweitern.

Wie bisher übernehme ich als alleinige Gesellschafterin des Unternehmens die persönliche Haftung für diesen Kredit über 350.000,--, der vorläufig bis zum 30.4.1987 befristet ist, und stelle nach Zustimmung der Mitbesitzerin als Hälfteeigentümerin die Liegenschaft EZ. ... zur Verfügung.

Dies geschieht im Hinblick darauf, daß auf meinem Verrechnungskonto ein Guthaben zugunsten meines Unternehmens von derzeit rund 500.000,-- aushaftet, das gegenzuverrechnen sein wird."

Die Verpflichtungserklärung vom 24. Oktober 1986 hat folgenden Inhalt:

"Der Minussaldo auf dem Verrechnungskonto der einzigen Gesellschafterin Christa K. soll nunmehr sukzessive einer Abstattung zugeführt werden.

Dies soll in der Form geschehen, daß bis zur Tilgung die ab 1986 zu erwartenden Gewinne ausgeschüttet und als Rückzahlungsquote dem genannten Verrechnungskonto gutgebracht werden."

Auf einen entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde wurde in einer Eingabe vom 6. Februar 1990 unter anderem ausgeführt, die Zinsen auf dem Verrechnungskonto seien im Zuge der Bilanzerstellung verbucht worden. Eine Bezahlung der Zinsen sei nicht erfolgt. Die Zinsen hätten sich auf dem Verrechnungskonto erhöhend ausgewirkt.

Mit den in Beschwerde gezogenen Berufungsentscheidungen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde gelangte dabei zu der Ansicht, daß eine Vereinbarung über die Gewährung von Darlehen, die einem Fremdvergleich standhielte, nicht vorlag. Die Alleingesellschafterin habe vielmehr Geld nach ihrem Bedarf und Belieben ohne irgendwelche Beschlüsse der Beschwerdeführerin entnommen.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der Beurteilung der streitgegenständlichen zahlreichen einzelnen Zuwendungen an die Alleingesellschafterin, die dem durchgeführten Berufungsverfahren nach insbesondere auch in der Übernahme der Bezahlung vielfältiger Privataufwendungen der Gesellschafterin gelegen waren, ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß im Abgabenrecht an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-Gesellschaft und der Gesellschaft ebenso strenge Maßstäbe anzulegen sind wie an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen. Derartige Abmachungen müssen danach von vornherein ausreichend klar sein und einem Fremdvergleich standhalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, 85/14/0079).

Von der Beschwerdeführerin wird als Rechtsgrund für die einzelnen Zuwendungen der Abschluß eines Darlehensvertrages behauptet. Wenn dabei in der Beschwerde zunächst darauf verwiesen wird, daß dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-Gesellschaft nicht die Möglichkeit eingeräumt werde, ohne weiteres mit sich selbst zu kontrahieren, so spricht dies nicht für, sondern gegen die Beschwerdeführerin, zumal von ihr die Bestellung eines Kollisionskurators zur Vermeidung einer Interessenskollision zwischen der Beschwerdeführerin und der Gesellschafterin nicht einmal behauptet worden ist. Ob hinsichtlich der einzelnen Zuwendungen ein Selbstkontrahieren im konkreten Streitfall zivilrechtlich zulässig war, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil es im Abgabenrecht nicht auf die Ausnützung zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt (vgl. neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, 85/14/0079).

Nach dem § 983 ABGB entsteht ein Darlehensvertrag dadurch, daß jemandem eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen mit der Verpflichtung übergeben wird, nach einer gewissen Zeit ebensoviel von derselben Gattung und Güte zurückzugeben. Ein Darlehen ist also die Hingabe vertretbarer Sachen ins Eigentum des Empfängers mit der Verpflichtung zur Rückgabe von Sachen gleicher Art und Güte (vgl. etwa das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 28. April 1988, 7 Ob 568/88, WBl 1988, S. 369). Ein Darlehensvertrag kommt als Realkontrakt erst mit der Übergabe der Darlehensvaluta in der Weise, daß der Darlehensnehmer darüber willkürlich verfügen kann, zustande (vgl. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. Oktober 1979, 5 Ob 692/79, JBl 1980, S. 595). Dabei bildet die Rückzahlungsverpflichtung einen wesentlichen Bestandteil des Darlehensvertrages (vgl. z.B. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29. Juni 1989, 8 Ob 553/89, WBl 1989, S. 351, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1986, 84/16/0210). Allerdings kann ein Darlehensvertrag auch durch die Vereinbarung entstehen, eine bisher aus einem anderen Rechtsgrund geschuldete Leistung nunmehr als Darlehen zu schulden (Vereinbarungsdarlehen).

Im Beschwerdefall wurde im Abgabenverfahren nicht einmal eine Behauptung darüber aufgestellt, wann und unter welchen konkreten Vertragsbedingungen für jede einzelne Zuwendung, die über den gesamten strittigen Zeitraum auf dem Verrechnungskonto verbucht worden ist, ein Darlehensvertrag abgeschlossen worden ist. Da ein Darlehensvertrag jeweils eine konkrete Darlehensvaluta zum Gegenstand hat, wäre bei Zutreffen der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht von einem einzigen Darlehensvertrag, sondern von einer Vielzahl solcher Verträge auszugehen gewesen, die insgesamt die zu den Bilanzstichtagen ausgewiesene Darlehensschuld ergeben hätte. Der Abschluß einer solchen Vielzahl einem Fremdvergleich standhaltender Darlehensverträge wird von der Beschwerdeführerin aber nicht einmal behauptet. Gerade das Vorbringen in der Berufung, es habe die Höhe des Darlehens nicht "im voraus" festgelegt werden können, zeigt klar und deutlich auf, daß ein Darlehensvertrag - der wie ausgeführt durch die Zuzählung einer BESTIMMTEN Summe regelmäßig von Geld zustande kommt - von der Beschwerdeführerin nicht abgeschlossen worden ist.

Die bloße Verbuchung von Zuwendungen an die Gesellschafterin und die tatsächliche Bezahlung von Privataufwendungen der Gesellschafterin kann eine Urkunde über den Rechtsgrund der Zuwendung nicht ersetzen, weil dieser Buchungsvorgang weder nach außen zum Ausdruck gekommen ist noch daraus der Rechtsgrund für die tatsächliche Zahlung hervorgegangen ist.

In dem eine Bürgschaftsübernahme gegenüber einer Bank betreffenden Aktenvermerk vom 26. Mai 1982 wird entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift keineswegs ein Zusammenhang zwischen dieser "Haftungsübernahme" und dem "gewährten Darlehen" hergestellt. Abgesehen davon, daß ein solcher bloßer Aktenvermerk eine Urkunde über jede einzelne Darlehensvereinbarung nicht zu ersetzen vermag, ist darin von einem Darlehensvertrag keine Rede. Vielmehr wird darin nur von einem "Guthaben" der Beschwerdeführerin auf dem Verrechnungskonto gesprochen.

Die Beschwerdeführerin hat im Abgabenverfahren keine Behauptungen über den jeweiligen Rückzahlungstermin der einzelnen auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge aufgestellt. Mit ihren Ausführungen über die Abdeckung des Verrechnungskontos übersieht die Beschwerdeführerin, daß für die Anerkennung von Darlehensverbindlichkeiten unter anderem eine Abrede über den Rückzahlungsmodus erforderlich ist. Ob der auf dem Verrechnungskonto stehende Betrag von der Gesellschafterin aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auszugleichen ist, hat mit der Frage der Anerkennung von Darlehensverträgen keinen unmittelbaren Zusammenhang. Auf eine im Rahmen eines Darlehensvertrages getroffene Rückzahlungsvereinbarung kann aber weder aus der im Aktenvermerk vom 26. Mai 1982 enthaltenen Absichtserklärung einer künftigen "Gegenverrechnung" noch aus "tatsächlich getätigten Rückzahlungen" geschlossen werden, zumal es sich nach dem Inhalt der Verwaltungsakten bei den Gutschriften auf dem Verrechnungskonto erkennbar um den Abschluß des Gehaltskontos der Gesellschafterin und um die Abrechnung von Reisekosten, keineswegs aber um die Rückzahlung einer bestimmt bezeichneten, an einem bestimmten Tag eingegangenen Darlehensschuld gehandelt hat. Weiters waren Vorgänge, die erst durch die Betriebsprüfung ausgelöst worden sind, bei der Beurteilung der Behauptungen über ein Darlehensverhältnis außer Betracht zu lassen.

So können aus einer - erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten, in den Jahren 1986 bis 1989 erfolgten - Abdeckung der Verbindlichkeiten der Gesellschafterin gegenüber der Beschwerdeführerin keine Rückschlüsse auf eine bei Darlehenszuzählung erfolgte Vereinbarung über einen bestimmten Rückzahlungstermin gezogen werden. Vielmehr wurde in der Berufung das Vorliegen einer Rückzahlungsverpflichtung von der Beschwerdeführerin ausdrücklich in Abrede gestellt, was immer dabei auch der Zusatz "weil es ja keinen Darlehensvertrag gegeben hat" bedeuten sollte.

Soweit in der Beschwerde Ausführungen über die übliche Gewährung von Kontokorrentkrediten durch Banken enthalten sind, ist darauf zu verweisen, daß im Abgabenverfahren von der Beschwerdeführerin allein das Vorliegen eines Darlehens, nicht aber eines Kreditvertrages behauptet worden ist. Wenn auch Darlehensvertrag und Kreditvertrag wirtschaftlich vergleichbaren Zwecken dienen, so bestehen doch hinsichtlich Zustandekommen und Erfüllung zwischen diesen beiden Vertragstypen so wesentliche Unterschiede, daß die Beschwerdeausführungen über Vertragsdauer von Kreditverträgen und Kreditrahmen im Hinblick auf die im Abgabenverfahren aufgestellten Behauptungen über das Vorliegen von Darlehensverträgen ins Leere gehen.

Zutreffend hat das Finanzamt im Rahmen des angestellten Fremdvergleichs auf das Fehlen von Sicherheiten der Beschwerdeführerin für die Verbindlichkeiten der Gesellschafterin hingewiesen. Demgegenüber macht der Umstand, daß im Rahmen des Jahresabschlusses Zinsen verbucht worden sind, für den Abschluß eines Darlehensvertrages keinen Beweis.

Da somit die von der Beschwerdeführerin behaupteten Vereinbarungen über Darlehensgeschäfte nach außen nicht zum Ausdruck gekommen sind, keinen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt aufwiesen und in der behaupteten Form zwischen Fremden nicht abgeschlossen worden wären, ist die belangte Behörde zu Recht von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgegangen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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