Normen
AVG §68 Abs4 Z4;
AVG §68 Abs4;
BauO Tir 1989 §3 Abs5;
BauO Tir 1989 §3 Abs6;
BauO Tir 1989 §3 Abs7;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art119a;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Tir 1966 §108 Abs3;
GdO Tir 1966 §113 Abs1;
GdO Tir 1966 §113;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;
VwRallg;
AVG §68 Abs4 Z4;
AVG §68 Abs4;
BauO Tir 1989 §3 Abs5;
BauO Tir 1989 §3 Abs6;
BauO Tir 1989 §3 Abs7;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art119a;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Tir 1966 §108 Abs3;
GdO Tir 1966 §113 Abs1;
GdO Tir 1966 §113;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen von S 11.600,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Juni 1990 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde dem Erstbeschwerdeführer die Bewilligung zum Abbruch des auf Bp. 1153, KG A befindlichen Wohnhauses und zur Errichtung eines Neubaues an gleicher Stelle "im Ausmaß von 10,50 x 9,70 bzw. 8,40 m mit angebauter Garage im Ausmaß von 10,19 bzw. 5,85 x 6,80 m" unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen. (Nach der Aktenlage war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Abbruch bereits durchgeführt und der Neubau im Stadium eines nicht vollendeten Rohbaus.)
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hob die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel als Gemeindeaufsichtsbehörde diesen Bescheid im Umfang der erteilten Bewilligung zum Neubau gemäß § 113 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4 (TGO 1966) in Verbindung mit § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG und §§ 52 Abs. 1 lit. b und 31 Abs. 3 und Abs. 4 lit. a der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, wegen Nichtigkeit infolge Widerspruches zum Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Gemeinde vom 18. Jänner 1985 mit Bescheid vom 10. Juli 1991 auf. Dieser Bescheid wurde (zusammengefaßt) damit begründet, daß die Bp. 1153 im gültigen Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Gemeinde als Freiland im Sinne des § 15 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4 in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 38/1984 (TROG) ausgewiesen sei. Bei dem genehmigten Bauvorhaben handle es sich nicht um ein Gebäude, das für einen bestehenden oder neu gegründeten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich sei; es solle vielmehr ausschließlich zu Wohnzwecken für den Bauwerber und seine Familie verwendet werden. Da das bestehende (Alt)gebäude bereits abgerissen worden sei, liege ein Neubau im Sinne des § 3 Abs. 5 TBO vor. Die Bestimmung des § 15 Abs. 6 TROG, wonach geringfügige Um- und Zubauten im Freiland zulässig seien, könne daher keine Anwendung finden. Es handle sich um eine unzulässige Bauführung im Sinne des § 15 Abs. 2 TROG. Das Bauansuchen hätte wegen dieses Widerspruches zum Flächenwidmungsplan vom Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde gemäß § 31 Abs. 3 TBO abgewiesen werden müssen. Das Vorliegen eines Abweisungsgrundes nach § 31 Abs. 4 lit. a iVm § 31 Abs. 3 TBO führe dazu, daß der Bescheid gemäß § 52 Abs. 1 lit. b TBO an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide. Die Aufhebung des rechtskräftigen Bescheides als schärfste Form des Aufsichtsmittels sei (zwar) nur bei Vorliegen entsprechender, bedeutender öffentlicher Interessen zulässig; nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes stelle die Durchsetzung der Flächenwidmung schon wegen des möglichen Zusammenhanges mit überörtlichen Raumordnungszielen ein die Anwendung der Bestimmungen des § 113 Abs. 1 TGO 1966 und § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG rechtfertigendes öffentliches Interesse dar, wobei dieses Interesse von "derartiger Wichtigkeit" sei, daß das Interesse an der Schonung wohlerworbener Rechte Dritter in den Hintergrund zu treten habe. Da die Bewilligung des Abbruches des bestehenden Gebäudes nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße, sei dieser Teil "von der Nichtigerklärung auszunehmen" gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die beschwerdeführende Gemeinde als auch der Erstbeschwerdeführer Berufung. Das Berufungsvorbringen läßt sich dahin zusammenfassen, daß die bewilligten baulichen Maßnahmen (Abbruch und Neubau) einem Umbau im Sinne des § 15 Abs. 6 TROG gleichzuhalten seien. Der Planungszweck, Freiland im bestehenden Umfang zu erhalten, könne im Beschwerdefall nicht erreicht werden, da sich schon vor der jetzigen Bauführung an dieser Stelle ein im wesentlichen gleich dimensioniertes Gebäude befunden habe. Es könne nicht im Sinne des Gesetzes liegen, "nichterhaltungswürdige Bauten zu konservieren" oder den Grundeigentümer zu unwirtschaftlichen Reparaturarbeiten zu zwingen. Bei verfassungskonformer Interpretation werde vielmehr durch § 15 Abs. 6 TROG ein Neubau insoweit nicht verhindert, als vorher an dieser Stelle ein entsprechendes Gebäude existiert habe und (gemeint: bei Errichtung des neuen im Verhältnis zum alten Gebäude) die engen Grenzen der Geringfügigkeit des § 15 Abs. 6 TROG eingehalten würden. Zumindest wären diese Umstände bei der der Behörde nach § 113 Abs. 1 TGO 1966 obliegenden Ermessensübung unter Beachtung des Grundsatzes der Schonung erworbener Rechte Dritter im Sinne des § 119a Abs. 7 B-VG zu berücksichtigen gewesen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 1991 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach einer Darstellung des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften vertrat die belangte Behörde darin unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. September 1980, Zl. 2996/79, die Rechtsauffassung, daß die Durchsetzung der Flächenwidmung schon wegen eines möglichen Zusammenhanges mit überörtlichen Gesichtspunkten von solcher Bedeutung sei, daß sich die Nichtigkeit nach § 68 Abs. 4 lit. d AVG (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides richtig: § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG in der mit Kundmachung vom 31. Jänner 1991, BGBl. Nr. 51, wiederverlautbarten Fassung) rechtfertige. Aufgrund der Vorrangigkeit dieser Interessen könne keine Interessenabwägung in der Richtung erfolgen, daß private Interessen über öffentliche Raumordnungsinteressen gestellt werden. Die Behebung des rechtskräftigen Baubescheides sei daher aus diesen Gründen geboten. Hinsichtlich der Qualifikation als Neubau teilte die belangte Behörde die schon im erstinstanzlichen Bescheid zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung.
Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges miteinander verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 113 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966), LGBl. Nr. 4, kann außer im Falle des § 112 leg. cit. (diese Bestimmung handelt vom Vorstellungsverfahren) ein rechtskräftiger Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung von der Aufsichtsbehörde nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG aufgehoben werden. Gemäß § 108 Abs. 2 TGO 1966 wird das Aufsichtsrecht des Landes, soweit in diesem Gesetz und in anderen Landesgesetzen nicht unmittelbare Aufsichtsmaßnahmen der Landesregierung vorgesehen sind, in erster Instanz von der Bezirkshauptmannschaft und in zweiter Instanz von der Landesregierung ausgeübt. Gemäß § 108 Abs. 3 TGO 1966 sind die Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Tiroler Bauordung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, lauten auszugsweise:
"§ 52
Nichtigkeit
(1) Bescheide, mit denen die Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes erteilt wurde, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler,
- a) ...
- b) wenn die Bewilligung erteilt wurde, obwohl ein Abweisungsgrund nach § 31 Abs. 4 lit. a, b oder d vorliegt.
...
§ 31
Baubewilligung
(1) ...
(2) ...
(3) Ein Bauansuchen ist ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich bereits aus dem Bauansuchen ergibt, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften nach § 20 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 widerspricht oder wenn dem Bauvorhaben eine Bausperre nach § 29 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 entgegensteht.
(4) Ein Bauansuchen ist ferner abzuweisen, wenn sich bei der Bauverhandlung ergibt, daß
a) ein Abweisungsgrund nach Abs. 3 vorliegt;
..."
Aus dem Zusammenhang dieser Regelungen ergeben sich zunächst ganz allgemein zwei Voraussetzungen für eine gemeindeaufsichtsbehördliche Aufhebung eines rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides als nichtig im Sinne des § 113 Abs. 1 TGO 1966 in Verbindung mit § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG, nämlich das Vorliegen einer im Gesetz ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehlerhaftigkeit des Bescheides UND die Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Grundsatz der möglichsten Schonung von Rechten Dritter im Sinne des § 108 Abs. 3 TGO 1966.
Gründe, aus denen kraft gesetzlicher Anordnung rechtskräftige Bescheide im Aufsichtswege aufgehoben werden können, sind als Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes der Unabänderlichkeit rechtskräftiger Bescheide im Prinzip zwar eng auszulegen (vgl. WALTER-MAYER, Verwaltungsverfahrensrecht5 (1991), RdZ 668, ferner die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1959, Slg. Nr. 5005/A, vom 8. April 1960, Slg. Nr. 5265/A, vom 29. März 1962, Slg. Nr. 5756/A, sowie - aus jüngerer Zeit - die Erkenntnisse vom 11. Februar 1988, Zlen. 86/06/0211, 85/06/0195, BauSlg. 1058, und vom 27. November 1990, Zlen. 90/05/0065, 0066), doch findet auch diese Auslegung ihre Grenze im möglichen Wortsinn des Gesetzes. Die Beschwerdeführer erkennen in diesem Zusammenhang selbst, daß der Baubewilligungsbescheid vom 11. Juni 1990 nur dann den Bestimmungen des § 15 TROG über die Zulässigkeit von Bauführungen im Freiland entspräche, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 leg. cit. vorlägen. Danach sind - abgesehen von hier nicht vorliegenden Bauführungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft - im Freiland "Umbauten sowie Zubauten, deren Umfang im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude gering ist" zulässig. Die Argumentation der Beschwerdeführer läuft - wie schon im Verwaltungsverfahren - darauf hinaus, den Abbruch und Neubau eines Gebäudes unter die Begriffe "Umbau und Zubau" im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zu subsumieren, wobei sie - zusammengefaßt - die Auffassung vertreten, daß gewissen Ähnlichkeiten in den bautechnischen Vorgängen die begriffliche Gleichsetzung nahelegten.
Dieser Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht zu folgen, da es für den Geltungsbereich der Tiroler Bauordnung auf die Frage, ob und in welchem Umfang sich die genannten Begriffe allenfalls in der Umgangssprache überschneiden mögen, nicht ankommt, enthält doch das Gesetz im § 3 für seinen Geltungsbereich ausdrückliche Begriffsbestimmungen sowohl für den Zubau (Abs. 6) als auch für den Umbau (Abs. 7). Danach ist Zubau die Vergrößerung eines BESTEHENDEN Gebäudes (durch Anbau oder Aufbau) und Umbau die bauliche Veränderung eines Gebäudes, durch die, OHNE DIE AUSSENMASSE ZU VERGRÖSSERN, die Raumeinteilung oder die äußere Gestaltung eines Gebäudes so geändert wird, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Im Beschwerdefall scheitert die Subsumtion des dem Erstbeschwerdeführer bewilligten Neubaues unter diese Begriffe schon daran, daß nicht das bestehende Gebäude verändert, sondern zur Gänze abgebrochen wurde, wodurch im übrigen auch der bis dahin bestandene Baukonsens nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes untergegangen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1979, Zl. 1559/77, und vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0008). Die sich an den Abbruch anschließenden - wenn auch allenfalls zum Teil rekonstruktiven Charakter aufweisenden - Baumaßnahmen (im Zuge derer - wie der Erstbeschwerdeführer selbst zugesteht - auch eine Vergrößerung der Außenmaße des Gebäudes vorgenommen wurde) sind daher als Neubau im Sinne des § 3 Abs. 5 TBO anzusehen, und zwar - nach dessen ausdrücklichem Wortlaut - auch dann, wenn der Erstbeschwerdeführer "nach Abtragung eines Gebäudes Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern wieder verwendet" haben sollte. Da gemäß § 15 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 TROG im Freiland die Errichtung von baulichen Anlagen (im Prinzip) nur für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft zulässig ist, verstößt der Baubewilligungsbescheid vom 11. Juni 1990, soweit er neben dem Abbruch des bestehenden Gebäudes auch einen Neubau bewilligt, gegen den Flächenwidmungsplan. Der somit vorliegende Abweisungsgrund des § 31 Abs. 3 iVm Abs. 4 lit. a TBO führt dazu, daß die dennoch erteilte Bewilligung gemäß § 52 Abs. 1 lit. b TBO an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
Die (demnach noch zu prüfende) Vereinbarkeit der Aufhebung dieses Bescheides mit der im § 108 Abs. 3 TGO 1966 angeordneten möglichsten Schonung erworbener Rechte Dritter bejahte die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. September 1980, Zl. 2996/79, und dem - ihrer Meinung nach - darin zum Ausdruck kommenden Vorrang der Einhaltung der Bestimmungen über die Flächenwidmung vor "privaten Interessen". Dagegen wenden die Beschwerdeführer u.a. ein, daß von einem Interesse an der "Durchsetzung der Flächenwidmung" hier schon deshalb nicht die Rede sein könne, weil auf dem Baugrundstück schon immer ein Wohnhaus gestanden sei, weshalb ein Zusammenhang mit überörtlichen Raumordnungszielen auszuschließen sei. Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Der (dem Art. 119a Abs. 7 letzter Satz B-VG entsprechende) Grundsatz des § 108 Abs. 3 TGO 1966, wonach die Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben sind, ist auch bei der Aufhebung von auf Gemeindeebene ergangenen Bescheiden gemäß § 113 TGO 1966 anzuwenden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1977, VfSlg. 7978, und das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zlen. 86/06/0211, 85/06/0195, BauSlg. 1058). Das der Aufsichtsbehörde dabei zustehende Ermessen (vgl. die Erkenntnisse vom 2. Dezember 1980, Zl. 1596/89, und vom 19. September 1991, Zl. 90/06/0022, sowie WALTER-MAYER, aaO, RdZ 655; ferner HENGSTSCHLÄGER, Materielle Rechtskraft bzw. Bestandskraft im deutschen und im österreichischen Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 1989, 336 ff, insbesondere
362) darf daher nicht in der Weise geübt werden, daß wegen jeder auch noch so geringfügigen Rechtswidrigkeit in rechtskräftige Bescheide eingegriffen wird (so das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zlen. 90/05/0065, 0066, und vom 19. September 1991, Zl. 90/06/0022). Der Grundsatz der "möglichsten Schonung erworbener Rechte" bedeutet andererseits keineswegs - wie die belangte Behörde und die Beschwerdeführer offenbar meinten - die Annahme eines Vorrangs privater Interessen vor öffentlichen Interessen der Raumordnung, sondern statuiert vielmehr ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in erworbene Rechte (vgl. WALTER-MAYER, aaO, RdZ 648 und 655, ferner PESENDORFER, Das Übermaßverbot als rechtliches Gestaltungsprinzip der Verwaltung, ZÖR 28, 265 ff insbesondere 269; HENGSTSCHLÄGER, aaO, 362; BERCHTOLD, Gemeindeaufsicht (1972), 43; in diesem Sinne auch schon das hg. Erkenntnis vom 10. September 1946, Slg. Nr. 15/A): Es sind im Zuge der Ermessensübung die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in bezug auf die durch das (im Institut der Rechtskraft verkörperte) Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte.
In diesem Zusammenhang liegt es vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck von Raumordnungsvorschriften in der Regel auf der Hand, daß die Beseitigung eines gegen diese Vorschriften verstoßenden Bescheides erforderlich ist, soll nicht das öffentliche Interesse an deren Einhaltung auf unerträgliche Weise verkürzt werden. Ein solcher Fall lag auch dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1980, Zl. 2996/79, zugrunde. Andererseits sind aber auch Fälle einer formal zwar vorliegenden Rechtswidrigkeit denkbar, die jedoch keine oder nur unbedeutende Auswirkungen auf das geschützte öffentliche Interesse nach sich zieht. Bezogen auf den Beschwerdesachverhalt könnte ein solcher Fall nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dann vorliegen, wenn zwar die Art und Weise der Bauführung gesetzwidrig ist, die Ergebnisse jedoch entweder mit dem früheren Zustand (soweit dieser konsentiert war) übereinstimmen oder von diesem zwar abweichen, aber diese Abweichung auf andere, gesetzeskonforme Weise ebenfalls hätte herbeigeführt werden können, wie dies der Erstbeschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet hat. In diesen Fällen ist nämlich dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, auf welche Weise - von der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise als solcher abgesehen - das Ergebnis der Bauführung fortdauernde nachteilige Wirkungen auf die mit der Freilandwidmung verfolgten planerischen Zielsetzungen entfalten könnte, die über jene des früheren oder auf gesetzmäßige Weise erreichbaren Zustandes hinausgehen.
Bei Beurteilung dieser Frage sind nicht nur nachteilige Wirkungen eines Bauwerkes zu berücksichtigen, die sich aus dessen baulichem Erscheinungsbild ergeben, sondern - und vor allem - jene, die mit den damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten in Zusammenhang stehen. Eine raumbedeutsame Auswirkung auf planerische Zielsetzungen könnte daher auch dann vorliegen, wenn erst durch die rechtswidrige Vorgangsweise (Abbruch und Neubau) eine widmungsfremde Nutzungsmöglichkeit geschaffen würde, die bei gesetzeskonformem Vorgehen (etwa durch einen zulässigen Zubau im Sinne des § 15 Abs. 6 TROG) nicht erzielbar gewesen wäre. Andererseits fiele zugunsten des Erstbeschwerdeführers ins Gewicht, wenn die umliegende, konsentierte, aber nicht landwirtschaftlichen Zwecken (und damit nicht den Zwecken des § 15 TROG) dienende Bebauung der Durchsetzung der planerischen Zielsetzungen einer Freilandwidmung auch in Ansehung des Grundstückes des Erstbeschwerdeführers von vornherein entgegenstünde, sodaß aus diesem Grund die in der gewählten Vorgangsweise liegende Umgehung des § 15 Abs. 6 TROG von vornherein keine nachteiligen Auswirkungen im hier maßgebenden Sinne haben konnte (vgl. zur Maßgeblichkeit der unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes noch umsetzbaren Planungsziele auch die Ausführungen des zu § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes ergangenen Erkenntnisses vom 24. Jänner 1991, Zl. 89/06/0013).
Ob das mit Bescheid vom 11. Juni 1990 (rechtswidrig) bewilligte Projekt nachteilige Auswirkungen in raumordnungsrechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Beschwerdefalles im dargelegten Sinne entfalten würde, kann aber derzeit nicht abschließend beurteilt werden, weil die belangte Behörde - ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung - dazu keine auf ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gestützte Feststellungen getroffen hat. Dies wird die belangte Behörde - unter Beiziehung eines Sachverständigen für Raumordnungsfragen - durch eine Gegenüberstellung der raumbedeutsamen Auswirkungen des konsentierten Altbestandes im Verhältnis zum bewilligten Projekt unter Bedachtnahme auf eine allenfalls vorhandene konsentierte Bebauung in der unmittelbaren Umgebung festzustellen haben. Sollte sich dabei herausstellen, daß das mit dem (objektiv rechtswidrigen) Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 1990 genehmigte Projekt keine oder nur unbedeutende tatsächliche Wirkungen auf die durch die verletzten Rechtsvorschriften geschützten Normzwecke entfaltet, dann entspräche ein Eingriff in die Rechtskraft dieses Bescheides, der für den Erstbeschwerdeführer im Hinblick auf den mittlerweiligen Baufortschritt bedeutende Nachteile nach sich zöge, nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in Art. 119a Abs. 7 B-VG und § 108 Abs. 3 TGO 1966 zum Ausdruck kommt.
Da die belangte Behörde von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend diese Fragen nicht geprüft hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei abschließend noch darauf hingewiesen, daß die dargelegten Umstände ausschließlich im Zusammenhang mit der Zulässigkeit eines Eingriffes in erworbene Rechte von Bedeutung sind; etwaige bewilligungspflichtige Abweichungen der tatsächlichen Bauführung vom rechtskräftigen Konsens wären unter keinen Umständen einer nachträglichen Baubewilligung zugänglich.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf den Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren der beschwerdeführenden Gemeinde war abzuweisen, weil die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises von der Entrichtung der Stempelgebühren auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof befreit ist (§ 2 Z. 2 GebG; vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1969, Slg. Nr. 7554/A).
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