VwGH 91/07/0026

VwGH91/07/00267.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 13. Dezember 1990, Zl. LAS-282/4, betreffend Absonderung eines Teilwaldrechtes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FlVfGG §34;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §34;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Unter dem Datum 7. Mai 1990 erließ das Amt der Tiroler Landesregierung einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz verweigert hiemit gem. § 38 Abs. 3 und 4 lit. b, d, Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978, LGBl. Nr. 54/78, i. d.F. des Gesetzes LGBl. Nr. 18/1984, die Bewilligung zu der in der Legatserfüllungsurkunde vom 18.7.1989, errichtet von X in Innsbruck und N (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) in Z, vorgesehenen Absonderung des außerbücherlichen Teilwaldrechtes 'G' Nr. 000 mit 111 Kl. vom Haus Nr.5 in H und Zuschreibung zur Liegenschaft EZl. n1 KG. H."

2. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 13. Dezember 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 3 und 4 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) als unbegründet ab.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit behauptende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 38 Abs. 3 TFLG 1978 darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

Zufolge des Abs. 4 dieses Paragraphen ist die Bewilligung nach Abs. 3 (unter anderem) zu verweigern, wenn (lit. b) durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt, (lit. d) der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, sofern dieser Erwerb nicht durch die Agrargemeinschaft bzw. durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes erfolgt.

2. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, durch die Nichtbewilligung der verfahrensgegenständlichen Absonderung in ihrem "Eigentumsrecht" verletzt worden zu sein, so macht sie damit die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes geltend. Darüber zu befinden ist nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der Verfassungsgerichtshof berufen (Art. 133 Z.1 iVm Art. 144 Abs.1 B-VG).

3.1. Die Beschwerde weist darauf hin, daß im Waldprotokollbuch der Gemeinde H bei dem Teilwaldrecht 0000 nicht mehr EF, die Rechtsvorgängerin des N, des Eigentümers der bisherigen Stammsitzliegenschaft EZ n2 KG H, aufscheine, sondern E.G., die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin; die Beschwerdeführerin habe den besagten Waldteil von E.G. im Erbweg erworben. Durch diese vor ca. 20 Jahren vorgenommene Eintragung im Waldprotokollbuch sei die Verbindung des Waldteiles mit der Liegenschaft der E.G. bereits erfolgt; damit aber sei die Verweigerung der Verbindung des Teilwaldrechtes 0000 mit der Liegenschaft der Rechtsnachfolgerin der Genannten, nämlich der Beschwerdeführerin, nicht mehr möglich. Die Anmerkung im Waldprotokollbuch "zu b) agrarbehördliche Genehmigung noch ausständig" sei offenbar erst in allerletzter Zeit eingefügt worden. Bis zum Beweis des Gegenteiles müsse angenommen werden, daß die "Umschreibung im Waldbuch auf G. aufgrund einer agrarbehördlichen Genehmigung" vorgenommen worden sei und diese Genehmigung offenbar in der Zwischenzeit in Verstoß geraten sei. Jedenfalls sei der Sachverhalt - dies auch unter Hinweis auf das Schreiben des Beschwerdevertreters an die belangte Behörde vom 9. Oktober 1990

- ergänzungsbedürftig geblieben.

3.2. Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerde der Sache nach einen Verstoß der belangten Behörde gegen § 68 Abs. 1 AVG (res iudicata) geltend. Die genannte Vorschrift soll nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wiederholtes Aufrollen einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 91/07/0024). Haben sich demnach der Sachverhalt nach Erlassung der ersten Entscheidung in nicht nur Nebenumstände betreffender Hinsicht oder die Rechtslage in Ansehung der für die frühere Entscheidung tragenden Vorschriften geändert, so kann von "entschiedener Sache" nicht gesprochen werden; § 68 Abs. 1 AVG steht insoweit einer neuerlichen Entscheidung nicht entgegen.

Die Beschwerdeführerin behauptet, daß die verfahrensgegenständliche Absonderung des Teilwaldrechtes 0000 von der Liegenschaft EZ n1 KG H und dessen Zuschreibung zur Liegenschaft EZ n2 KG H bereits "vor ca. 20 Jahren" agrarbehördlich (rechtskräftig) bewilligt worden sei (und zwar der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin gegenüber). Wenn diese Behauptung zutreffen sollte - die vorgenannte Zeitangabe bezieht sich nach Ausweis der Akten frühestmöglich auf März 1969 (Abhandlungsprotokoll vom 17. März 1969) - so wäre die agrarbehördliche Bewilligung entweder unter der Herrschaft des Flurverfassungslandesgesetzes, LGBl. Nr. 32/1952, oder unter der des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1969 (TFLG 1969) erteilt worden. Es erübrigt sich indes eine Prüfung der Frage, ob die im angefochtenen Bescheid als verwirklicht angesehenen Versagungstatbestände sich wesentlich von jenen unterscheiden, die "vor ca. 20 Jahren" von der Behörde heranzuziehen waren (§ 37 Abs. 4 TFLG 1969, allenfalls § 38 Abs. 3 FLG BGBl. Nr. 32/1952). Denn die oben referierte hg. Judikatur bezieht sich, was die Frage einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage anlangt, in Ansehung antragsbedürftiger Verwaltungsakte von vornherein nur auf Fälle, in denen der Antragsteller mit seinem Begehren auf Erteilung einer vom Gesetz geforderten behördlichen Bewilligung das erste Mal nicht erfolgreich war und sich für ihn aufgrund einer Änderung der die abweisliche Entscheidung tragenden Rechtslage die Möglichkeit eröffnet, in einem zweiten Anlauf die angestrebte Bewilligung zu erhalten. Demnach stünde in einem Fall wie dem hier vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Partei (jedenfalls ihren Behauptungen zufolge) ohnehin schon ihr Ziel der Erlassung eines - in Rechtskraft erwachsenen - Bewilligungsbescheides erreicht hat, einer auf eine erhebliche Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften gestützten nochmaligen Entscheidung res iudicata entgegen. In solchen Fällen könnte die Behörde - unbeschadet der ihr im § 68 Abs. 1 AVG eingeräumten Eingriffsbefugnisse - rechtens nur dann durch eine neuerliche Entscheidung (bei im wesentlichen unveränderten Sachverhalt) in die seinerzeit erteilte, rechtskräftige Bewilligung eingreifen, wenn derartiges - was hier nicht zutrifft - im Gesetz ausdrücklich vorgesehen wäre (vgl. § 68 Abs. 6 AVG). Daß sich seit der (behauptetermaßen) ergangenen ersten agrarbehördlichen Bewilligung der in Rede stehenden Absonderung der Sachverhalt in wesentlichen Punkten, d.h. in einer zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Parteiantrages (auf Bewilligung der Absonderung) führenden Weise geändert habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet und ist auch weder dem angefochtenen Bescheid - der sich mit dieser Problematik, obwohl sie von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren an die belangte Behörde herangetragen worden ist, überhaupt nicht befaßt - noch den vorgelegten Akten zu entnehmen.

Resumierend ist somit festzuhalten, daß die belangte Behörde - unter der Annahme, es träfe die Beschwerdebehauptung, es sei "vor ca. 20 Jahren" in der vorliegenden Angelegenheit bereits ein (Bewilligungs-)Bescheid erlassen worden - mit dem angefochtenen Bescheid gegen § 68 Abs. 1 AVG verstoßen hätte; der Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. August 1989 wäre diesfalls (im Instanzenzug) zurück - und nicht abzuweisen gewesen. Diese objektive Rechtswidrigkeit bewirkte im Beschwerdefall - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen, allerdings nicht begründeten Ansicht - aber auch eine Verletzung der Rechtssphäre der Beschwerdeführerin. Dies aus folgenden Gründen.

4. Vorausgesetzt es existierte, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, ein die verfahrensgegenständliche Absonderung bewilligender rechtskräftiger Bescheid, so führte die Erlassung des hier in Beschwerde gezogenen, diese Absonderung nicht bewilligenden Bescheides dazu, daß in derselben Sache zwei rechtskräftige, einander widersprechende Bescheide vorlägen. Dies hätte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge, daß der angefochtene (spätere) Bescheid dem früheren ("vor ca. 20 Jahren" ergangenen) derogieren würde (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. Juni 1981, Zl. 81/08/0023, und vom 27. September 1984, Zl. 83/08/0215). M.a.W.: Hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Behauptung von der Existenz eines früheren rechtskräftigen Bewilligungsbescheides recht und würde diese, möglicherweise nur zwischenzeitig in Verstoß geratene Entscheidung auftauchen - daß ein solcher für die Beschwerdeführerin positiver Bescheid erlassen worden sei, wurde von der belangten Behörde nie ausdrücklich, auch in ihrer Gegenschrift nicht, in Abrede gestellt -, so müßte sich die Beschwerdeführerin, beriefe sie sich auf diesen ersten Bescheid, entgegenhalten lassen, daß an dessen Stelle der spätere (hier angefochtene) rechtskräftige Bescheid vom 13. Dezember 1990 getreten wäre. In der solcherart herbeigeführten Beseitigung der seinerzeit erteilten rechtskräftigen Bewilligung läge zweifellos eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin.

5. Da es die belangte Behörde, wie erwähnt, trotz Aufzeigens des dieser rechtlichen Problematik zugrundeliegenden Sachverhaltes durch die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren unterlassen hat, sich mit dieser - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt: wesentlichen - Frage auseinanderzusetzen, und sie ungeachtet der Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Amtswegigkeit (§§ 37, 39 Abs. 2 AVG) nicht dazu beigetragen hat, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, insbesondere festzustellen, ob tatsächlich schon früher ein die Absonderung des Teilwaldrechtes 0000 mit 111 Klaftern betreffender Bescheid des von der Beschwerdeführerin behaupteten Inhaltes erlassen worden und in Rechtskraft erwachsen ist, ist der Gerichtshof im derzeitigen Stadium außerstande, abschließend zu beurteilen, ob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gegen § 68 Abs. 1 AVG verstoßen und - im Sinne des oben Dargelegten - in subjektive Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen hat.

6. Da die aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in wesentlichen Punkten offensichtlich - was durch die Ausführungen in der Gegenschrift unterstrichen wird - auf ein Verkennen der Rechtslage seitens der belangten Behörde zurückzuführen ist, war der bekämpfte Bescheid - wobei ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich ist - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von

S 420,-- (Eingabengebühr S 240,--, Vollmachtgebühr S 120,--, Beilagengebühr S 60,--) zu entrichten waren.

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