VwGH 91/01/0204

VwGH91/01/020420.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1991, Zl. 4.311.675/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. April 1991 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei am 8. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe in der Folge beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Bei der niederschriftlichen Befragung habe er angegeben, er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und alevitischen Glaubens. In der Türkei werde er als Mensch zweiter Klasse behandelt. Im September 1990 habe ihn sein türkischer Arbeitgeber gekündigt, weil dieser erfahren habe, daß der Beschwerdeführer Alevite sei. Wegen der Unterdrückungen in der Osttürkei sei er vor zehn Jahren nach Istanbul übersiedelt. In der Türkei würden Kurden nur ohne Anmeldung beschäftigt.

Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe keine konkrete Verfolgung im Sinne der Konvention dargetan. Insbesondere rechtfertige der Hinweis auf die allgemeine Lage der Kurden und der Aleviten in der Türkei nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, er habe begründete Furcht vor Verfolgung sowohl aus Gründen der Rasse als auch der Religion glaubhaft gemacht. Seine Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bedeuteten eine massive Bedrohung der Lebensgrundlagen, da sich derartige Vorfälle erfahrungsgemäß immer wiederholten. Es müsse ferner als notorisch angesehen werden, daß die türkischen staatlichen Stellen nicht in der Lage oder gewillt seien, die verschiedenen Verfolgungen der Kurden hintanzuhalten und diesen entsprechende Rechte einzuräumen.

Diesen Darlegungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Verlust des Arbeitsplatzes (selbst wenn er auf einen der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genannten Gründe zurückzuführen wäre und es sich dabei um eine von den staatlichen Stellen gelenkte bzw. geduldete Maßnahme gehandelt hätte) nur dann als Verfolgung im Sinne der angeführten Konventionsbestimmung angesehen werden könnte, wenn damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1991, Zl. 91/01/0115).

Letzteres hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber nicht behauptet; seine gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) verstoßende Behauptung, daß sich solche Vorfälle erfahrungsgemäß immer wiederholten, ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachten. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1989, Zl. 89/01/0161, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend; anders als im Beschwerdefall hatte die Asylwerberin dort eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage (Ausschluß von Lebensmittelzuteilungen bei Fehlen anderer Versorgungsmöglichkeiten) aus Gründen der Religion glaubhaft gemacht.

Ebensowenig ist die Behauptung der Beschwerde, es bestehe ein offenkundiges Unvermögen des Heimatstaates, Verfolgungen der Kurden hintanzuhalten und diesen entsprechende Rechte einzuräumen, geeignet, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Selbst mit einem solchen Hinweis auf die allgemeine Lage der kurdischen Minderheit in der Türkei hätte der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, konkrete, ihn selbst betreffende Umstände zu bescheinigen, aus denen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus in der Konvention genannten Gründen abgeleitet werden kann (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0113, und vom 5. Dezember 1990, Zl. 90/01/0202), nicht entsprochen. Auch mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1986, Zl. 84/01/0106, wird keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil das genannte Erkenntnis einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt betraf (Verfolgung von Palästinaflüchtlingen durch libanesische Milizen).

Die Darlegungen der Beschwerde, die belangte Behörde hätte durch ergänzende Befragung bzw. entsprechende Erhebungen feststellen, daß dem Beschwerdeführer vom Arbeitgeber aus Glaubensgründen gekündigt worden sei, oder die entsprechende Behauptung als glaubwürdig ansehen müssen, zeigen schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil die soeben angeführte Tatsache für sich allein aus den bereits angeführten Gründen nicht geeignet war, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdevorwurf, der Beschwerdeführer sei vor der Verwaltungsbehörde erster Instanz nicht vernommen worden, entspricht nicht der Aktenlage; danach hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich den Beschwerdeführer am 20. März 1991 einvernommen und dessen Angaben im Sinne des § 14 AVG in einer vom Beschwerdeführer eigenhändig gefertigten Niederschrift festgehalten. Schon deshalb ist diese Verfahrensrüge - unabhängig davon, daß damit lediglich ein Verfahrensfehler der ersten Instanz, aber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, behauptet wird - nicht berechtigt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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