VwGH 90/07/0162

VwGH90/07/016212.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft Stuibenalpe gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 27. September 1990, Zl. LAS-197/11-89, betreffend agrarbehördliche Genehmigung der Absonderung von Anteilsrechten von einer Stammsitzliegenschaft (mitbeteiligte Partei: A), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1067;
ABGB §1072;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §34 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litd;
Satzung AgrG Stuibenalpe;
VwRallg;
ABGB §1067;
ABGB §1072;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §34 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litd;
Satzung AgrG Stuibenalpe;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende AG hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 25. Mai 1988 verkauften die Ehegatten BE und CE die mit ihrer Stammsitzliegenschaft EZ M KG X verbundenen Anteile an der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft (in der Folge kurz: AG) an deren Obmann A (in der Folge kurz: mP), mit dessen Gutsbestand in EZ n KG Y diese Anteile realrechtlich verbunden werden sollten. Diesem Vertrag erteilte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz bescheidmäßig durch einen mit 6. September 1988 datierten Stampiglienaufdruck die beantragte Genehmigung nach den einschlägigen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54/1978 idF gemäß LGBl. Nr. 18/1984 (in der Folge kurz: TFLG).

Die dagegen von der AG und einem Mitglied erhobenen Berufungen hat die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 9. März 1989 als unzulässig zurückgewiesen. Auf Grund einer gegen diese Zurückweisung erhobenen Beschwerde der AG wurde jedoch dieser Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/07/0123, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In diesem den Parteien des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten Erkenntnis vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß § 74 Abs. 4 TFLG in Verbindung mit § 38 Abs. 4 lit. b TFLG eine Parteistellung der AG im Verfahren betreffend die agrarbehördliche Genehmigung einer Absonderung von Mitgliedschaftsrechten von der Stammsitzliegenschaft begründe. Es werde in § 38 Abs. 4 lit. b TFLG der Agrargemeinschaft das Recht eingeräumt, dafür Sorge zu tragen, daß durch die Absonderung nicht eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintrete. Eine vergleichbare Bestimmung betreffend die einzelnen Mitglieder der Agrargemeinschaft sei hingegen dem TFLG nicht zu entnehmen. Was das im konkreten Fall in den Satzungen der AG normierte Vorkaufsrecht betreffe, sei die Aufnahme einer derartigen Bestimmung zwar nicht im TFLG grundgelegt, doch stelle dieses Vorkaufsrecht allenfalls eine nähere Regelung des in § 38 Abs. 4 lit. b TFLG genannten Rechtes dar.

In dem auf Grund dieses aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten zu der Frage ein, ob mit der Veräußerung der Anteilsrechte der Verkäufer an die mP eine dem § 38 Abs. 4 lit. b TFLG widersprechende Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten herbeigeführt werde (was der Sachverständige verneinte), und gewährte dazu der AG das Parteiengehör. Diese verwies in ihrer schriftlichen Äußerung ebenso wie in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 1990 erneut auf das ihr in den Satzungen eingeräumte Vorkaufsrecht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. September 1990 hat die belangte Behörde die Berufung der AG gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 38 Abs. 3 und 4 TFLG als unbegründet abgewiesen. Die verkauften Anteilsrechte seien für die Verkäuferliegenschaft entbehrlich, deren Bedarf an Weidemöglichkeiten auf andere Weise gedeckt sei. Es trete mit dem Verkauf auch keine für die AG nachteilige Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten ein, und zwar weder unter Bezugnahme auf das Ausmaß dieser Anteile noch auf die damit verbundenen Holzbezugsrechte. Soweit die AG sich auf das in ihren Satzungen normierte Vorkaufsrecht stütze, müsse gesagt werden, daß die AG aus ihrem Vorkaufsrecht keinen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Versagung einer Anteilsrechtabsonderung ableiten könne. Der aus dem Vorkaufsrecht entspringende Anspruch sei rein privatrechtlicher Natur und müsse auch mit den Instrumenten des Zivilrechtes verfolgt werden. In einem öffentlich-rechtlichen Verfahren über die Absonderung von Anteilsrechten könne er jedoch nicht zum Tragen kommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehrige Beschwerde der AG, welche sich durch ihn in ihren Rechten auf Einhaltung bzw. Beachtung ihrer Satzungen sowie auf Nichterteilung der Genehmigung des Verkaufes durch die Agrarbehörde verletzt erachtet. Daß mit dem genehmigten Verkauf eine unzulässige Zersplitterung oder Anhäufung von Weiderechten herbeigeführt werde, habe die AG in ihrer Berufung nicht geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die mP hat in einem Schriftsatz gegen die Ausführungen

in der Beschwerde Stellung genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 3 TFLG darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

Die Bewilligung nach Abs. 3 ist gemäß § 38 Abs. 4 TFLG zu verweigern, wenn

a) das Anteilsrecht zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der bisherigen Stammsitzliegenschaft nicht entbehrlich ist;

b) durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt;

c) die Agrargemeinschaft dem Erwerb des Anteilsrechtes durch ein Nichtmitglied nicht zustimmt;

d) der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, sofern dieser Erwerb nicht durch die Agrargemeinschaft bzw. durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes erfolgt.

Mit diesen gesetzlichen Bestimmungen hat sich die belangte Behörde in einer von der AG nicht weiter bestrittenen Weise mit dem Ergebnis auseinandergesetzt, daß sich unmittelbar hieraus eine Verweigerung der Genehmigung des strittigen Kaufvertrages nicht begründen lasse. Strittig ist im Beschwerdeverfahren nur die Frage geblieben, ob und inwieweit die Agrarbehörden bei der Prüfung im Sinne des § 38 Abs. 3 TFLG auch auf der Genehmigung entgegenstehende Satzungsbestimmungen hätte Bedacht nehmen müssen.

Gemäß § 34 Abs. 2 TFLG ist die Einrichtung und die tätigkeit von Agrargemeinschaften bei Agrargemeinschaften, die aus mehr als zehn Mitgliedern bestehen, von Amts wegen, bei Agrargemeinschaften, die aus weniger als zehn Mitgliedern bestehen, auf Antrag mit Bescheid (Satzungen) zu regeln.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß für die AG Satzungen (ein "Verwaltungsstatut") erlassen wurden, deren § 4 Abs. 1 folgenden Wortlaut hat:

"Falls die Absonderung eines Mitgliedschaftsrechtes von der Stammrealität in Frage kommen würde, bzw. überhaupt ein solches Recht aus irgendeinem Grunde von einer Stammrealität frei würde, so steht der Gemeinschaft als solcher das Vorkaufsrecht hieran in erster Linie zu, welches durch die Teilhaberversammlung ausgeübt wird. Wird das Vorkaufsrecht binnen 1 Monat, von der Mitteilung der beabsichtigten Absonderung an den Gemeinschaftsobmann an gerechnet, von der Gemeinschaft nicht geltend gemacht, so erlischt dasselbe für diesen Fall, was die Gemeinschaft betrifft."

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Auffassung der belangten Behörde nicht anzuschließen, wonach eine Bedachtnahme auf dieses Vorkaufsrecht deshalb nicht stattzufinden gehabt hätte, weil es sich dabei um ein rein zivilrechtliches Institut handle. Beruht doch das Verwaltungsstatut auf einer behördlichen Verfügung und gehört dem Bestand des öffentlichen Rechtes an. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis Zl. 89/07/0123 zum Ausdruck gebracht, daß dieses Vorkaufsrecht allenfalls eine nähere Regelung des in § 38 Abs. 4 lit. d TFLG genannten Rechtes darstelle.

Es ist daher der beschwerdeführenden AG darin Recht zu geben, daß einer agrarbehördlichen Genehmigung der Absonderung von Anteilsrechten von der Stammsitzliegenschaft der Verkäufer eine Abwicklung der in § 4 der Satzungen vorgesehenen Vorgangsweise hätte vorangehen müssen. Daß dies im Beschwerdefall nicht geschehen ist, fällt indes nicht den Agrarbehörden zur Last.

Der Kaufvertrag zwischen den Verkäufern und der mP, die bereits damals Obmann der beschwerdeführenden AG gewesen ist, wurde am 25. Mai 1988 abgeschlossen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war daher der Obmann der AG davon in Kenntnis gesetzt, daß die Verkäufer eine solche Absonderung ihrer Mitgliedschaftsrechte beabsichtigten. Spätestens einen Monat nach diesem Zeitpunkt war somit die in § 4 Abs. 1 der Satzungen vorgesehene Einmonatsfrist abgelaufen. Daß die Vollversammlung der AG davon nicht in Kenntnis gesetzt worden ist, daß diese Frist durch die Mitteilung der beabsichtigten Absonderung an ihren Obmann bereits längst in Gang gesetzt worden war, geht ausschließlich auf eine Nichtbeachtung des § 4 der Satzungen zurück, welche der Obmann selbst bereits in seiner Stellungnahme zur Berufung vom 27. Jänner 1989 mit Unkenntnis dieser Satzungsbestimmung zu erklären versucht hat.

Da somit die AG von dem ihr zustehenden Vorkaufsrecht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Monatsfrist nicht Gebrauch gemacht hat, verstößt die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte agrarbehördliche Genehmigung deshalb nicht gegen das Gesetz, weil die Geltendmachung dieses Vorkaufsrechtes im Zeitpunkt der agrarbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrages der AG wegen des Fristablaufes gar nicht mehr offen stand.

Rechte der AG wurden daher durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt, weshalb ihre Beschwerde - unbeschadet allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche gegen die mP - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Abhaltung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

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