VwGH 81/08/0023

VwGH81/08/002326.6.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Dworak, über die Beschwerde der EH in W, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Dezember 1980, Zl. MA 14-H 27/80, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist in Angelegenheit eines nachträglichen Einkaufes von Versicherungszeiten

1) zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
AVG §62 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1980 zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2) den Beschluß gefaßt:

Die Gegenschrift der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 9. Jänner 1980 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (im folgenden als Anstalt bezeichnet) den Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. März 1979 auf nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für Zeiten der Kindererziehung (-pflege) gemäß Art. VII der 33. ASVG-Novelle abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde angeführt, daß gegen diesen Bescheid innerhalb von drei Monaten Klage vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien erhoben werden könne.

Mit Protokollarklage vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien vom 1. Februar 1980 begehrte die Beschwerdeführerin das Urteil, die Anstalt sei schuldig, dem Antrag der klagenden Partei auf Einkauf von Versicherungszeiten stattzugeben.

Am 4. Februar 1980 langte bei der Anstalt eine Ausfertigung dieser Protokollarklage ein.

Mit Beschluß vom 29. Februar 1980 wies das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien die Klage der Beschwerdeführerin wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Dieser Beschluß wurde der Beschwerdeführerin am 5. März 1980 zugestellt.

Mit Stellungnahme vom 29. Februar 1980 legte die Anstalt dem Landeshauptmann von Wien die Protokollarklage der Beschwerdeführerin vom 1. Februar 1980 vor, wertete diese Klage als rechtzeitig eingebrachten Einspruch und beantragte aus im einzelnen angeführten Gründen die Abweisung dieses Einspruches. Dieser Schriftsatz langte am 7. März 1980 beim Landeshauptmann von Wien ein.

Mit Schreiben vom 21. Mai 1980 teilte der Landeshauptmann von Wien der Beschwerdeführerin mit, daß er lediglich berechtigt sei, über Einsprüche gegen Bescheide zu entscheiden; es erweise sich daher als notwendig, damit der Beschwerdeführerin der Rechtszug an die nächsthöhere Behörde eröffnet werde, daß sie bei der Anstalt unverzüglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 lit. b AVG und gleichzeitig einen Einspruch mit entsprechender Begründung einbringe; über den Wiedereinsetzungsantrag werde die Anstalt, über den Einspruch der Landeshauptmann zu entscheiden haben.

1.2. Mit dem bei der Anstalt am 17. Juni 1980 eingelangten Antrag stellte die nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin das Begehren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verband hiemit den Einspruch gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1980. Der Bescheid vom 9. Jänner 1980 habe eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten; die Anstalt habe diese an und für sich unrichtig beim Schiedsgericht eingebrachte Klage als Einspruch dem Landeshauptmann von Wien zur Entscheidung vorgelegt; nun sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß aus formalen Gründen über diese Form eines Einspruches nicht entschieden werden könne.

Mit Schreiben vom 19. Juni 1980 legte die Anstalt den Wiedereinsetzungsantrag unter Hinweis auf die Stellungnahme vom 29. Februar 1980 dem Landeshauptmann vor, welcher diesen am 9. Juli 1980 zuständigkeitshalber zurückübermittelte.

Mit Schreiben vom 28. Juli 1980 an die Beschwerdeführerin entschuldigte die Anstalt ihre irrtümlich unrichtige Rechtsmittelbelehrung im Bescheid vom 9. Jänner 1980; es werde in der Beilage ein richtiggestellter Bescheid beigelegt. Dieser Bescheid weist wortgleich denselben Spruch und dieselbe Begründung wie der Bescheid vom 9. Jänner 1980 auf; er ist mit 28. Juli 1980 datiert, enthält die Rechtsmittelbelehrung über die Zulässigkeit eines binnen einem Monat zu erhebenden Einspruches an den Landeshauptmann und weist in der Fertigungsklausel den Namen eines anderen Organwalters, als dies im Bescheid vom 9. Jänner der Fall ist, auf.

Mit ergänzender Stellungnahme vom 1. August 1980 teilte die Anstalt dem Landeshauptmann von Wien mit, daß sie in Stattgebung des Antrages auf Wiedereinsetzung neuerlich mit Bescheid vom 28. Juli 1980 über den Antrag der Beschwerdeführerin auf nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten entschieden habe; inhaltlich sei diese Entscheidung mit der des Bescheides vom 9. Jänner 1980 vollständig identisch, enthalte jedoch die richtige Rechtsmittelbelehrung; die Anstalt sehe den Einspruch vom 17. Juni 1980 auch als gegen den nunmehr neuen Bescheid vom 28. Juli 1980 gerichtet an; es werde die Abweisung des gegen den Bescheid vom 28. Juli 1980 gerichteten Einspruches beantragt.

1.3. Der Bescheid des Landeshauptmannes vom 5. Dezember 1980 enthält nachstehenden Spruch:

"Über Einspruch von EH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gustav Teicht, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 9. Jänner 1980, VSNR. xxx, womit ihr Antrag auf nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für Zeiten der Kindererziehung(-pflege) gemäß Art. VII des Sozialversicherungsänderungsgesetzes 1978 (33. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz) abgewiesen wurde, wird der Bescheid der vorgenannten Anstalt vom 18. Juli 1980, womit der Antrag von EH auf nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für Zeiten der Kindererziehung(-pflege) gemäß Artikel VII des Sozialversicherungsänderungsgesetzes 1978 gleichfalls abgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG 1950 abgeändert wie folgt:

Der am 17. Juni 1980 von EH bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eingebrachte Antrag gemäß § 71 AVG 1950 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 9. Jänner 1980, betreffend Abweisung des Antrages vom 8. Oktober 1979 auf nachträglichen Einkauf von Versicherungszeiten für Zeiten der Kindererziehung(-pflege) gemäß Artikel VII des Sozialversicherungsänderungsgesetzes 1978 (33. Novelle zum ASVG), wird auf Grund von § 71 Abs. 2 und 4 AVG 1950 zurückgewiesen.

Der im Punkt 1 eingangs genannte, mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gleichzeitig eingebrachte Einspruch von EH gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 9. Jänner 1980, VSNR. xxx, wird auf Grund von § 412 Abs. 1 ASVG als verspätet zurückgewiesen."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, die Anstalt habe am 18. (richtig: 28.) Juli 1980 einen mit dem Bescheid vom 9. Jänner 1980 bis auf die Rechtsmittelbelehrung völlig gleichlautenden Bescheid erlassen, ohne überhaupt auf den Antrag auf Wiedereinsetzung einzugehen. Sie wäre jedoch gemäß § 71 AVG verpflichtet gewesen, diesen Antrag auf das Zutreffen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen zu überprüfen und sodann über ihn zu entscheiden. Sie habe den Bescheid vom 18. (richtig: 28.) Juli 1980 in der Folge mit dem Wiedereinsetzungsantrag und den Einspruch mit dem Antrag auf Entscheidung der Einspruchsbehörde vorgelegt.

Wenngleich gemäß § 71 Abs. 1 lit. b AVG eine Wiedereinsetzung nur dann zulässig sei, wenn der Bescheid fälschlich die Angabe enthalte, daß keine Berufung zulässig sei, und nicht auch dann, wenn der Bescheid eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalte, so müsse aus der Tatsache, daß im vorliegenden Fall durch die Rechtsmittelbelehrung ein unzulässiger Rechtsweg provoziert worden sei, implicite die Verneinung der Berufung erkannt werden. Es wäre demnach grundsätzlich die Wiedereinsetzung möglich.

Die weitere Prüfung hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung der Einhaltung der Wochenfrist nach § 71 Abs. 2 AVG nach Kenntniserlangung der Zulässigkeit des Einspruches habe jedoch ergeben, daß diese nicht eingehalten worden sei; die Beschwerdeführerin habe am 5. März 1980 den Beschluß des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung vom 29. Februar 1980 übernommen und sei damit in Kenntnis gesetzt, daß sie den Bescheid nur mit Einspruch beim Landeshauptmann anfechten könne. Der Wiedereinsetzungsantrag sei jedoch erst am 17. Juni 1980, demnach verspätet, gestellt worden. Die Einspruchsbehörde habe daher im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG den Bescheid vom 18. (richtig: 28.) Juli 1980 spruchgemäß abgeändert.

Der Einspruch gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1980, der gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei, habe nur als verspätet zurückgewiesen werden können.

1.4. Diesen Bescheid bekämpft die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der "sowohl Rechtswidrigkeit des Inhalts als der formal-rechtliche Mangel falscher Rechtsmittelbelehrung geltend gemacht" werden. Die Beschwerdeführerin habe durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des Bescheides der Anstalt vom 9. Jänner 1980 die Einspruchsfrist versäumt. Es wäre unlogisch und widerspräche jeglicher Rechtsgüterabwägung, einerseits wohl völlig unbestritten den Irrtum einer Kanzleibediensteten des Bevollmächtigten zum Wiedereinsetzungsgrund zu erheben, während der qualifizierte Irrtum einer Behörde bei der Rechtsmittelbelehrung außer Betracht bliebe. Auch der Beschwerdefall lasse sich unter § 71 Abs. 1 lit. b AVG subsumieren. Die falsche Rechtsbelehrung inkludiere die fälschliche Belehrung, daß das verfahrensrechtlich richtige Rechtsmittel nicht zulässig sei; in beiden Fällen könne die zu schützende Partei ohne juristisches Studium nicht erkennen, daß eine falsche Rechtsmittelbelehrung vorliege. Nur das Fehlen jeglicher Rechtsmittelbelehrung werde in der Rechtsprechung als Hindernis für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anerkannt.

Im angefochtenen Bescheid vom 5. Dezember 1980 werde im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsantrag und den Einspruch ausschließlich auf den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1980 abgestellt; es werde völlig außer acht gelassen, daß die Beschwerdeführerin ja bereits viel früher mit ihrer Klage und deren Weiterleitung als "rechtzeitig eingebrachten Einspruch" ihre Frist gewahrt habe. Überdies sei der Beschwerdeführerin erst in der offenen Wochenfrist vor dem 17. Juni durch das Schreiben der MA 14 vom 21. Mai 1980 zur Kenntnis gekommen, daß die modifiziert als Einspruch weiter gereichte Schiedsgerichtsklage nicht geeignet gewesen sei, als Einspruch wirksam zu werden. Der Schriftsatz vom 17. Juni 1980 stelle sohin einerseits gleichsam nur eine Ausführung der bereits im Februar 1980 von der Anstalt dem Landeshauptmann von Wien als Einspruch vorgelegten Klage dar. Die Weiterleitung eines falsch bezeichneten Rechtsmittels an die zuständige Behörde werde von Lehre und Rechtsprechung bejaht.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt; die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragte, "wobei der belangten Behörde eine Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen werden möge", Kosten hat die Anstalt nicht verzeichnet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn ....

b) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Nach § 71 Abs. 2 AVG 1950 muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden; gemäß § 71 Abs. 4 leg. cit. ist zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Behörde

berufen, ... die die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Nach § 357 ASVG gelten die §§ 71 und 72 AVG 1950 für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungs- und Verwaltungssachen.

2.2. Gegenstand des Wiedereinsetzungsantrages der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1980 und des angefochtenen Bescheides ist im vorliegenden Fall das mit dem rechtskräftig gewordenen Bescheid vom 9. Jänner 1980 abgeschlossene Verfahren vor der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, wobei von der Beschwerdeführerin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag als Wiedereinsetzungsgrund die Versäumung der Einspruchsfrist infolge unrichtiger Rechtsmittelbelehrung geltend gemacht wurde; mit diesem Wiedereinsetzungsantrag wurde ein Einspruch gegen den Bescheid der Anstalt vom 9. Jänner 1980 verbunden. Die Frage der Wertung der am 4. Februar 1980 bei der Anstalt eingelangten, am 1. Februar 1980 von der Beschwerdeführerin beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien eingebrachten Protokollarklage als rechtzeitiger "Einspruch" kann im Beschwerdefall im Hinblick auf die späteren Verfahrensschritte des Verwaltungsverfahrens (siehe den folgenden Punkt 2.3.) dahingestellt bleiben.

Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vom 17. Juni 1980 sowie des damit verbundenen Einspruches ist nun, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 5. Dezember 1980 der Verfahrensgegenstand des Wiedereinsetzungsverfahrens, nämlich voraussetzungsgemäß eine Fristversäumung, sowie der Gegenstand des Einspruches noch gegeben waren oder ob nicht vielmehr diese Prozeßvoraussetzungen durch den Untergang des Bescheides, hinsichtlich dessen die Einspruchsfrist versäumt wurde, weggefallen ist. Letzteres ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der Fall.

2.3. Entscheidend ist das rechtliche Verhältnis des Bescheides der Anstalt vom 28. Juli 1980 zum seinerzeitigen Bescheid dieser Anstalt vom 9. Jänner 1980. Dabei ist nach dem Erscheinungsbild des Bescheides vom 28. Juli 1980 (neue Datierung, vollinhaltliche als Bescheid bezeichnete Neuerlassung) wie auch nach seinem Inhalt und den zitierten Rechtsgrundlagen die Annahme, es läge ein Berichtigungsbescheid nach § 62 Abs. 4 AVG 1950 (in Verbindung mit § 357 ASVG) lediglich hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung vor - wobei hier auf dessen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht einzugehen wäre -, aus der Betrachtung auszuschließen. Angesichts des vorliegenden Inhaltes des Bescheides vom 28. Juli 1980 vermöchte auch eine Bedachtnahme auf die mit der Zustellung verbundene Begleitnote vom selben Tag ("Wir ersuchen Sie, diesen Irrtum entschuldigen zu wollen und legen Ihnen in der Beilage einen richtiggestellten Bescheid bei Hochachtungsvoll") keine andere Deutung des Bescheides rechtfertigen, hat doch diese Begleitnote in ihm selbst weder im Spruch noch in irgendeiner Wendung der Begründung einen Niederschlag gefunden.

Auch schließen Form und Inhalt des Bescheides vom 28. Juli 1980 die Annahme aus, es liege lediglich eine normlose Wiederholung des seinerzeitigen bescheidmäßigen Abspruches vom 9. Jänner 1980 mit einer Korrektur der Rechtsmittelbelehrung vor. Dagegen sprechen die geänderte Datierung und die Unterfertigung durch einen anderen, den Bescheidwillen bildenden Organwalter; mit der Zustellung dieser behördlichen Erledigung an die Beschwerdeführerin - die Vollmacht des auch nunmehr einschreitenden Rechtsanwaltes war laut dem Hinweis im Wiedereinsetzungsantrag vom 17. Juni 1980 lediglich im schiedsgerichtlichen Verfahren und somit nicht im Verwaltungsverfahren ausgewiesen - wurde sie als Bescheid (gleichen Inhaltes wie der Bescheid vom 9. Jänner 1980) neu erlassen.

Tatsächlich hat die Anstalt mit ihrer Erledigung vom 28. Juli 1980 einen Bescheid erlassen, der im Hinblick auf die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, zur Gänze an die Stelle des Bescheides vom 9. Jänner 1980 getreten ist; der Bescheid vom 9. Jänner gehört seit Erlassung des Bescheides vom 28. Juli nicht mehr dem Rechtsbestand an. Für diese Rechtswirkung spielt die Frage der Rechtmäßigkeit des derogierenden Bescheides vom 28. Juli keine Rolle.

2.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß sowohl der Wiedereinsetzungsantrag als auch der gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1980 gerichtete Einspruch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits gegenstandslos geworden waren. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides der Anstalt vom 28. Juli 1980 binnen einem Monat nach seiner Zustellung Einspruch zu erheben. Nach dem klaren Wortlaut des § 412 ASVG ist es hingegen ausgeschlossen, den ausdrücklich gegen den Bescheid vom 9. Jänner erhobenen Einspruch als solchen gegen den erst nach Einbringung des Einspruches zugestellten Bescheid vom 28. Juli zu behandeln. Das Rechtsmittel des Einspruches setzt nämlich die rechtliche Existenz des Bescheides, die mit seiner Erlassung eintritt, voraus. Dabei kann die Frage dahingestellt bleiben, ob unter dem Begriff der Erlassung des Bescheides (§ 412 Abs. 1 dritter Satz ASVG) als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Einspruch die (rite erfolgte) Zustellung des Bescheides zu verstehen ist oder ob ein solches Rechtsmittel bereits ab hinlänglicher Kenntnis vom Bescheidinhalt vor dessen Zustellung erhoben werden kann; denn auch im letzteren Fall müßte es sich um den normativen Inhalt eines bestimmten, nach außen in Erscheinung getretenen, wenn auch noch nicht (rite) zugestellten Verwaltungsaktes handeln.

2.5. Hieraus folgt für den zweiten Spruchteil des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde den Einspruch (vom 1. Februar/17. Juni 1980) gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1980 im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war somit, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Einspruches der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 9. Jänner 1980 wendet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

2.6. Was hingegen den ersten Spruchteil des angefochtenen Bescheides, betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages vom 17. Juni 1980 anlangt, so ist sein rechtliches Schicksal - allerdings aus Gründen der Zuständigkeit der belangten Behörde - ein vom zweiten Spruchteil verschiedenes. Die belangte Behörde war nämlich zu einem solchen Abspruch gar nicht zuständig. Zwar hat sie im Spruch zutreffend die Zuständigkeitsnorm des § 71 Abs. 4 AVG 1950 zitiert, jedoch dadurch, daß sie sich in der Begründung ausschließlich in die Frage der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages eingelassen und diese verneint sowie ihren zurückweisenden Spruch durch Zitierung des § 71 Abs. 2 AVG 1950 (neben dessen Abs. 4) auch hierauf gestützt hat, eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zukam, hat sie doch damit auch über die Frage der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages verbindlich abgesprochen.

Der erste Spruchteil des angefochtenen Bescheides, betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1980, war infolgedessen wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.

2.8. Gemäß § 21 Abs. 1 VwGG 1965 sind Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführer, die belangte Behörde und die Personen, die durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes in ihren rechtlichen Interessen berührt werden (Mitbeteiligte). Personen, deren rechtliche Interessen im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid gleichgelagert mit denen des Beschwerdeführers sind, können nicht als Mitbeteiligte dem Verfahren beigezogen werden (vgl. den hg. Beschluß vom 12. März 1968, Slg. N. F. Nr. 7309/A, sowie die Erkenntnisse vom 28. November 1977, Slg. N. F. Nr. 9441/A, und vom 29. Februar 1980, Zlen. 36, 1274/79, wobei auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird). Im Hinblick auf die in der Gegenschrift der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter zum Ausdruck gebrachte Interessenlage war diese Gegenschrift somit zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 1981

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