Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 10.550,-- betreffend die drei erstgenannten Verfahren und von S 10.560,-- betreffend das letztgenannte Verfahren, zusammen S 42.210,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten vier Bescheiden hob der Landeshauptmann von Steiermark (belangte Behörde) aus Anlaß der vom Beschwerdeführer und in zwei Fällen auch vom Arbeitsinspektorat Leoben erhobenen Berufungen gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur vom 6. Juli 1989, vom 7. Juli 1989, vom 9. Mai 1989 und vom 4. August 1989 sowie den Einstellungsbescheid vom 4. August 1989 die genannten Straferkenntnisse und den Einstellungsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz - VStG 1950, BGBl. Nr. 172, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 516/1987, im Grunde des § 27 Abs. 1 VStG 1950 wegen örtlicher Unzuständigkeit auf.
Mit diesen hatte die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur den Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Arbeitgeber der A-GmbH mit Standort E, X-Straße" wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes in jeweils mehreren Fällen schuldig erkannt und bestraft und mit dem zuletzt genannten Bescheid das Verwaltungsstrafverfahren in einem Fall eingestellt.
In der gleichlautenden Begründung der angefochtenen Bescheide wies die belangte Behörde auf den vom Handelsgericht Wien übermittelten die A-GmbH betreffenden Handelsregisterauszug vom 29. November 1989 hin, aus dem sich ergebe, daß sich der Sitz der Gesellschaft in Wien befinde. Da der Beschwerdeführer als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ bestraft worden sei, sei die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur in allen Fällen örtlich nicht zuständig gewesen.
Gegen diese Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges die Verbindung der Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und über die Beschwerden erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Nach § 2 Abs. 2 VStG 1950 ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörige Erfolg im Inland eingetreten ist.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder, bei Unterlassungsdelikten, handeln hätte sollen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 27 VStG 1950, und die hiebei angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Diesem Grundgedanken folgend hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen, denen ähnlich gelagerte Sachverhalte zugrunde lagen, ausgesprochen - die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben einige dieser Erkenntnisse zitiert -, daß es für den Bereich des VStG 1950 in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort ankommt, an dem das Unternehmen betrieben wird. Vielmehr ist jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Da in allen Beschwerdefällen dem Beschwerdeführer die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet wird, ist in den gegenständlichen Fällen für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Beschwerdeführer tätig hätte werden sollen ("handeln hätte sollen"). Das ist aber jener Ort, an dem die Unternehmensleitung (der Beschwerdeführer gehört der Unternehmensleitung an) ihren Sitz hat. Dieser Sitz kann und wird in der Regel identisch sein mit dem Firmensitz, der im Handelsregister eingetragen ist, doch ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde nach dem VStG 1950 nur der Ort maßgebend, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich ausgeübt wird. Ist dies ein anderer Ort als der im Handelsregister angegebene Firmensitz, so kann aus letzterem nicht auf die örtlich zuständige Behörde geschlossen werden (siehe auch das zuletzt ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1990, Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093, und die dort zitierten weiteren Erkenntnisse).
Da selbst von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt wird, daß der Beschwerdeführer ungeachtet dessen, daß das in Rede stehende Unternehmen laut dem Handelsregister seinen Firmensitz in Wien hat, die ihm in den vorliegenden Fällen in der Eigenschaft als Geschäftsführer obliegenden Tätigkeiten in E ausübt, war die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich die dem Beschwerdeführer angelasteten Tatbestände gesetzt wurden, zur Führung der Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständig.
Da somit von der belangten Behörde die örtliche Zuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur zu Unrecht verneint worden ist, hat sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Die Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG genannten Grund Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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