Normen
ABGB §309;
GewO 1973 §83 idF 1988/399;
GewO 1973 §83;
HGB §128;
ABGB §309;
GewO 1973 §83 idF 1988/399;
GewO 1973 §83;
HGB §128;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm der Beschwerdeführerin L Verpflichtungen auferlegt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. September 1991 wurde im Verwaltungsrechtszug ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin und einer zweiten Person gemäß § 83 GewO 1973 in Verbindung mit den §§ 128 und 159 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches "hinsichtlich der aufgelassenen Tankstelle auf dem Grundstück 15/3 der KG W in K (letzte Inhaberin: X KG)" bestimmte Aufträge erteilt werden.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die gegenständliche Tankstelle zuletzt von der X KG innegehabt worden sei und daß diese auch - allerdings lediglich bezüglich der Tankanlagen über Terrain - Auflassungshandlungen gesetzt habe. Die Firma der X KG sei am 24. Oktober 1985 im Handelsregister gelöscht worden. Die beiden Bescheidadressatinnen seien zu diesem Zeitpunkt Kommanditistinnen der Gesellschaft gewesen. Adressat etwaiger behördlicher Aufträge gemäß § 83 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, habe jener Inhaber der Betriebsanlage zu sein, welcher dieselbe aufgelassen habe. Zufolge § 159 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches ende die Passivlegitimation einer Personengesellschaft des Handelsrechtes nicht mit der Löschung der Firma im Handelsregister, sondern erst fünf Jahre danach. Für Verbindlichkeiten der aufgelösten Gesellschaft hafteten deren Gesellschafter, wobei lege non distinguente bei einer Kommanditgesellschaft Komplementäre und Kommanditisten in gleicher Weise hafteten. Im vorliegenden Fall sei nun die Kommanditgesellschaft am 24. Oktober 1985 gelöscht worden. Vor Ablauf der fünfjährigen Frist des § 159 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches sei jedoch der erstbehördliche Bescheid erlassen worden, weshalb Verbindlichkeiten der aufgelösten Gesellschaft - wozu auch die Passivlegitimation in einem Verfahren gemäß § 83 GewO 1973 zähle - die Gesellschafter, wozu auch die beiden Bescheidadressatinnen als Kommanditistinnen zählten, träfen, und zwar, wie sich aus § 128 des Handelsgesetzbuches ergebe, zur ungeteilten Hand.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die vorliegende Beschwerde enthält folgende Erklärung über
die Beschwerdepunkte:
"Durch den angefochtenen Bescheid wird die Beschwerdeführerin in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem Recht, mangels Passivlegitimation keine behördlichen Aufträge rechtswirksam erhalten zu können, weil hiefür die gesetzlich erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere gemäß §§ 128, 171 HGB sowie § 83 GewO 1973, nicht vorliegen, verletzt."
In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wird in der Beschwerde im wesentlichen vorgebracht, da gemäß § 309 ABGB Inhaber einer Sache derjenige sei, der diese in seiner Gewahrsame habe, ergebe sich ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, daß dies zum Zeitpunkt der Auflassung der gegenständlichen Betriebsanlage die Zentralpersonalvertretung des Amtes der Kärntner Landesregierung, deren Subpachtvertrag erst am 30. Juni 1980 geendet habe, gewesen sei. Aber selbst wenn man fälschlich davon ausginge, daß die X KG zum fraglichen Zeitpunkt Inhaber der Betriebsanlage gewesen sei, ergebe sich auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes, daß die der Beschwerdeführerin erteilten Aufträge zu Unrecht erfolgt seien:
Die drei der Beschwerdeführerin erteilten Aufträge bezögen sich auf die drei unterirdischen Lagerbehälter. Nach den Feststellungen des Landeshauptmannes von Kärnten seien durch Monteure der X KG die Tankanlagen über Terrain demontiert worden. Nach den weiteren erstinstanzlichen Feststellungen sei von einem Ausgraben der Behälter Abstand genommen worden, weil noch offen gewesen sei, ob diese Anlagen (Lagerbehälter) zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Betrieb genommen werden sollten. Diesbezüglich sei zwischen der X KG und Herrn P vereinbart worden, daß die Kessel, die Zapfinselüberdachung, die Zapfinsel und die Leuchten etc. vorerst erhalten blieben, die X KG von allen Lasten und Verpflichtungen freigestellt und der Verkaufsraum der "Firma" P zur Verfügung stehen sollten. Demgemäß handle es sich, wenn überhaupt, höchstens um eine Teilauflassung der Betriebsanlage im Sinne des § 83 GewO 1973. Von dieser Teilauflassung seien die gegenständlichen drei unterirdischen Lagerbehälter jedenfalls nicht erfaßt worden, sodaß diesbezüglich von der X KG anläßlich der Teilauflassung auch keine Vorkehrungen im Sinne des § 74 Abs. 2 hinsichtlich der Lagerbehälter notwendig gewesen seien und die X KG daher zu diesem Zeitpunkt auch die nunmehr aufgetragenen Vorkehrungen nicht zu treffen gehabt hätte. Tatsächlich sei es der X KG bzw. der Beschwerdeführerin, wie sich aus den Feststellungen ergebe, gar nicht möglich, die drei Lagerbehälter zu entfernen, weil diese entsprechend der Vereinbarung mit Herrn P im Erdreich belassen werden müßten. Tatsächlich habe der u.a. aus drei Lagerbehältern bestehende Teil der Betriebsanlage weiter bestanden, sodaß der Betrieb lediglich gemäß § 80 Abs. 1 GewO 1973 unterbrochen worden und daher die Genehmigung der Betriebsanlage gemäß § 80 Abs. 1 GewO 1973 erst im Jahre 1983 erloschen sei. In diesem Zeitpunkt seien aber zweifellos die Grundeigentümer oder Herr P persönlich, welcher nach Aufkündigung des Pachtverhältnisses die Lagerbehälter in seine Gewahrsame übernommen habe, Inhaber dieser Anlage gewesen.
Wie es in der Beschwerde weiter heißt, vertrete der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheit die Rechtsmeinung, daß aufgrund der Bestimmungen des § 128 HGB, nach welchen die Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechtes für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich hafteten, bei einer Kommanditgesellschaft Kommanditisten und Komplementäre in gleicher Weise hafteten. Diese Rechtsansicht sei unhaltbar: Der Kommanditist hafte zwar unmittelbar, aber gemäß § 171 HGB nur beschränkt und nur mit seiner Einlage. Den Kommanditisten fehle jede Passivlegitimation zur Entgegennahme von an die Gesellschaft gerichteten Aufträgen. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin ihre Kommanditeinlage zur Gänze in bar einbezahlt und diese aus Anlaß der Liquidation der Gesellschaft nicht zurückgewährt erhalten.
Gemäß der Feststellung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten sei die X KG bereits am 24. Oktober 1985 im Handelsregister gelöscht worden. Die Beschwerdeführerin sei aber erstmals mit dem bekämpften Bescheid, der ihr am 27. September 1991 zugestellt worden sei, als Kommanditistin in Anspruch genommen worden. Da gemäß § 159 Abs. 1 HGB die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren verjähren, könnten der Beschwerdeführerin auch aus dem Grunde der Verjährung die gegenständlichen Aufträge nicht mehr erteilt werden.
In der Beschwerde heißt es schließlich, die T-Gesellschaft mbH habe für die gegenständliche Betriebsanlage steuerlich eine Rückstellung für deren Wiederherstellung vorgenommen. Dies hätte die belangte Behörde bei einer entsprechenden Vernehmung von Herrn Dkfm. Z und eines informierten Vertreters der T-Gesellschaft mbH, wozu die Behörde aufgrund der vorliegenden und von ihr selbst aufgezeigten Widersprüche von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, zweifelsfrei feststellen können. Bei richtiger und schlüssiger Beweiswürdigung wäre die erste Instanz bzw. die belangte Behörde zu den Feststellungen gelangt, daß mit 31. März 1982 die X KG von der T-Gesellschaft mbH mit allen Aktiven und Passiven inklusive der gegenständlichen Betriebsanlage übernommen worden sei und demgemäß eine Gesamtrechtsnachfolge vorliege. Aufgrund dieser Gesamtrechtsnachfolge seien die gegenständlichen Aufträge jedoch der T-Gesellschaft mbH und nicht der Beschwerdeführerin zu erteilen.
Der Beschwerde kommt im Ergebnis schon aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:
Im vorliegenden Beschwerdefall ist der Begründung des erstbehördlichen Bescheides die Feststellung zu entnehmen, daß aufgrund einer amtlichen Anfrage am 31. August 1983 mitgeteilt worden sei, daß die Tankstelle im August 1980 aufgelassen worden sei. Nach der Aufkündigung des Tankstellenübereinkommens vom 22. Juli 1959 am 12. Mai 1980 seien die Tankanlagen über Terrain, wie Zapfsäulen, Ölkabinett und Reklameanlagen, durch Monteure "der Firma X" demontiert und abgetragen sowie die Saugleitungen entleert, mit Stickstoff durchgeblasen und zapfsäulenseitig (Zapfinsel) blindiert worden.
Im Jahr 1980 stand § 83 GewO 1973 in seiner Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 in Geltung:
"§ 83. Werden Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Betriebsanlagen aufgelassen, so hat der die Betriebsanlage oder Teile der Betriebsanlage auflassende Inhaber der Betriebsanlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Betriebsanlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendige Vorkehrungen zu treffen..."
§ 83 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, enthält u.a. folgende - zufolge Art. VI Abs. 1 und 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 seit 1. Jänner 1989 anzuwendende - Bestimmung:
"... hat der Inhaber der Anlage anläßlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen."
Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist gemäß § 105 HGB eine Offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Im Grunde des § 128 leg. cit. haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich.
Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist gemäß § 161 HGB eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter). Soweit in diesem Abschnitt (§§ 161 bis 177 leg. cit.) nicht ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die Offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.
Nach § 171 Abs. 1 leg. cit. haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.
Nach den in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffenen Feststellungen war die X KG der auflassende Inhaber der Anlage. Die Beschwerdeführerin war nach den getroffenen Feststellungen - lediglich - Kommanditistin dieser Kommanditgesellschaft.
Nach dem klaren Wortlaut des § 83 GewO 1973 - und zwar diesbezüglich in der Fassung VOR und NACH der Gewerberechtsnovelle 1988 - ist Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle (jedenfalls nur) der "Inhaber" der Anlage.
Die Rechtsfigur der Inhabung (des Inhabers) entstammt dem Zivilrecht, weshalb von jenem Bedeutungsinhalt auszugehen ist, den die Privatrechtsordnung - die der Gesetzgeber der Gewerbeordnung 1973 vorgefunden hat - geprägt hat. Danach ist nach § 309 ABGB (Sach-) Inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0220).
Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid nicht als "Inhaberin" der Anlage, sondern auf dem Boden der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung von der Gleichstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementärs) einerseits und von Kommanditisten andererseits - als Kommanditistin (DER "Inhaberin") - dazu verpflichtet, bestimmte Vorkehrungen im Sinne des § 83 GewO 1973 zu treffen. Derart stellte die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage auf eine "Inhabereigenschaft" im vordargestellten Sinne - und zwar bezogen auf die Beschwerdeführerin selbst - nicht ab.
Der Wortlaut des § 128 erster Satz HGB bietet aber auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß auf der Grundlage dieser zivilrechtlichen Haftungsnorm die Verwaltungsbehörden ermächtigt wären, (schlechthin) eine Haftung der Gesellschafter für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Gesellschaft geltend zu machen.
Da die belangte Behörde schon insoweit die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Dementsprechend war daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
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