VwGH 91/02/0032

VwGH91/02/003225.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde der Beate B in E, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. März 1989, Zl. Ib-182-258/88, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §26 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §43 Abs1;
VStG §6;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §26 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §43 Abs1;
VStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 4. Juni 1988 um ca. 23.35 Uhr mit ihrem Pkw 1. (nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) 2. in Schwarzenberg auf der L 48 in Richtung Ortsmitte Schwarzenberg fahrend auf der Höhe der Firma Metzler die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h, 3. in Schwarzenberg auf der L 26 in Richtung Egg fahrend auf der Höhe des Konsums die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 20 km/h und in Egg auf der L 26 in Richtung Ortsmitte Egg fahrend auf der Höhe des Kilometers 1,5 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 40 km/h, 4. in Egg auf der

L 26 in Richtung Ortsmitte Egg fahrend auf der Höhe der Pfarrzentrums die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 20 km/h überschritten. Sie habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu 3. nach § 52 lit. a Z. 10a StVO, zu

2. und 4. nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen von S 600,--, S 1.300,-- und S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafen 36 Stunden, 64 Stunden und 18 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 26. Februar 1991, B 705/89, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt 1. aufhob, im übrigen die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde insbesondere deshalb, weil nicht festgestellt wurde, daß sie auf Grund des in der Dunkelheit folgenden Fahrzeuges Angst um Leib und Leben hatte, woraus ein Putativnotstand abzuleiten gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm zustehenden eingeschränkten Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde rechtswidrig wäre: Ein entsprechendes Vorbringen hat die Beschwerdeführerin erstmals im Berufungsverfahren, eingehend erst in ihrem Schriftsatz vom 5. Jänner 1989 erstattet. Hingegen hatte sie im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nichts dergleichen behauptet, sondern vielmehr ein Geständnis abgelegt. Der Gerichtshof hält es daher nicht für unschlüssig, wenn die belangte Behörde den späteren Ausführungen der Beschwerdeführerin keinen Glauben geschenkt hat.

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen, daß darin allein, daß ein Pkw einem anderen auch auf einer längeren Strecke nachfährt - dies selbst unter Mißachtung von Verkehrsvorschriften bzw. bei geringer Verkehrsfrequenz zur Nachtzeit - eine Notstandssituation nicht erblickt werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1988, Zl. 87/03/0182, vom 28. März 1990, Zl. 89/03/0261, und vom 3. Juli 1991, Zlen. 90/03/0233, 0234). Ein besonders gelagerter Sachverhalt, wie er dem hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1984, Zl. 83/03/0321, auf das sich die Beschwerdeführerin stützen will, zugrunde lag, ist im Beschwerdefall nicht erweislich. Selbst wenn die Gendarmeriebeamten das Blaulicht am Dienstfahrzeug nicht eingeschaltet haben sollten oder die Beschwerdeführerin schon früher hätten anhalten können, würde dies an der Strafbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin nichts ändern, weshalb ihre diesbezüglichen Ausführungen ins Leere gehen.

Unrichtig ist, daß die vernommenen Zeugen mit der Darstellung der Beschwerdeführerin nicht konfrontiert wurden. Dies geht insbesondere daraus hervor, daß sie sich zur Behauptung einer "Nötigung" oder "Verfolgung" ausdrücklich geäußert haben. Ein Recht, an die Belastungszeugen Fragen zu stellen, hatte die Beschwerdeführerin ebensowenig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0287) wie ein Recht auf ihre persönliche Einvernahme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1991, Zl. 91/18/0092). In diesem Zusammenhang ist neuerlich anzumerken, daß sie vor der Erstbehörde, bei der sie persönlich erschienen war, ein Geständnis abgelegt hatte.

Was die genauen Tatorte betrifft, deren Nennung in den Zeugenaussagen die Beschwerdeführerin vermißt, so ist darauf hinzuweisen, daß diese Ortsangaben bereits in der Anzeige sowie im Beschuldigtenladungsbescheid vom 20. Juni 1988 enthalten waren, ohne daß die Beschwerdeführerin hiegegen Einwendungen erhoben hätte.

Die Beschwerdeführerin meint auch, der Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges müsse nicht nur ungeeicht, sondern auch völlig ungenau gewesen sein, weil bei einer bestimmten Steigung im Ortsgebiet die ihr angelastete Geschwindigkeit von 80 km/h für die von ihr gefahrene Fahrzeugtype eine Grenzgeschwindigkeit darstelle, während die Gendarmen nach ihren Angaben jeweils 10 km/h vom Tachostand abgezogen hätten; 90 km/h hätte sie auf der Steigung aber nicht erreichen können.

Dem ist entgegenzuhalten, daß es für die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches unerheblich ist, mit welcher mehr als 50 km/h betragenden Geschwindigkeit die Beschwerdeführerin im Ortsgebiet tatsächlich gefahren ist. Die Frage der Eichung des Tachometers des nachfolgenden Dienstfahrzeuges könnte nur in Ansehung der Verläßlichkeit der Schätzung der konkreten Fahrgeschwindigkeit im Grenzbereich von Bedeutung sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1991, Zl. 91/02/0022). Um solche Grenzbereiche handelte es sich im Beschwerdefall aber nicht. Dadurch, daß die Gendarmeriebeamten jeweils 10 km/h vom abgelesenen Tachometerstand in Abzug brachten, ist die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt worden. Die Überprüfung der Geschwindigkeitsschätzungen durch ein Sachverständigengutachten hat keinen Anlaß zu Bedenken gegeben.

Soweit die Beschwerdeführerin die Richtigkeit dieses Gutachtens bezweifelt, demzufolge ihr auf der befahrenen Strecke die Einhaltung der von der Behörde angenommenen Fahrgeschwindigkeit möglich gewesen ist, hat sie es verabsäumt, diesem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Ihre laienhaften Ausführungen sind zur Entkräftung des Gutachtens nicht geeignet. Eine Testfahrt wäre allenfalls dann sinnvoll gewesen, wenn das Fahrzeug der Beschwerdeführerin noch zur Verfügung gestanden wäre, was aber nicht mehr der Fall war. Hingegen hätte eine Testfahrt mit einem Gendarmeriefahrzeug eine allenfalls geringere Leistungsfähigkeit ihres eigenen Pkws, als vom Sachverständigen angenommen, nicht beweisen können. Weitere Beweisaufnahmen waren somit entbehrlich.

Der Beschwerdeführerin ist bekannt, daß es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Geschwindigkeitsermittlung durch ein selbst die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitendes nachfahrendes Polizeifahrzeug, auch wenn es nicht als Einsatzfahrzeug erkennbar ist, um kein verbotenes Beweismittel handelt (vgl. das bereits von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 1986, Zl. 86/18/0209, mit Hinweis auf die Vorjudikatur). Der Gerichtshof sieht sich auch im Beschwerdefall nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzugehen. Von einer Nötigung zu Übertretungen der Straßenverkehrsordnung kann keine Rede sein.

Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof im Lichte seiner Rechtsprechung zu § 44a lit. a VStG (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A) nicht erkennen, daß die Angabe der Tatzeit für alle - nicht gleichzeitigen, aber innerhalb eines kurzen Zeitraumes begangenen - Verwaltungsübertretungen mit "ca. 23.45 Uhr" rechtswidrig wäre. Weder wurde die Beschwerdeführerin hiedurch in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt, noch bestand schon im Zusammenhalt mit den Tatortumschreibungen die Gefahr einer Doppelbestrafung. Die von einer verfehlten Prämisse abgeleitete Behauptung einer Verfolgungsverjährung geht daher ins Leere.

Was die Strafbemessung anlangt, so sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin zwar ungünstig. Schon in Anbetracht ihrer einschlägigen Verwaltungsvorstrafen hat die belangte Behörde bei der Ausmittlung der im untersten Bereich der Strafdrohung liegenden Geldstrafen aber keinen Ermessensfehler begangen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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